Es begann mit Regency

Geschrieben am 01.11.2024 von

Der Transistor wurde 1947 erfunden und ein Jahr später der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Oktober 1954 kündigte die Firma I.D.E.A. aus dem amerikanischen Indianapolis das erste Transistorradio an. Das Regency TR-1 entstand in Kooperation mit Texas Instruments und kam am 1. November 1954 in den Handel. In der Folgezeit verkörperten solche Empfänger den Fortschritt der Mikroelektronik.

„Mit dem Transistor ließen sich mühelos Rundfunkgeräte von Zigarettenschachtel-Format herstellen. Auch die Abmessungen der noch ungeschlachten Büromaschinen könnten zusammenschrumpfen. Die gewaltigen Hollerithmaschinen ließen sich auf ein Hundertstel ihres heutigen Umfangs drücken, und die Sekretärin könnte ihre Rechenmaschine neben Lippenstift und Spiegel bequem in der Handtasche tragen.“

Diese bemerkenswerte Voraussage – sie prophezeite schon den Taschenrechner – brachte am 22. Juni 1954 der SPIEGEL. Am 18. Oktober 1954 kündigten die Industrial Development Engineering Associates tatsächlich ein Transistorradio der genannten Größe an. I.D.E.A., wie sich das Unternehmen abkürzte, saß seit 1945 in Indianapolis im US-Bundestaat Indiana. Ihr Rundfunkgerät hieß Regency TR-1 und maß nur 12,7 mal 7,6 mal 3,2 Zentimeter. Es ist oben in unserem Eingangsbild zu sehen (Foto National Museum of American History, Smithsonian Institution).

Die Elektronik des Regency-Radios – die Batterie fehlt. (Foto Theoprakt CC BY-SA 3.0)

Das Regency TR-1 entsprang einem Auftrag von Texas Instruments aus Dallas. TI steckte ab dem Frühjahr 1954 zwei Millionen Dollar in die Entwicklung eines Transistorradios. Seine Ingenieure entwarfen einen Schaltkreis mit sechs Germanium-Transistoren. Danach suchten die Texaner einen Partner für die Fertigung und fanden I.D.E.A.. Im Juni 1954 vereinbarten die beiden Firmen die Produktion eines Geräts für das Weihnachtsgeschäft. Richard Koch, der Chefingenieur von I.D.E.A., reduzierte die Zahl der Transistoren auf vier Stück, zu denen noch eine Diode kam.

Ab dem 1. November 1954 war das Regency TR-1 für 49,95 Dollar im Laden erhältlich. Es gab in den USA schon Hörgeräte mit Transistoren, doch wir können das kleine Radio das erste Konsumentenprodukt mit der neuen Technik nennen. Neben dem Schaltkreis enthielt es eine Batterie für 22,5 Volt. Die Verkleidung entwarf das Designstudio Painter, Teague & Petertil aus Chicago; eine andere Chicagoer Firma lieferte den Lautsprecher. Die Montage aller Teile erfolgte bei I.D.E.A. in Indianapolis, wie dieser Film zeigt.

Vereinfachter Schaltplan  (Foto Jwdietrich2, Übersetzung Sibalio CC BY-SA 4.0)

Das Radio empfing Sendungen mit Amplitudenmodulation, kurz AM, auf der Mittelwelle. Der in Deutschland eingeführte UKW-Rundfunk mit Frequenzmodulation verbreitete sich in den USA, wo das Verfahren erfunden wurde, erst ab den 1960er-Jahren. Das von I.D.E.A. erhoffte Millionengeschäft stellte sich noch nicht ein; vom Regency TR-1 wurden nur 140.000 Stück verkauft. Das Gerät startete aber die Invasion der Transistorradios, im August 1955 lag das erste in Japan vor. Das Sony TR-55 erreichte die USA im März 1957.

1957 waren auch deutsche Transistorradios im Handel, der Partner von Telefunken und das Peggie der in der Pfalz ansässigen Firma Akkord. Der Halbleiter-Pionier Herbert Mataré baute schon 1953 ein Versuchsgerät für die in Düsseldorf stattfindende Funkausstellung. Die Transistoren zogen dann in normale Rundfunk- und Fernsehempfänger ein; lange Zeit stellten sie die bekannteste Anwendung der Mikroelektronik dar. I.D.E.A. änderte 1961 ihren Namen in Regency Electronics und später zu Relm. Inzwischen heißt sie BK Technologies.

Made in Germany: Telefunken Partner (Foto Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin)

Das Transistorradio ist nicht nur ein technisches, sondern auch ein Kulturphänomen. 1961 besang der amerikanische Schlagerstar Freddy Cannon seine Transistor Sister, vier Jahr später schwärmte die Country-Musikerin Connie Smith für das Tiny Blue Transistor Radio. Eher nostalgisch gestimmt ist das Lied Transistor Radio ihres Kollegen Daryl Mosley aus dem Jahr 2021. Die deutsche Gruppe Kraftwerk schuf 1975 für ihr Album „Radio-Aktivität“ das Instrumental Transistor.

Deutsche Politiker beschäftigte in den 1960er-Jahren ein anderes Problem, der Betrieb von Radios in der Öffentlichkeit. Ein TV-Bericht von 1963 schilderte den Transistorenlärm, und 1962 erließ Niedersachsen eine Verordnung dagegen. Inzwischen hat jedes Bundesland ein Immissionsschutzgesetz mit entsprechenden Paragraphen; hier geht es zur Vorschrift von Nordrhein-Westfalen. Demnach ist die Benutzung von „Tongeräten“ unter freiem Himmel verboten, wenn sie die Mitmenschen belästigen. Erlaubt sind jedoch die Musik und die Reden von Wahlkämpfen.

Das Touring Automatik T40 des Herstellers Schaub Lorenz aus dem Jahr 1963 ist der älteste Transistorempfänger des HNF. So etwas nannte man früher auch Kofferradio.

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