Fest der Rechenkunst

Geschrieben am 23.07.2024 von

1614 veröffentlichte der schottische Adelige John Napier die erste Logarithmentafel. Vom 24. bis zum 27. Juli 1914 richtete die Royal Society of Edinburgh die Dreihundert-Jahr-Feier aus. Zugleich wurden in der Universität der Stadt mathematische Schriften sowie digitale und analoge Rechengeräte ausgestellt. Die Feier war die letzte große wissenschaftliche Veranstaltung vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs.

Gelegentlich kommen Menschen, die sich ums Rechnen verdient machten, in den Genuss einer Gedenkveranstaltung. So gab es 1990 in Schwaben gleich fünf Ausstellungen über den Rechenmaschinen-Pfarrer Philipp Matthäus Hahn. 1991 brachte das Londoner Science Museum eine Sonderschau über Charles Babbage, 2010 zeigte das Deutsche Museum in München Dokumente zu Konrad Zuse. Das HNF behandelte 2009 Claude Shannon, 2012 Alan Turing und 2015 die erste Programmiererin Ada Lovelace.

Vor 110 Jahren fand in Edinburgh der Napier Tercentenary Congress statt, die Dreihundert-Jahr-Feier von John Napier. Wir haben seine Taten schon im Blog geschildert. Er erdachte nicht nur die Neperschen Stäbchen zum Multiplizieren, sondern zählte neben Jost Bürgi zu den Erfindern des Rechnens mit Logarithmen. Der Kongress von 1914 orientierte sich an dem Jahr, in dem Napiers Tafelwerk in der schottischen Hauptstadt erschien. Organisator der Tagung war die Royal Society of Edinburgh, die nationale Akademie der Wissenschaften.

John Napier auf einem Gemälde der National Galleries of Scotland

Eröffnet wurde der Napier-Kongress am Nachmittag des 24. Juli 1914 in der Universität. Den Festvortrag hielt der Jurist John Fletcher Moulton, der als Baron Moulton im Oberhaus saß; als Student glänzte er in der Mathematik. Abends folgte ein Empfang in der Usher Hall, dem neuen Konzerthaus der Stadt. Am Samstag, dem 25. Juli, und Montag, dem 27. Juli, wurden in der Hochschule zwanzig Fachvorträge gehalten. Der Sonntag war einem Gottesdienst vorbehalten.

Baron Moultons Eröffnung und die anderen Referate bringt der Begleitband des Kongresses. Meistens ging es um Logarithmen, Napiers Stäbchen kamen nur am Rande vor. Lesenswert ist der Beitrag des schweizerisch-amerikanischen Mathematikhistorikers Florian Cajori zu der Frage, ob Napier, Bürgi oder vielleicht jemand ganz anders die Logarithmen schuf. Der französische Ingenieur Maurice d’Ocagne lieferte den einzigen Vortrag über Rechengeräte ab. Er sprach über direkt multiplizierende Maschinen wie die Millionär aus Zürich; sie enthielten mechanische Elemente, die das kleine Einmaleins speicherten.

Das Old College der Universität von Edinburgh mit der 1887 erbauten Kuppel

Der Napier Tercentenary Congress endete am 27. Juli 1914 mit einem Empfang der Royal Society of Edinburgh. Der Begleitband führte mehr als fünfhundert Anmeldungen auf; die meisten Teilnehmer waren aus dem Vereinigten Königreich. Einige reisten aus Deutschland an, zu nennen sind etwa die Mathematiker Otto Blumenthal und Conrad Müller sowie der Astronom Julius Bauschinger, der auch einen Vortrag hielt. Leider enthält der Band weder Gruppen- noch Einzelfotos, unseren Lesern und Leserinnen können wir im Eingangsbild oben nur die Millionärin des HNF anbieten.

Parallel zur Tagung fand in der Hochschule die Napier Tercentenary Exhibition statt; sie lief vom 23. bis zum 28. Juli 1914. Der erste Abschnitt umfasste Schriften und Objekte zu John Napier, darunter auch seine Stäbchen, und tragbare Sonnenuhren. Die nächsten Sektionen zeigten Rechentafeln, Rechenmaschinen und Abakusse sowie Rechenstäbe und -scheiben. Es folgten eine Vielfalt von analogen Instrumenten, Papierbögen mit Koordinatengittern, mathematische Modelle und zum Schluss eine Sammlung von Mathematiker-Porträts.

In der Usher Hall fand das „Get together“ der Tagung statt. (Foto Kim Traynor CC BY-SA 3.0)

Zur Ausstellung gab es ein Handbuch, das die Objekte auflistete und die Themen vertiefte. Dort stand ein Artikel des irischen Computervisionärs Percy Ludgate – wir erwähnten ihn in unserem Blog – über automatische Rechenmaschinen. Er behandelte hauptsächlich die Analytische Maschine von Charles Babbage. Auf den Text von Ludgate folgte der Beitrag eines Mathematikers der englischen Marine über eine Differenzmaschine der US-Firma Burroughs. Sie ermittelte Daten für den jährlichen Nautischen Almanach, das Grundlagenwerk der astronomischen Navigation.

In der Rückschau verschmilzt das Fest von Edinburgh mit der Geschichte. Am 23. Juli 1914 begann mit einem Ultimatum von Österreich-Ungarn ans benachbarte Serbien die Endphase der Julikrise. Am 28. Juli 1914 erklärten die Österreicher den Serben den Krieg, das Weitere ist bekannt. Der technische Fortschritt in Krieg und Frieden nahm den Logarithmentafeln und Rechenschiebern die Bedeutung. John Napier wird es im Mathematikerhimmel nicht überrascht haben, denn er war auch ein Experte für Apokalypsen.

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Ein Kommentar auf “Fest der Rechenkunst”

  1. Burgel Rindermann sagt:

    Hallo, liebe Interessierte,
    ich finde solche Artikel zu r Mathematikgeschichte und der jetzigen Entwicklung zur Mathematik sehr gut und wichtig. Diese Beiträge sollten einen allgemeinen Zugang für Jugendliche und Kinder haben, weil Mathematik eine enorme Wichtigkeit für unsre Zeit hat.
    Ich bin Förderlehrerin gewesen und hatten einen sehr guten Mathematikunterricht bei unserer Mathenonne in der Ursulinenschule in Trier in den ausgehenden Fünfziger und angefangenen Sechziger Jahren.

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