Heinz Nixdorf auf der Spur
Geschrieben am 14.03.2016 von HNF
Vor wenigen Tagen erschien im Verlag Ferdinand Schöningh die neue Biographie von Heinz Nixdorf, die seinen Namen im Titel trägt. Autor Christian Berg ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter im HNF tätig. Über den Paderborner Computerpionier und seine Firma findet sich aber auch einiges im Internet, und Heinz Nixdorf selbst verfasste Beiträge für Bücher und gab Interviews.
Heinz Nixdorf muss hier nicht mehr vorgestellt werden. Auf Leben und Werk des Paderborner Unternehmers gingen wir bereits 2015 anlässlich der 90. Wiederkehr seines Geburtstags ein. Anfang März erschien nun im Schöningh-Verlag das von Christian Berg verfasste und nahezu 400 Seiten starke Buch Heinz Nixdorf. Mit ihm legte der im HNF tätige Technikhistoriker die erste wissenschaftlich fundierte und auf intensivem Quellenstudium basierende Biographie des Computerindustriellen vor.
Die Arbeit von Christian Berg löst das Heinz-Nixdorf-Portrait des FAZ-Redakteurs Klaus Kemper ab, das 1987 herauskam. Kempers Buch ist aber noch auf Amazon sowie im HNF erhältlich. Dieses verschickt ebenso die DVD „Rechner mit Emotionen“, die auf einen TV-Film von 1994 zurückgeht. Die neuere Produktion des WDR „Der Computerkönig aus Paderborn“ steht in der ARD-Mediathek und auf YouTube. Herunterladbar sind auch Broschüren wie Heinz Nixdorf und die Universität Paderborn von 2015 und die 32-seitigen Lebensbilder, die das HNF im Jahr 2004 erstellte.
Damit wären wir bei Texten im Internet, die Heinz Nixdorf oder seine Firma behandeln. Von diesen gibt es viele, vor allem auf den Seiten des SPIEGEL und der „Computerwoche“, doch möchten wir zwei andere Quellen studieren. Die erste ist ein Interview von 1995 mit dem früheren Intel-Chipdesigner Federico Faggin. 1971 stellte Faggin den Mikroprozessor Intel 4004 in Paderborn vor und holte sich eine totale Abfuhr. Allerdings gab es auch konstruktive Kritik, die ihn dann zur Entwicklung des Intel-8080-Chips führte. Und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.
Hier fungierte die Nixdorf Computer AG also als Geburtshelfer des Mikrocomputers, wie er sich ab Mitte der 1970er-Jahre ausbreitete. Unsere zweite Quelle beleuchtet die Beziehung der NCAG und ihres Vorläufers, des Labors für Impulstechnik, zu einer anderen IT-Firma. Der Wirtschaftshistoriker Armin Müller schrieb 2011 ein dickes Buch über die Kienzle Apparate GmbH und 2012 einen langen Artikel Kienzle versus Nixdorf für die weitgehend digitialisierte „Westfälische Zeitschrift“. Müllers Erkenntnisse wurden auch von Christian Berg für seine Nixdorf-Vita verwertet.
Originaltöne von Heinz Nixdorf finden wir im Netz in zwei Gesprächen. Das erste war eine Herrenrunde, die sich Anfang 1976 beim „manager magazins“ traf. Am Tisch saßen neben Nixdorf Walther Bösenberg, Chef von IBM Deutschland, Eberhard Elsässer, Leiter des Softwarehauses SCS, und Ulrich Kiel, EDV-Direktor von Quelle. Die Kopie der Computerwoche zeigt die Konfrontation Nixdorf versus IBM, aber haften bleibt die Aussage Heinz Nixdorfs, „daß vor 1990 jeder Sachbearbeiter so selbstverständlich ein Terminal an seinem Arbeitsplatz stehen haben wird wie heute ein Telephon“.
Das zweite Gespräch fand im April 1985 zwischen ihm und der ZEIT-Redakteurin Nina Grunenberg statt. Anlass war die bevorstehende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Hier erleben wir einen Heinz Nixdorf, der den SPD-Politikern in Düsseldorf die Leviten liest, doch auch den CDU-Postminister in Bonn nicht mag. Am Ende bleibt nur Frustration. Auf eine Frage nach politischen Empfehlungen an Landesvater Johannes Rau antwortet Heinz Nixdorf: „Wir liegen so weit auseinander, daß ich keine Ratschläge geben möchte.“
Unzufriedenheit durchzieht ebenso zwei nicht online verfügbare Aufsätze, die Heinz Nixdorf 1985 und 1986 für Sammelwerke verfasste. „Bayern – bevorzugter Industriestandort mit gepflegter Umwelt“ steht in einer Festschrift für Franz Josef Strauß und bringt einen Seitenhieb auf die NRW-Autobahnplanung. „Der technologische Wandel und die Gefahr der Arbeitslosigkeit“ erschien im Band „Die neue Dimension“, der Zukunftsstrategien von Top-Managern vorstellte. Als Zugabe kommt eine Abrechnung mit der Struktur- und Verkehrspolitik des Bundeslandes und dem Bischof von Paderborn.
Die Aufsätze sind wohl nicht repräsentativ für die Arbeit von Heinz Nixdorf, dennoch bleiben Fragen. Mitte der 1980er-Jahre erfasste die Mikrocomputerwelle die Bundesrepublik und ein bisschen die DDR. Die NCAG verkaufte damals das Modell 8810/25, das zwar aus Japan stammte, aber ein 16-bit-Rechner mit einem Intel-8088-Chip war. Eine neue Zeit brach an, und die Medien sprachen von Computerkids, Computercamps und dem Silicon Valley. Die Skepsis von Heinz Nixdorf gegenüber kleinen Computern ist bekannt, aber hat er sie wirklich so radikal aus seiner Welt verdrängt?
Der Vollständigkeit halber sei noch auf einen ganz anderen Typ von Publikationen hingewiesen, nämlich die Patentamt-Akten vom Heinz Nixdorf. Diese beziehen sich teils auf Gebrauchsmuster und teils auf richtige Patentschriften und liegen in drei Sprachen vor. Die Dokumente lassen sich leicht über die Website des Amtes finden, wenn man bei „Anmelder/Inhaber/Erfinder“ seinen Namen eintippt. Zu beachten ist, dass Heinz Nixdorf nicht in jedem Fall der alleinige Erfinder war.
Damit endet unsere Spurensuche zum Paderborner Computerbauer. Die Bilder im Text zeichnete natürlich nicht Heinz Nixdorf, sondern der weltberühmte elsässische Grafiker Tomi Ungerer, der in den frühen Achtzigern für die NCAG tätig war. Unser Eingangsfoto findet sich auf der Biographie von Christian Berg – vielleicht beim nächsten Besuch des Buchladens danach Ausschau halten.
Liebe Mitleser,
der bisherige Erfolg der Nixdorf Biographie zeigt, dass die Lebens- und Wirkungsgeschichte dieses Computer-Patriarchen auch oder gerade heute noch herausragen kann. Er war ein nimmermüder Problemlöser auch weit außerhalb der Computerwelt. Seine Person stellte er in den Dienst seiner zentralen Idee: Computer an den Arbeitsplatz! Er vernetzte seine Computer schon weit vor dem Entstehen des Internet. Nur bei einer Fragestellung verschätzte sich der Zahlenmensch Heinz Nixdorf entscheidend: er hielt den Markt der Bank- und Kassensysteme für deutlich größer und den für Personal Computer für deutlich kleiner als es die Zukunft zeigte. Christian Berg weiß sorgfältig, die Legenden- bildung um Heinz Nixdorf von den „Hard Facts“ zu trennen. Er bringt zahlreiche neue Details zur Personen- und Firmengeschichte. Letzteres inspiriert die noch immer große und motivierte Anhänger- und Mitarbeiter-schaft zu wertvollen weiteren „Ausgrabungen“.
Als ich im Jahre 2000 die Tomi-Ungerer- Austellung im Kronprinzenpalais in Berlin
besuchte, war der Meister plötzlich anwesend. Ich sprach ihn wegen seiner Zeichnungen für Nixdorf an. Er war sofort
informiert und bat mich noch einmal um einen Satz Kopien dieser Cartoons. Als ich in fragte, wohin das Paket zu schicken wäre,
erwiderte er lässig „Schreiben Sie ‚Tomi Ungerer, Irland‘. Das kommt an.“
Ein Thema, für das Heinz Nixdorf trotz des COMET-Erfolges und auch im Unterschied zu Konrad Zuse offensichtlich kein „Gefühl“ hatte, war das Thema „Software“. Das bestätigte vor kurzem einer, der es wissen muss: sein langjähriger F&E Chef Dr. Hartmut Fetzer. Nixdorf war selten bis nie im SW-Entwicklungs-bereich in der Pontanusstraße zu sehen. Der Berliner Ex-Vorstand führt auch Nixdorfs Desinteresse am PC auf mangelnde Einsicht in die schon damals beständig wachsende Bedeutung von Software hin. Das Thema wäre noch eine Recherche wert.