Heinz Nixdorf und die amerikanische Volkszählung

Geschrieben am 06.04.2023 von

Am Sonntag kommt der Osterhase, zudem ist der 9. April der Geburtstag von Heinz Nixdorf. Zur Feier des Tages erinnern wir an einen ganz besonderen Einsatz seiner Rechner in den USA. Systeme vom Typ Nixdorf 480 wirkten 1980 bei der Volkzählung mit. Damit trat Heinz Nixdorf in die Fußstapfen von Herman Hollerith und James Powers.

Seit 1790 findet in den Vereinigten Staaten alle zehn Jahre eine Volkszählung statt. Die von 1890 war der Beginn der maschinellen Datenverarbeitung, denn die Papierbögen der Zähler wurden mit der Lochkartentechnik von Herman Hollerith ausgewertet. Ein anderer Lochkarten-Pionier, James Powers, lernte sein Handwerk beim Zensus von 1910. Nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb das Volkszählungsamt der USA die erste UNIVAC I. Damit leistete es eine wichtige Starthilfe für die Computerindustrie des Landes.

Volkszählungscomputer Nixdorf 480. Der Name bezog sich auf die US-Tochter der NCAG. (Foto Nixdorf Computer Corporation)

Am 10. September 1979 meldete die Computerworld: „Nixdorf Computer Corp. has signed a $4.2 million contract with the U. S. Bureau of the Census. The contract is for 37 Nixdorf 480 systems.“ Das „Bureau“ war das Volkszählungsamt, das gerade den Zensus von 1980 vorbereitete. Die zuvor erwähnte Nixdorf Computer Corporation wurde 1972 als Tochterfirma der Paderborner Nixdorf Computer AG in Chicago gegründet. 1978 machte sie einen Umsatz von achtzig Millionen Dollar und beschäftigte 1.400 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Sie befand sich aber nicht mehr in Chicago, sondern in Burlington nahe Boston. Der Ort war auch die Heimat der Entrex Inc., die Datenerfassungssysteme herstellte. Sie kombinierten ein Terminal oder mehrere mit einem Platten- und einem Bandlaufwerk. Ab den frühen 1970er-Jahren bot das Unternehmen unter anderem die Systeme 280, 380 und 480 an; sie wurden von der NCAG importiert und ab 1974 in Paderborn nachgebaut. 1976 erreichte der Entrex-Umsatz 25 Millionen Dollar. 1977 erwarb die Nixdorf Computer Corporation die Firma für 22 Millionen Dollar und verlegte den eigenen Sitz von Chicago nach Burlington.

Datenerfassungsplatz der Nixdorf 480; ein ähnliches Design hatte das System Entrex 600. (Foto Nixdorf Computer Corporation)

Die Entrex-Produkte wurden umbenannt; die „Computerworld“ sprach daher von Nixdorf-480-Systemen. In den Tiefen des Internets überlebte eine Broschüre mit Abbildungen des Terminals und des dazugehörigen Schranks – Achtung, dicke Datei. Auffällig ist die kantige Verkleidung des Monitors. Sie stammte von der Entrex 600 und ähnelte dem Oberteil des Commodore PET; die anderen Entrex-Modelle wiesen geschwungene Linien auf. Wir sehen die Nixdorf-480-Monitore ebenso in einem Foto, das 1980 beim US-Zensus entstand. Der Name „System 620“ galt aber nur für die deutsche Version.

Die damalige Volkszählung fand am 1. April 1980 statt. Das ist ein Werbevideo mit Zensus-Chef Vincent Barabba; nach ihm traten Football-Spieler, „Raumschiff Enterprise“-Star George Takei, Tennisspielerin Martina Navratilova und Hollywood-Veteran Kirk Douglas auf. Es ergab sich eine Bevölkerungszahl von 226.545.805, die aber wahrscheinlich zu niedrig lag. Es folgten Klagen vor Gerichten von Städten, die sich benachteiligt glaubten; sie gingen bis zum Supreme Court. Erst 1987 wurden die Angaben des Volkszählungsamts offiziell.

Terminal des Systems Nixdorf 620 aus den späten 1970er-Jahren

Die Probleme hingen sicher nicht mit den Nixdorf-Anlagen zusammen. Diese erwähnte die Computerworld erneut in einem Artikel vom 10. März 1980. Demnach vertraute das Volkszählungsamt vor allem UNIVAC-Rechnern, setzte aber auch Peripheriegeräte anderer Hersteller ein. Sie speicherten 36 Gigabyte, zu denen 300.000 Magnetbänder kamen. „Throw in several hundred Nixdorf Computer Corp. key-entry devices“, hieß es dann. Damit waren wohl alle Terminals gemeint, die die Nixdorf-480-Zentraleinheiten versorgten.

Bei uns vermarktete die NCAG die Entrex-basierten Systeme als Nixdorf 620; sie sind leicht am futuristischen Design zu erkennen. Unser Eingangsbild zeigt ein frühes Modell mit zwei roten Tastenreihen links und rechts; in der HNF-Ausstellung steht ein späteres mit weißem Ziffernblock. Der Einzelplatz kostete rund 13.000 DM, die Zentraleinheit 83.000 DM. Für Datenerfassungsgeräte war das ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis; es machte die NCAG zum Marktführer. In den frühen 1980er-Jahren wurde aus dem Modell 620 die Nixdorf 8850; die äußere Form glich sich den übrigen NCAG-Systemen an.

Der amerikanische Entrex-Experte A. J. Palmgren besuchte 2019 das HNF. Rechts steht die Nixdorf-620-Zentraleinheit.

Vor 43 Jahren konnte aber Heinz Nixdorf auf den Spuren der DV-Pioniere Herman Hollerith und James Powers wandeln, die gleichfalls Hardware für die amerikanische Volkszählung entwarfen. Weitere Informationen zur Firma Entrex liefern der Blog von A. J. Palmgren und natürlich die Biografie von Heinz Nixdorf, die HNF-Kurator Dr. Christian Berg verfasste. Zum Schluss wünschen wir unseren Lesern und Leserinnen alles Gute für die Ostertage und melden uns danach zurück.

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Ein Kommentar auf “Heinz Nixdorf und die amerikanische Volkszählung”

  1. Grant sagt:

    15 Nixdorf 8850 systems with approximately 350 terminals were used for the Australian 1987 population census.

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