Herr Leibniz und seine verlorenen Rechenmaschinen

Geschrieben am 02.07.2024 von

Der Erfinder, Mathematiker und Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz, der am 1. Juli 1646 zur Welt kam, schuf die Rechenmaschine für die vier Grundrechenarten. Eines seiner Geräte ist erhalten, ein Nachbau befindet sich im HNF. Zu Leibniz‘ Lebzeiten entstanden weitere Maschinen nach seinen Plänen, von denen jede Spur fehlt. Von zwei Modellen liegen aber Bilder vor.

Zu den schönsten Exponaten des HNF zählt der Nachbau der Rechenmaschine von Gottfried Wilhelm Leibniz. Er steht in seiner Abteilung der Galerie der Pioniere und basiert auf einer Rekonstruktion des Dresdner Computerpioniers Nikolaus Lehmann. Das zugehörige Original wurde zwischen 1690 und 1716 von Uhrmachern nach Vorgaben von Leibniz angefertigt; es befindet sich heute in der Ausstellung über den Gelehrten in der Universität Hannover. Die Fachwelt kennt es unter der Bezeichnung jüngere Maschine.

Leibniz erfand in den 1670er-Jahren in Paris die Rechenmaschine für die Grundrechenarten, wir schilderten es im Blog. Die jüngere Maschine ist die einzige seiner Konstruktionen, die noch existiert; alle anderen gingen im Lauf der Zeit verloren. Das gilt für seine allerersten Modelle aus Holz und Messing wie auch für die „ältere Maschine“. Diese entstand ab 1679 in Hannover; die Arbeiten führte vor allem der französische Uhrmacher Anthoine Ollivier aus. Ihn hatte Leibniz in seiner Pariser Zeit kennen und schätzen gelernt.

Die „jüngere Maschine“ von Leibniz besaß acht Eingabe- und sechzehn Ausgabestellen. Das Foto zeigt die Rekonstruktion des HNF. Bitte zum Vergrößern anklicken.

Die Rechenmaschine lag 1694 funktionsfähig vor; ein Jahr später wurde sie Kurfürst Ernst August vorgeführt. 1710 veröffentlichte Leibniz eine Beschreibung auf Latein, zu der eine Illustration gehörte; sie ist oben im Eingangsbild zu sehen. Der Grafiker hatte Probleme mit der Perspektive, klar wird aber, dass die Maschine achtstellige Dezimalzahlen als Eingaben akzeptierte. Das Ergebniswerk umfasste zwölf Stellen, vier weniger als die sechzehn Dezimalstellen, die die jüngere Maschine als Resultat anzeigte.

1727 erschien das „Theatrum Arithmetico-Geometricum“ des Technikautors Jacob Leupold. Das Buch beschrieb in deutscher Sprache damals bekannte Rechengeräte und -methoden und besaß einen Abschnitt zu der curieusen Rechen-Maschine des Herrn von Leibnitz. Leupold übersetzte seinen Artikel von 1710 und verwendete das Bild daraus, er korrigierte jedoch nicht die perspektivische Darstellung. Weder Leibniz noch Leupold enthüllten das Innenleben der Maschine mit den Staffelwalzen, die die Inputs speicherten.

Wir springen nun in der Chronologie zurück. 1701 vertraute Leibniz die jüngere und die ältere Maschine seinem Privatsekretär Rudolf Christian Wagner an. Wagner erhielt eine Professur für Mathematik in der Universität Helmstedt, wo er sich gut zehn Jahre zusammen mit einigen Uhrmachern bemühte, die Leibnizschen Rechenmaschinen zu verbessern. Dabei diente die ältere als Leitfaden. Und jetzt wird es spannend: Einer der Helmstedter Uhrmacher fertigte offenbar aus eigener Initiative ein weiteres Rechengerät an.

Ein Teil der Rechenmaschine von Johannes Volckmahr Blummenfeltz mit vier Eingabestellen (Foto Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, Niedersächsische Landesbibliothek)

Das geht aus einem Brief hervor, der im Leibniz-Nachlass in Hannover erhalten ist. Sein Autor hieß Johannes Volckmahr Blummenfeltz, vielleicht auch nur Blumenfeld; der erste Vorname wurde zu „Johan.“ abgekürzt. Blumenfeld konnte wahrscheinlich nicht schreiben und diktierte den Brief am 12. August 1712. Er umfasst zwei Seiten Text, dazu kommt ein Blatt mit Zeichnungen. Die schönste zeigt die Ecke einer Rechenmaschine. Diesmal stimmt die Perspektive; man erkennt vier Einstellräder und rechts von ihnen ein größeres Rad, das die Umdrehungen der Kurbel angibt.

Erfreulicherweise gibt es zum Brief eine Transkription, die online ist: Bitte zu PDF-Seite 63 gehen. Der Text ist etwas knifflig, doch ging Blumenfeld von der jüngeren Maschine aus. Er halbierte die Zahl der Eingabeziffern und ebenso die Ausgabe des Ergebniswerks. Mit den „Windeltrepen“ meinte er vermutlich die Staffelwalzen, die „zwey Hörn“ und „fünff Hörn“ sind die Zwei- und Fünfhörner genannten Räder, die Zehnerüberträge weiterleiteten. Das komplizierte Getriebe der Leibniz-Maschinen schildert dieser Artikel von 2006.

Am Ende des Briefs sprach Blumenfeld von der „nicht lang Zeit den icht zu leben habe“. Er könnte also krank gewesen und bald gestorben sein. Sein Rechengerät ist verschollen, das Gleiche gilt für die ältere Maschine. Sie gelangte in den 1710er-Jahren ins Schloss der Herzöge von Sachsen-Zeitz, wo sich der Hofprediger und Mathematiker Gottfried Teuber mit ihr befasste. Mehr wissen wir nicht zu ihr. Freuen wir uns aber über die jüngere Maschine von Leibniz, die man in Hannover und in Kopie auch in Paderborn besichtigen kann.

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