Klein aber Computer

Geschrieben am 26.03.2019 von

Am Samstag findet im HNF das Retro Computer Festival 2019 statt; der Partner ist das Dortmunder Retro Computer-Treffen DoReCo. Freunde alter Rechner zeigen beliebte wie vergessene Hard- und Software, aber auch neue Hardware-Lösungen und neue Software für alte Systeme. Zur Feier des Tages erinnern wir an ein Projekt, das 1984 die Nerds bewegte, den NDR-Klein-Computer.

Wir schilderten es im Blog: Vor fünfzig Jahren erfuhren Fernsehzuschauer in West- und Ostdeutschland, wie ein Elektronenhirn arbeitet und vertieften ihr Wissen in Fernkursen. Das war noch die Zeit der großen Mainframes. 1982 gab es kleine Computer für zuhause, und der zweite Kanal der BBC widmete ihnen The Computer Programme. Im Mittelpunkt der zehn Folgen stand ein neuer Acht-Bit-Rechner der Firma Acorn. Anfang 1984 startete bei uns eine ähnliche Serie, ebenfalls mit eigenem Computer.

Die „Einführung in die Mikroelektronik“ umfasste 26 Folgen zu fünfzehn Minuten; zu sehen war sie im dritten Programm des NDR, des Senders Freies Berlin und von Radio Bremen. Im Herbst schloss sich das Bayerische Fernsehen an. Moderiert wurde sie vom Hamburger Schauspieler Thomas Naumann und dem Münchner Ingenieur Rolf-Dieter Klein. Er stammte aus Tettnang, wo sein Vater eine Elektronikfirma besaß. Schon 1978 schrieb er ein Buch über Selbstbau, Programmierung und Anwendung  von Mikrocomputersystemen.

Weitere Titel folgten. Eines seiner Werke fand 1983 den Weg zum NDR, der einen Informatik-Lehrgang in Angriff nahm. Rolf-Dieter Klein und der NDR-Regisseur Martin Ulrich erstellten in drei Monaten ein Drehbuch. Am 9. Januar 1984 ging die erste von 26 Folgen über den Sender. Im Mittelpunkt stand der NDR-Klein-Computer oder NKC. Der Name zeigte an, dass es sich um einen Rechner mit Mikrochips handelte, verwies aber auch auf den Entwickler, eben Rolf-Dieter Klein.

Ein unverkleideter Klein-Computer mit Baugruppe SBC 2. Der Zilog-Prozessor ist am „Z“ erkennbar. Die fertig montierte Platine kostete 129 DM. (Foto Gabriele Sowada)

Der NKC war eigentlich eine Computerfamilie. Als Prozessoren dienten der Acht-Bit-Chip Z80 von Zilog und der 68008 von Motorola; er operierte mit 32 Bit, nutzte aber Datenleitungen für acht Bit. Später kam der Intel 8088 hinzu, der dem NKC die PC-Welt öffnete. Wem das Talent zum Löten fehlte, konnte bei der Graf Elektronik Systeme GmbH in Kempten und dem Elektronikladen Detmold Bausätze bestellen. Die Firma fischertechnik bot einen Roboterarm an. Beim Verkleiden der Geräte waren der Fantasie der Bastler keine Grenzen gesetzt.

Ab 1984 entstand zum Computer ein Medienverbund. Beteiligt waren das Magazin „mc“ und die für den Kurs gegründete Zeitschrift „LOOP“, dazu erschienen Bücher, Datenblätter und Bedienungsanleitungen. Der in München ansässige Franzis-Verlag gab die ganze Serie auf Videokassetten heraus; die 26 Folgen sind online. Bei den Inhalten treffen wir alte Freunde wie die Logo-Schildkröten von Seymour Papert oder die Sprache Pascal von Niklaus Wirth, aber auch vergessene Systeme wie den Experimentiercomputer ECB85 aus Ottobrunn.

Die Mikroelektronik-Einführung inspirierte die Bastler am Fernseher und Institute der Berufsbildung. So organisierte die Bremer Fachschule der Deutschen Postgewerkschaft einen entsprechenden Kurs. Die Industrie- und Handelskammer zu Kiel tat sich mit Siemens zusammen, worauf dreißig Interessierte in der Lehrwerkstatt die kleinen Rechner zusammenlöteten. Daraus entstand dann ein Selbstbau-Computer-Club. Der traditionsreiche Lehrmittelverlag Christiani nahm Schriften zum NKC in sein Programm auf.

Aus edlen Hölzern wurde diese Version des NKC gezimmert. Die Verkleidungen des NDR-Klein-Computers sind ein frühes Beispiel von „Case Modding“. (Foto Jost-Reimer Hoof)

35 Jahre nach dem Fernsehkurs gibt es NDR-Klein-Computer in Sammlungen und Museen. Das Dortmunder Binarium besitzt eine Baugruppe mit dem Z80-Chip, eine andere mit dem Prozessor Motorola 68008 überlebte in Mannheim. Eine ganze NKC-Parade zeigt, siehe Eingangsbild, das Computermuseum Kiel. Wer genau hinschaut, erkennt den fischertechnik-Roboter. Im Rahmen des Vintage Computing Festivals Berlin berichtete Rolf-Dieter Klein 2017 über die Entstehung des NKC und die dazu gehörigen didaktischen Konzepte.

Das Stichwort „Vintage“ bringt uns zum Retro Computer Festival, das am Samstag im HNF über die Bühne geht. Freunde von alten und älteren Computern sind herzlich eingeladen, im Zentrum stehen Systeme aus den 1980er- und 1990er-Jahren. Zum gesamten Museum ist der Eintritt frei. Wir danken schon jetzt den Mitgliedern des Dortmunder Retro Computer Treffens DoReCo, die sich zu ihrem 60. Event nach Ostwestfalen wagen. Ebenso bedanken wir uns bei Gabriele Sowada und Jost-Reimer Hoof für die Fotos zum NDR-Klein-Computer.

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Ein Kommentar auf “Klein aber Computer”

  1. Michael sagt:

    Schon sehr erstaunlich, was alles machbar ist

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