Konrad Zuse und der Quantencomputer

Geschrieben am 20.06.2025 von

Am Sonntag vor 115 Jahren, am 22. Juni 1910, kam in Wilmersdorf vor den Toren Berlins Konrad Zuse zur Welt. Vor 44 Jahren, vom 6. bis zum 8. Mai 1981, nahm er an einer Tagung des Massachusetts Institute of Technology teil. Sie behandelte die Physik des Berechnens und gilt heute als der Ursprung des Quantencomputers.

Wie die Leser und Leserinnen unseres Blogs wissen, eröffnete das HNF im Januar – siehe Eingangsbild – eine Abteilung zum Quantencomputer. Als Geburtsurkunde dieser Technik wird von vielen Experten ein Vortrag des amerikanische Physikers und Nobelpreisträgers Richard Feynman betrachtet. Er hielt ihn auf der Tagung Physics of Computation, die vom 6. bis 8. Mai 1981 in der Nähe von Boston stattfand. Das Wort „Computation“ lässt sich hier mit Berechnen oder etwas freier mit Rechentechnik übersetzen.

Der 1918 in New York geborene Feynman zählte damals zu den besten Physikern im Lande. In jungen Jahren wirkte er wie viele seiner Kollegen im Atombombenprogramm der USA mit. Den Nobelpreis erhielt er 1965 für seine Beiträge zur Quantenelektrodynamik, einem Zweig der Quantentheorie; er erfand unter anderem die Feynman-Diagramme. 1959 skizzierte er die Nanotechnologie, später fanden seine humorvollen autobiographischen Bücher viele Leser in aller Welt. Richard Feynman starb 1988 in Los Angeles.

Die Konferenz am MIT vereinte Informatiker und Physiker; organisiert wurde sie von Edward Fredkin, Informatik-Professor am Massachusetts Institute of Technology, und Rolf Landauer, einem deutschstämmigen Forscher von IBM. Das Foto der Konferenz zeigt 44 Teilnehmer und zwei Teilnehmerinnen, der Herr mit dem Fragezeichen in der Liste hieß Martin Hassner. Nicht sichtbar ist der Fotograf Charles Bennett. Das Bild entstand neben dem Tagungsgebäude; das Endicott-Haus gehört dem MIT und steht im Städtchen Dedham südwestlich von Boston.

Richard Feynman 1984 (Foto Tamiko Thiel CC BY-SA 3.0)

Unter den Versammelten entdecken wir neben Feynman, Fredkin und Landauer weitere bekannte Forscher wie Freeman Dyson, John Archibald Wheeler, Hans Moravec, Danny Hillis, Arthur Burks und John Cocke. Vorn im Gras und etwas rechts von der Mitte sitzen Carl Adam Petri, Schöpfer der nach ihm benannten Netze, und Konrad Zuse. Er verdankte die Teilnahme an der Tagung wahrscheinlich seiner Idee vom Rechnenden Raum, den er 1967 zum ersten Mal beschrieb. Edward Fredkin entwickelte in den 1970er-Jahren ein verwandtes Konzept, die Digitale Physik.

Im Endicott-Haus erläuterte Zuse sein „Computing Universe“, er verfolgte aber ebenso die übrigen Referenten. So hörte er Richard Feynman, der über die Simulierung der Physik durch Computer sprach. Ein Kapitel seines Vortrags trug im Original die Überschrift „Quantum Computers – Universal Quantum Simulators“. Darin hieß es: „Man weiß, dass es eine Art Universalcomputer gibt, der alles kann, egal wie er konstruiert ist. In gleicher Weise sollten wir ermitteln, welche quantenmechanischen Systeme gegenseitig simulierbar sind, und eine Klasse oder die Merkmale einer Klasse finden, die alles simuliert.“

Mit dem Universalcomputer meinte Feynman wohl die Universelle Turing-Maschine. Viel mehr als die zitierten Sätze sagte er nicht zum Bau eines Quantencomputers, sein Referat läutete aber die Forschungen zu jener Rechnerkategorie ein. Zuse machte sicher vor Ort Notizen und wartete dann auf das Erscheinen der gedruckten Vortragstexte. Danach brachte er auf fünfzehn A4-Seiten seine „Bemerkungen“ zur Tagung zu Papier. Sie tragen das Datum vom 10. Januar 1983 und liegen heute in seinem Nachlass im Deutschen Museum. Man kann sie online lesen.

Konrad Zuse und Heinz Nixdorf in den frühen 1980er-Jahren

Auf Seite 7 beginnt der Abschnitt zum Referat von Richard Feynman: „Der Vortrag von Feynman (Nobelpreisträger für Physik) ist einer der wichtigsten der Konferenz.“ Zuse gibt in groben Zügen den Inhalt wieder; auf Seite 10 heißt es: „Ferner spricht er von der Möglichkeit eines Quantum Computers. Diese Ausführungen sind verhältnismäßig schwierig und erscheinen auch nicht befriedigend.“ Der Abschnitt endet auf Seite 11: „Die Ausführungen Feynmans weisen in Richtung der Idee des Rechnenden Raums. Feynman zeigte einige wichtige Punkte auf, die einer konsequenten Verfolgung dieser Idee noch im Wege stehen.“

Es ist klar, dass Konrad Zuse die Ohren spitzte, wenn er Anklänge an seine eigene Theorie vernahm. Am Schluss der „Bemerkungen“ schrieb er: „Die Konferenz hat im ganzen gesehen außerordentliche Anregungen gegeben und beweist, daß man sich in den USA bereits sehr frühzeitig mit Zukunftsfragen befaßt… Insbesondere zeichnen sich hierbei neue Wege ab, die zu einer grundsätzlich neuen Auffassung einer digitalisierten Physik führen können. Nach mehreren Jahrzehnten großartiger Erfolge der Relativitäts- und Quantentheorie brauchen wir neue Denkweisen, um heute noch offene Fragen lösen zu können.“

Am Ende kam der Rechnende Raum nicht gegen die herkömmliche Physik an, er kehrt aber gelegentlich in die Wissenschaft zurück. Den Aufschwung der Quantencomputer-Forschung im 21. Jahrhundert hat Konrad Zuse nicht mehr erlebt. Hier geht es zu vier Videos von Richard Feynman von 1979; unser Blogbeitrag von 2016 zeigt eine erstaunliche Parallele von seinem Denken und dem von Zuse. Er behandelt die fast gleichzeitige Formulierung der Mikro- und Nanotechnik in den späten 1950er-Jahren. Zwei Seelen, ein Gedanke, oder wie die Amerikaner sagen: Great minds think alike.

Hier lässt sich gut denken: das Endicott-Haus bei Boston (Foto John Phelan CC BY-SA 3.0)

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