KrantzComputer-A

Krantz: Minicomputer aus Aachen

Geschrieben am 15.08.2025 von

In den 1970er-Jahren war Nixdorf nicht der einzige westdeutsche Anbieter von mittelgroßen Rechnern. Es gab Konkurrenten wie Kienzle, Dietz oder CTM; in Aachen fertigte die Firma Krantz Minicomputer für technische Anwendungen. 1976 setzte sie mehr als zehn Millionen DM um, wurde aber vom US-Hersteller Varian geschluckt. Zwei Krantz-Systeme überlebten im Computer History Museum in Kalifornien.

Die Firma H. Krantz begann ihre Existenz in Aachen, in der Jesuitenstraße südlich der Altstadt. Dort gründete der Ingenieur Hermann Kranz 1882 eine Fabrik, die Maschinen und Maschinenteile für die Textilbranche herstellte. Die Söhne Wilhelm und Hubert übernahmen 1926 die Leitung; sie produzierten auch Heizungs- und Klimatechnik. Die Firma gibt es noch immer, sie gehört allerdings einem anderen Unternehmen.

1968 entstand die Tochterfirma Krantz Elektronik; ab 1970 hieß sie Krantz Computer, voll ausgeschrieben Krantz Computer GmbH & Co. KG. Treibende Kraft hinter der Gründung war der an der RWTH Aachen lehrende Elektrotechnik-Professor Walter Ameling. Im Frühjahr 1970 kam das erste Produkt: ein Minicomputer Mulby alias Multiple Byte Processor. Die Wortlänge betrug acht Bit, der Arbeitsspeicher fasste sechzig Kilobyte. Der Mulby wurde als 19-Zoll-Kasten geliefert; dazu gab es eine Menge Peripheriegeräte. Die Programmierung erfolgte direkt oder mit einer Assemblersprache.

Am Jahresende lag der kleinere Mulby C vor, 1971 folgte der Mulby M. Hauptbestandteil war ein turmförmiger 1,25 Meter hoher Schrank mit integriertem Kassettenrekorder. Es ließen sich Module hinzufügen, etwa ein Tisch mit Schreibmaschine und Monitor. Der Hersteller bot außerdem Software an und warb mit technisch-wissenschaftlichen und kommerziellen Anwendungen. 1972 entstand für die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, im Ruhrgebiet als WAZ bekannt, das System Redakta mit einem Rechner und fünf Bildschirmarbeitsplätzen.

Zwei Mulby-3-Zentraleinheiten mit Peripheriegeräten – bitte auf das Bild klicken! Links steht ein INTEXTA-System.  (Foto Karl Heinz Deutsch CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)

1973 kündigte Krantz als “deutsche Antwort auf die technologische Herausforderung der amerikanischen Minicomputer-Industrie” die Rechnerfamilie Mulby 3 an. Das kleinste Mitglied Mulby 3/20 besaß einen Kernspeicher mit 32 Kilobyte, das Modell Mulby 3/30 brachte 64 Kilobyte mit. Das galt ebenso für den Mulby 3/35, der mit Fließkommazahlen operierte. Wem der Speicherplatz nicht reichte, der konnte Laufwerke für Magnetplatten anschließen; dabei half ein Betriebssystem. Das vierte Mitglied der Mulby-3-Familie bildete der Rechner INTEXTA für Redaktionen, Verlage und Druckereien.

1976 machte die Krantz Computer GmbH & Co. KG einen Umsatz von gut zehn Millionen DM. Sie beschäftigte 120 Menschen, insgesamt liefen 330 Krantz-Systeme. Fünfzehn Prozent der Einkünfte, in manchen Jahren mehr, steckte die Firma in die Entwicklung, daran änderte auch die Förderung durch das Bundesforschungsministerium nichts. Richtig Gewinn machte Krantz vermutlich nie. Schließlich sah die Mutterfirma, der Maschinenbauer H. Krantz, nur noch eine Möglichkeit, nämlich den Verkauf.

Käufer war die Varian Associates Inc.; der 1948 gegründete Hersteller zählte zum Urgestein des Silicon Valley. Am 1. Oktober 1976 fusionierte Varian die deutsche Firma mit der eigenen Minicomputer-Tochter Varian Data Machines. Im Juni 1977 wurde diese vom Sperry-Konzern erworben. Im gleichen Jahr schloss in Aachen die Hardware-Produktion, die verbliebenen Krantz-Veteranen konzentrierten sich auf das Erstellen von Software. 1981 landeten sie beim Stuttgarter Softwarehaus IKOSS und 1998 schließlich beim französischen Atos-Konzern.

So endete eine westdeutsche Computer-Geschichte. Auf verschlungenen Wegen gelangten Geräte und Papiere von Krantz nach Kalifornien und ins Computer History Museum. Im Depot ruhen ein Mulby M und ein Mulby 3, eine Broschüre kann man herunterladen (der kleine Pfeil rechts unten) und studieren. Die aktuelle Krantz-Homepage blendet den Ausflug in die Computerwelt komplett aus, ein Mitarbeiter der alten Firma outete sich aber als Leser unseres Blogs – hallo Herr Jaeger !

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