Mit der Volkszählung fing es an
Geschrieben am 02.06.2015 von HNF
Vor 125 Jahren, am 2. Juni 1890, schwärmten in den USA die Volkszähler aus und erfassten die Einwohner des Landes. Die gesammelten Daten wurden dann mit Geräten des Ingenieurs Herman Hollerith ausgewertet. Das war der weltweit erste Einsatz einer maschinellen Datenverarbeitung; aus der Firma, die Hollerith später gründete, ging die IBM hervor.
Zu den schönsten Exponaten des Heinz Nixdorf MuseumsForums zählt der Nachbau der Gerätegruppe, die der 1860 im amerikanischen Buffalo geborene Ingenieur Herman Hollerith in den 1880er Jahren entwickelte. Ihr Zweck war die Auswertung von gelochten Pappkarten, mit denen die Ergebnisse der Volkszählung codiert wurden, die am 2. Juni 1890 und den folgenden Tagen in den USA stattfand. Mit jener Auswertung – für die natürlich mehr als ein Hollerith-Ensemble zur Verfügung stand – begann die moderne technikbasierte Datenverarbeitung.
Auf dem Eingangsfoto erkennt man einen Schreibtisch und darüber 40 Zähluhren (Foto: Jan Braun, HNF). Rechts auf dem Tisch ruht die Kontaktpresse, in die der Bediener – oder die Bedienerin – eine Lochkarte legt. Danach senkt er den oberen Teil der Presse ab, in dem bewegliche Stifte hängen. Wenn eine Karte an einer Position eine Lochung aufweist, stößt der korrespondierende Stift hindurch und schließt einen Stromkreis. Alle Zähluhren, die einer „gelochten“ Position zugeordnet sind, laufen einen Strich weiter, für die anderen Positionen ändert sich nichts.
Bei jeder Auswertung öffnet sich ein Fach in dem Sortierkasten rechts neben dem Tisch, in das der Bediener die gelesene Karte einwirft. Anschließend legt er die nächste Lochkarte in die Presse. Im Foto fehlt noch der Stanzer, der zu jeder Maschinengruppe gehörte und mit dem die Notizen auf den Volkszählungsbögen in die Karten übertragen wurden. Man sieht ihn rechts oben auf dem Bild, das der „Scientific American“ brachte. Die Tabelliermaschine wie im HNF ausgestellt ist links oben erkennbar und in der Mitte eine Zählmaschine, an der die Inhalte der Bögen direkt eingegeben wurden.
Die revolutionäre Technik von Herman Hollerith bewirkte, dass schon nach sechs Wochen Auswertung die Einwohnerzahl der Vereinigten Staaten vorlag: genau 62.947.714 Menschen. Die übrigen Angaben folgten binnen eines Jahres – die Analyse des US-Census von 1880 hatte noch acht Jahre gedauert. Die Daten von 1890 sind alle im Internet nachlesbar, die Unterlagen und Lochkarten wurden durch zwei Brände und aufgrund amtlicher Anweisungen weitgehend vernichtet. Zum Vergleich: Deutschland hatte 1890 eine offizielle Bevölkerungszahl von 49.428.470.
Schon im Dezember 1890 halfen Holleriths Maschinen bei der Volkszählung in Österreich-Ungarn und in den nächsten Jahren in Kanada, Italien und Russland. Parallel dazu entwickelte er seine Maschinen weiter und schuf nahezu im Alleingang eine neue Art der Datenverarbeitung, die sich auch in der Industrie verbreitete. 1896 gründete er in Washington die Tabulating Machine Company, die seine Maschinen baute und vermietete; 1902 startete eine englische und 1910 eine deutsche Zweigfirma, die DEHOMAG. Hardware dieser Firma – die seit 1949 IBM Deutschland heißt – steht auch im HNF.
1911 entstand mit der Powers Accounting Machine Company ein ernstzunehmender Konkurrent, zugleich endete die leitende Rolle von Herman Hollerith. Der Finanzmann Charles Flint fusionierte seine Firma mit drei anderen zur Computing Tabulating Recording Corporation, kurz CTR, die 1924 in IBM umgetauft wurde. Herman Hollerith blieb Aktionär und technischer Berater, zog sich aber mehr und mehr ins Privatleben zurück und widmete sich der Rinderzucht. Er starb 1929, sein Nachlass liegt in der Kongressbibliothek in Washington, D.C.
Die bekannteste Hinterlassenschaft von Herman Hollerith war die Lochkarte, die mit dem Aufkommen des Computers nicht nur simple Daten, sondern auch Befehle der Rechenprogramms speicherte. Bis in die 1980er Jahre hinein pflegten Rechenzentren die Stapelverarbeitung, bei der nacheinander dicke Lochkartenpakete eingelesen wurden. Daneben war die biegsame Pappe ein verbreitetes und nicht immer positives Symbol der Computertechnik allgemein.