Mit Elite zu den Sternen
Geschrieben am 20.09.2024 von HNF
Im Juli 1969 landeten Neil Armstrong und Edwin Aldrin auf dem Mond, vier Monate später gab es ein Computerspiel dazu. Seitdem sind Raumfahrt-Games unverzichtbar für die Branche. Zu den Meilensteinen zählte das Spiel „Elite“, das am 20. September 1984 in England erschien. Der Teilnehmer agierte als ein interstellarer Händler, der auch gegen Weltraumpiraten kämpfen muss.
In den Computergeschichte wirkten nicht nur große Einzelerfinder, sondern auch berühmte Entwicklerpaare. Man denke an Bill Hewlett und David Packard, an Presper Eckert und John Mauchly, an Stephen Wozniak und Steven Jobs oder an die BASIC-Schöpfer John Kemeny und Thomas Kurtz. Ein deutsches Duo waren Otto und Ilse Müller von der gleichnamigen Firma für Computertechnik.
Das englische Traumpaar der Informatik – Charles Babbage und Ada Lovelace lassen wir draußen vor – bestand aus Ian Bell und David Braben. Sie gaben der Welt eine Software, zu der wir noch kommen. Ian Bell wurde am 31. Oktober 1962 in Hatfield nördlich von London geboren. Sein Vater arbeitete am Forschungsinstitut der Kautschuk-Industrie, das über Mikrocomputer verfügte. An ihnen erlernte Ian das Programmmieren und schrieb zwei einfache Computerspiele. Reversi basierte auf dem bekannten Brettspiel, in Free Fall kämpften Astronauten gegen Außerirdische.
David Braben kam am 2. Januar 1964 in West Bridgford zur Welt, einem Vorort von Nottingham; später zog die Familie nach Epping bei London. Der Vater war für die Regierung tätig und befasste sich mit Atomphysik. Den ersten Computer, einen Acorn Atom mit acht Bit, erhielt David 1981 zu Weihnachten. Er entdeckte die Freuden des Gaming und etwas, was den Spielen fehlte: echte dreidimensionale Darstellungen. Das führte ihn zu einem Grafikprogramm, das Raumschiffe aus Linien zeichnete und aus jedem Winkel zeigte. Er bot es einer Spielefirma an, die es aber nicht haben wollte.
Im Oktober 1982 begannen Ian Bell und David Braben das Studium in Cambridge. Bell widmete sich der Mathematik, Braben den Naturwissenschaften; beide wohnten im Jesus College. Sie trafen sich und entdeckten das gemeinsame Hobby Gaming. Ian gelang es, durch ein neues Programm Davids Raumschiffe in Bewegung zu versetzen. Die zwei gingen nun ein Spiel an, das dieses Prinzip nutzen sollte. Zunächst war es simpel gestrickt. Der Spieler schoss Schiffe von Weltraumpiraten ab und dockte – das Manöver stammte aus dem Film 2001 – an einer Raumstation an.
Es folgte die Idee, die Ausrüstung des eigenen Raumschiffs zu verbessern. Das Geld dafür erbrachten Handelsgeschäfte in fernen Sonnensysteme. Hierzu benötigte man Sterne und Galaxien und Informationen zu den jeweiligen Bewohnern. Der interstellare Händler ersparte sich die Landung auf ihrem Planeten, das Geben und Nehmen fand – man ahnt es – in einer Raumstation statt, die den Planeten umkreiste. Daneben tauchten stets die kosmischen Gegner auf, die der Händler mit seinen Laserkanonen eliminieren musste.
Ihr Konzept stellten Ian Bell und David Braben der Cambridger Firma Acornsoft vor; für sie verfasste Bell bereits das Spiel Free Fall. Ihre vier Mitarbeiter waren kaum älter als die beiden Spieleerfinder. Die Firma lieferte Programme für Computer des Herstellers Acorn; dazu gehörte der BBC Micro, den Acorn für eine 1982 gestartete Fernsehserie schuf. Der BBC-Rechner ließ die Kassen klingeln, 1983 machte Acorn 8,6 Millionen Pfund Gewinn. Die Geschäftslage der Mutter erleichterte die Verhandlungen der Tochter, und im Frühjahr 1983 unterzeichneten Bell und Braben den Vertrag mit Acornsoft.
Am 20. September 1984 wurde das fertige Spiel vorgestellt. Der Name Elite, gesprochen „Elieht“, deutete das Endziel an: Wer 6.400 Feinde erlegte, erreichte die Top-Kategorie. Mit Mehrwertsteuer kostete das Spiel 14,45 Pfund für die Kassettenversion und 17,65 Pfund für die auf Diskette. Das war damals eine Menge Geld, doch bis Ende 1984 setzte Acornsoft 150.000 Kopien ab. Der Käufer erhielt neben der Kassette oder Diskette Spielanleitungen, ein Mini-Poster und einen Zukunftsroman, der das Elite-Universum mit seinen acht Galaxien und 2.048 Sternsystemen beschrieb.
Die Software belegte im Computer nur 22 Kilobyte. Ian Bell und David Braben griffen tief in die Trickkiste des Programmierens, um Daten zu reduzieren. Der wichtigste Einfall war ein Algorithmus, der die Planeten und ihre Eigenschaften immer wieder neu berechnete; vorab geschriebene Texte hätten den Speicher gesprengt. Das ist ein Trailer, das ein kurzer und das ein längerer Durchlauf. Dieses Video enthält eine Einführung auf Deutsch und diese Seite erzählt die Geschichte des Spiels. Die englische Elite-Story steht hier.
Ab 1985 lief Elite nicht nur auf Acorn-Computern, sondern auf allen möglichen Systemen. Im gleichen Jahr kam es bei uns heraus, der Test vom Oktober 1985 bezog sich aber noch auf die englische Fassung. Bell und Braben hatten beim Vertragsabschluss aufgepasst und sich Prozente für die Zweitversionen gesichert. Von ihrer Schöpfung wurden zwischen 600.000 und eine Millionen Kopien verkauft. Elite zog zwei Fortsetzungen nach sich, 2014 erschien die Online-Ausgabe Elite Dangerous.
Elite zählt zu den einflussreichsten Programmen der Games-Geschichte und setzte Maßstäbe bei 3D-Darstellungen, Weltraum-Spielen und solchen mit offenem Ende. Im Vereinigten Königreich elektrisierte es die Branche und bereitete Erfolge wie „Tomb Raider“ oder „Grand Theft Auto“ vor. Ian Bell arbeitet heute im Feld des CAD, wir verdanken ihm außerdem das umfangreiche Elite-Archiv. David Braben entwickelt noch immer Spiele und gehörte zu den Vätern des Kleinstcomputers Raspberry Pi. YouTube liefert seinen Auftritt im deutschen Fernsehen im Jahr 1988.
Aus rechtlichen Gründen können wir in unserem Blog nur ein Foto von David Braben bringen, doch so sahen die Elite-Erfinder 1984 aus. Unser Eingangsbild zeigt die Sondermarke der königlichen Post (Copyright Stamp Design Royal Mail Group Ltd 2020). Unten erkennt man den Schirm des Scanners, der einst die Fans verzückte, und links das keilförmige Raumschiff Cobra, das den Helden zu den 2.048 Sternen trägt.