Mit WAP ins Web
Geschrieben am 27.08.2024 von HNF
Die 1990er-Jahre waren die Pionierzeit des Smartphones. 1994 brachte IBM den „personal communicator“ Simon heraus, 1996 erschien das Nokia 9000 des finnischen Herstellers. Auf der Funkausstellung 1999 stellte die DeTeMobil den Funkstandard WAP vor, mit dem man im Prinzip durchs World Wide Web surfen konnte. Das passende Handy gab es in Form des Nokia 7110.
„Alle Mobilfunkanbieter sprechen davon: WAP. Mit WAP soll das Internet mobil werden. Unterschiedlichste Dienste wie News, Sportnachrichten, Börse usw. sollen dann, sobald es die geeigneten Mobiltelefone dazu gibt, zur Verfügung stehen. Die ersten kommen noch im September auf den Markt. Dann werden wir sehen, wie es sich so wapt.“
Das berichtete ab Minute 20:05 die 3sat-Sendung NEUES spezial, die zur Funkausstellung 1999 ausgestrahlt wurde. Sie startete am 28. August in Berlin und endete am 5. September. Die Telekom-Tochter DeTeMobil, auch bekannt als T-Mobile, und andere Anbieter zeigten dort das Kommunikationssystem WAP. Die Buchstaben standen für „Wireless Application Protocol“; sie bezeichneten eine Technik, mit der man im D1-Netz der Telekom mit einem WAP-fähigen Handy ins Internet gehen konnte. Das versprach jedenfalls die Werbung.
Das drahtlose Anwendungsprotokoll – das wäre die wörtliche Übersetzung – entsprang einem europäisch-amerikanischen Verbund, dem WAP-Forum. Gegründet wurde es im Juni 1997 vom schwedischen Hersteller Ericsson, dem US-Unternehmen Motorola, Nokia aus Finnland und der im Silicon Valley ansässigen Firma Unwired Planet. Anfang 1998 kam diese Pressemitteilung, in der Folgezeit schlossen sich weitere Interessenten an, darunter die Deutsche Telekom. Das Internet Archive dokumentiert penibel die Fortschritte; am Ende umfasste das Forum mehrere hundert Mitglieder.
Den Kern der Aktivitäten bildete das erwähnte Protokoll. Die WAP-App verlieh einem Handy die Fähigkeit, Adressen im World Wide Web anzusteuern und WWW-Seiten anzuzeigen. Das geschah nicht wie am Computer, bei dem man mit einem Web-Server Verbindung aufnimmt. Beim WAP-Surfen sah man abgespeckte Webseiten, die mit der Wireless Markup Language WML erstellt wurden. Der Kontakt zum Server lief über eine Zwischenstation, den Gateway. Die Verbindung war aber langsam – sie übertrug höchstens 9,6 Kilobit pro Sekunde – und teuer, denn es gab noch keine Flatrate. Böse Zungen sprachen von „Wait And Pay“.
Die Technik des WAP reduzierte die übertragenen Daten; sie war nicht geheim, doch wurde sie nicht groß publik gemacht. Der Geschäftsbericht 1999 der Telekom schrieb: „Dank dem so genannten ‚Wireless Application Protocol‘ ist es erstmals möglich, Inhalte aus dem Internet auch auf das Handy-Display zu bringen… Ob Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Sport oder Unterhaltung, mit WAP ist man auch unterwegs immer auf dem Laufenden und kann z.B. das aktuelle Kinoprogramm erfahren und den Flugplan lesen.“ (PDF-Seite 57) Einen lobenden Artikel brachte im September 1999 das manager magazin.
Auf der Berliner Funkausstellung jenes Jahres konnten die Besucher schon WAP-Telefone in die Hand nehmen; im 3sat-Film erkennen wir eines von Motorola und das Nokia 7110. Das „einundsiebzig-zehn“ war dann das erste Internet-Handy im deutschen Markt, wir sehen es oben im Eingangsbild. Die Auslieferung verschob sich aber in den Herbst 1999, was Spötter zu der Lesart „Where Are the Phones?“ des Kürzels WAP führte. Das YouTube-Video zeigt die gleitende Tastatur-Abdeckung und das Rädchen unter dem Display, das ein Scrollen durch das Bild ermöglichte.
Der Mobilfunk-Protokoll der IFA 1999 war die Version WAP 1.1. Im Sommer 2002 trat an ihre Stelle das WAP 2.0; es verzichtete auf das Gateway und näherte sich dem normalen HTML-basierten Internet an. Einen großen Sprung nach vorn machte 2004 der UMTS-Standard; nun konnten Megabits in der Sekunde verschickt werden. Wer heute unterwegs ins Internet geht, greift aber nicht mehr zum Handy, sondern entweder zum iPhone oder zum Android-Smartphone. Der WAP-Standard ruht im Museum der toten Technologien.
Das bringt uns zur Paderborner Museumsnacht, die am kommenden Samstag stattfindet und an der sich auch das HNF beteiligt. Der Eintritt ins gesamte Haus ist an diesem Abend frei. Zu den Attraktionen zählt der SPACEBUZZ ONE, in dem man mit der Virtual-Reality-Brille ins Weltall fliegen kann; außerdem gibt es ein Wiedersehen mit dem Gehirnspiel Mindball.
WAP ist zu Recht im Technischen Abstellraum gelandet. Nach der Firmengründung 1995 haben wir uns Siemens S4 (Sony OEM) besorgt und ab 1996 unsere Laptops per Kabel angeschlossen. Damit war man nicht nur im Internet sondern wir konnten per VPN unsere Bankkunden erreichen.
Eine wesentliche Schwachstelle von WAP war das Gateway, das auch bei verschlüsselten Verbindungen den Klartext verarbeitete. Damit war jede Art von Finanztransaktion de-facto auf den Gateway-Betreiber (Netzbetreiber) beschränkt. Letzteren fehlte aber für eine generelle Bezahlfunktion die Banklizenz, weshalb dann nur eigene digitale Inhalte verkauft werden durften. Darüberhinaus hat man (wie so oft) die rasante Entwicklung der Endgeräte und der Übertragungstechnik unterschätzt.