Robert Fano – der Pate des Time-Sharing

Geschrieben am 10.11.2017 von

In den 1960er- und 1970er-Jahren waren Computer meist groß und teuer, und sie liefen mit Time-Sharing. In Deutschland sagte man auch Teilnehmer- oder Mehrbenutzersystem. Dabei versorgte ein zentraler Rechner mehrere voneinander unabhängige Terminals. Ein Pionier der Technik war der italo-amerikanische Informatiker Robert Fano. Vor 100 Jahren, am 11. November 1917, wurde er in Turin geboren.

Computerpioniere gab und gibt es nicht nur in Amerika. Eine ganze Anzahl kam aus England, man denke an Charles Babbage, Alan Turing oder Tim Berners-Lee. Wir Deutsche schätzen Konrad Zuse, Heinz Nixdorf, Joseph Weizenbaum und Andreas von Bechtolsheim. Aus Ungarn stammten John von Neumann, John Kemeny und Andrew Grove; auch Charles Simonyi ist Magyare. Unter den Wegbereitern der Informatik finden wir außerdem Finnen, Franzosen, Holländer, Polen, Russen, Schweizer und einige andere.

Darunter auch Italiener. Federico Faggin schenkte uns die bekannten Mikroprozessoren Intel 4004 und Zilog Z80. Andrea – heute Andrew – Viterbi schuf den gleichnamigen Algorithmus, ohne den kein Mobilfunknetz funktionieren würde. Faggin und Viterbi sind noch aktiv; unser dritter Pionier ist leider 2016 in Florida verstorben. Geboren wurde Roberto Fano am 11. November 1917, also vor genau 100 Jahren, in Turin. Sein Vater Gino war Mathematiker, sein Bruder Ugo machte sich später einen Namen als Physiker.

Roberto begann ein Studium an der Technischen Hochschule von Turin. 1939 emigrierte er mit seinem Bruder in die USA; die Familie war jüdischen Glaubens, und der 2. Weltkrieg stand vor der Tür. Roberto wurde zu Robert Fano und studierte am Massachusetts Institute of Technology in Boston. 1941 erwarb er den Bachelor in Elektrotechnik. Einige Zeit arbeitete er in einem Autowerk, dann aber im Radar-Labor des MIT. Nach der Promotion im Jahr 1947 wurde er Dozent der Hochschule; von 1950 bis 1953 leitete er die Radarforschung des militärisch ausgerichteten Lincoln-Labors.

Früh übt sich: Teletype-Fernschreiber für Time-Sharing (Foto Computer History Museum)

Zu jener Zeit befasste sich Fano auch mit Informationstheorie, der mathematischen Basis der Nachrichtentechnik. Den Anstoß gab der Kontakt mit Claude Shannon, dem Erfinder jener Theorie. Shannon arbeitete bei den berühmten Bell-Laboratorien, 1956 wechselte er aber zum MIT. In den späten 1940er-Jahren entwickelten die beiden Forscher das Konzept der Shannon-Fano-Kodierung. Sie ersetzt in Texten ein Zeichen durch eine Folge von Nullen und Einsen, die sich aus der Häufigkeit ergibt. Daneben verfasste Fano dicke Lehrbücher.

In den Sechzigern war Robert Fano ein angesehener und gut vernetzter Professor im Elektronik-Institut des MIT. Am 1. Juli 1963 startete er dort das Projekt MAC; die Abkürzung stand für „Multiple Access Computing“ und „Machine Aided Cognition“. Das Geld kam von der Forschungsabteilung ARPA des US-Verteidigungsministeriums. Zu den Arbeitsgebieten zählten Künstliche Intelligenz und Betriebssysteme; in diesem Feld zeichnete sich der Informatiker Fernando Corbató aus, der einige Jahre zuvor das Time-Sharing-System CTSS entwickelt hatte.

Und damit wären wir beim Thema. Mitte der 1960er-Jahre galt Time-Sharing als die Zukunft des Computereinsatzes. Das Prinzip ist einfach: An einen großen Rechner werden über ein sternförmiges Netzwerk eine Anzahl Terminals angeschlossen. Zu Beginn handelte es sich meist um Fernschreiber – hier sieht man Robert Fano an einem solchen. Später erschienen Monitore mit Tastasturen. An jedem Terminal sitzt ein Benutzer und arbeitet am Rechner, tippt Befehle ein oder lässt ein bereits eingegebenes Programm ausführen.

Joseph Weizenbaum zeigt Time-Sharing über den Ozean anno 1965 in der Redaktion der ZEIT   (Foto Il Mare Film)

Der Zentralcomputer springt von Benutzer zu Benutzer und widmet jedem einen Teil seiner Rechenzeit. Ist der zugeteilte Zeitabschnitt abgelaufen, kommt der nächste Benutzer dran. Die Programme und Daten des Vorgängers gehen natürlich nicht verloren; wenn er wieder an die Reihe kommt, setzt der Rechner dort an, wo er zuvor gestoppt hatte. Auf diese Weise widmet er sich reihum und rund um die Uhr den gerade aktiven Kunden seines Netzwerks. Jeder hat dabei das Gefühl, dass der Computer nur für ihn da sei.

Manchmal kam es beim Time-Sharing auch zu Wartezeiten. Das Verfahren war aber viel besser als der Vorläufer, das Batch Processing, bei uns Stapelverarbeitung genannt. Dort gelangten Daten und Programme auf Lochkarten oder Magnetbändern ins Rechenzentrum und wurden paketweise abgearbeitet. Vor der Ära des Batch Processing war jeder Rechner ein „persönlicher“ Computer: Er stand genau einem Benutzer zur Verfügung, der mit ihm klarkommen musste. Diese Technik kehrte mit den Mikrocomputern wieder zurück.

Robert Fano verwendete in den 1960er-Jahre einen IBM-Rechner des Typs 7094. Mit der Zeit wurden die Computer natürlich mehr. Ein wichtiges Resultat der MAC-Aktivitäten war das Time-Sharing-System Multics. Ein anderes war der Chatbot ELIZA, den Joseph Weizenbaum in der KI-Abteilung schrieb. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich aus Fanos Projekt das Computer Science and Artificial Intelligence Laboratory CSAIL, eine der bedeutendsten Informatik-Forschungsstätten der Welt. Sie beherbergt auch eine Zentrale des Internets, das World Wide Web Consortium W3C.

Robert Fano leitete Projekt MAC bis 1968, sein Nachfolger wurde Joseph Licklider. 1984 trat er in den Ruhestand. Im Eingangsfoto oben (vom MIT und wohl aus den Siebzigern) ist Fano der zweite von rechts. Neben ihm sind seine Kollegen James Bruce, Louis Smullin und William Siebert zu sehen. Hier spricht er in einem Film von 1964. Das Bild unten zeigt Robert Fano 2012 – im Alter von 94 Jahren – noch höchst aktiv im Büro.

Foto von  121a0012                CC BY SA 3.0

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