Robert Metcalfe und das Ethernet
Geschrieben am 23.05.2023 von HNF
Am 22. Mai 1973 verteilte der junge Informatiker Robert Metcalfe ein Memorandum im PARC, dem Forschungszentrum der Firma Xerox in Kalifornien. Darin beschrieb er ein „Äthernetz“ für die Computer des PARC. Es war inspiriert durch ein funkbasiertes Netzwerk auf Hawaii und das erste LAN. Für das Konzept erhielt Robert Metcalfe den Turing-Preis des Jahres 2022.
„Wir planen ein sogenanntes Rundfunk-Datennetz einzurichten, ganz ähnlich dem Radionetzwerk des Aloha-Systems, aber für die Minicomputer-Kommunikation in einem Gebäude. Wir denken dabei an Novas und Altos, die mit Koaxialkabeln verbunden sind.“
So begann nach dem Anschreiben ein zwölf Seiten umfassendes Memorandum, das Robert Metcalfe am 22. Mai 1973 im PARC verteilte; das Forschungszentrum der Firma Xerox in Kalifornien stellten wir im Blog vor. Es richtete sich an die Arbeitsgruppe für die „Alto Aloha Distribution“. Hiermit war ein noch unfertiges Datennetz für die neuen Alto-Computer des PARC gemeint. Es eignete sich auch für andere Rechner wie die Nova des Herstellers Data General. Das Netz übernahm Prinzipien des ALOHAnet, das der Ingenieurprofessor Norman Abramson 1971 in der Universität von Hawaii startete.
Das ALOHAnet verband über Funk einen Computer mit entfernten Terminals. Robert Metcalfe versetzte den Datenfluss vom himmlischen Äther in ein irdisches Koaxialkabel. Er benutzte aber den Namen „Ether“ und den Ausdruck „acquired the ether“ für die Datenübertragung. Im Ethernet liefen Datenpakete nicht sternförmig von einer Zentrale zu externen Stationen, sondern reihum von einem Gerät zum nächsten. Irgendwann erreichten sie den Adressaten. In seinem Memorandum beschrieb Metcalfe zum ersten Mal die Grundform des Lokalen Netzwerks oder LAN.
Robert Metcalfe wurde am 7. April 1946 als Sohn eines Ingenieurs in New York geboren. Nach Abschluss der High School 1964 studierte er am Massachusetts Institute of Technology und anschließend in Harvard; daneben verdiente er gutes Geld als Programmierer. Im Blog schilderten wir seine Mitwirkung an der großen ARPANET-Konferenz 1972 in Washington. 1973 gelang ihm im zweiten Anlauf die Promotion in Harvard im Fach Informatik. Seine Dissertation behandelte die Paketvermittlung und das ARPANET; sie enthielt auch ein Kapitel zum ALOHAnet.
Als Metcalfe den Doktortitel erhielt, hatte er bereits seit Juni 1972 eine Stelle im PARC. Im Forschungszentrum freundete er sich mit dem vier Jahre jüngeren David Boggs an. Nach Metcalfes Geistesblitz im Mai 1973 arbeiteten die beiden zusammen; 1975 und 1976 verfassten sie gemeinsam die wissenschaftlichen Grundlagentexte zum Ethernet. Am 31. März 1975 meldeten Boggs, Metcalfe und zwei Kollegen die Technik zum Patent an; es wurde 1977 erteilt. Hier sehen wir Robert Metcalfe 1978 bei einem Vortrag zum Thema.
1979 verließ Metcalfe das PARC. Er zählte zu den Gründern der im kalifornischen Santa Clara ansässigen 3Com Corporation, die das Ethernet vermarktete. 1983 wurde es unter dem Namen IEEE 802.3 ein offizieller Standard und entwickelte sich zur dominierenden Netzwerk-Technik. 3Com fusionierte 1997 mit der U. S. Robotics Corporation. Robert Metcalfe betätigte sich in den 1990er-Jahren als Verleger und Kommentator und ab 2001 als Risikokapitalgeber. Von 2011 bis 2021 lehrte er an der Universität von Texas. Seit Juni 2022 forscht er wieder im Informatiklabor des Massachusetts Institute of Technology.
Für die Erfindung des Ethernets erntete Metcalfe schon mehrere Preise; so erhielt er 2003 die Nationale Medaille für Technologie. Vor kurzen wurde er mit dem Turing Award, dem Nobelpreis der Informatik, für das Jahr 2022 ausgezeichnet. Da die offizielle Verleihung erst im Juni stattfindet, können wir ihm noch gratulieren. Sein Xerox-PARC-Kollege und Ethernet-Miterfinder David Boggs starb im Februar 2022. Metcalfes Name schmückt auch ein Gesetz der Technik-Ökonomie: Demnach ist der Nutzwert eines Netzes propotional zum Quadrat der Teilnehmerzahl.
Viele Einzelheiten von Robert Metcalfes Karriere findet man in der Oral History, die er 2006 einem Abgesandten des Computer History Museum erzählte; sie liegt ebenso als Video vor. Lesenswert sind vor allem die Erinnerungen an das PARC und seine Forscher. Wir schließen mit Metcalfes Prognose von 1995, dass das Internet ein Jahr später kollabieren würde. Das passierte zum Glück nicht, der Forscher war aber gezwungen, to eat his words, wie es auf Englisch heißt. Wie es das schaffte, überliefert – wer sonst – das Internet.
Unser Eingangsbild zeigt natürlich Robert Metcalfe (Foto: MIT News courtesy of the MIT Department of Electrical Engineering and Computer Science).