Schicksale hinter Schreibmaschinen

Geschrieben am 28.08.2015 von

In den 1870er-Jahren kamen in Europa und den Vereinigten Staaten die ersten serienmäßigen Schreibmaschinen heraus. Ein früher Benutzer einer derartigen Maschine war der Philosoph Friedrich Nietzsche, der 1882 eine „Schreibkugel“ des Dänen Rasmus Malling-Hansen erwarb. Andere prominente Schreibmaschinenfreunde aus der Pionierzeit waren die Schriftsteller Mark Twain, Lewis Carroll, Frank Baum, Hermann Hesse und Leo Tolstoi.

“ LEG ICH MICH AUS SO LEG ICH MICH HINEIN / SO MOEG EIN FREUND MEIN INTERPRETE SEIN / UND WENN ER STEIGT AUF SEINER EIGNEN BAHN / TRAEGT ER DES FREUNDES BILD MIT SICH HINAN “ Mit diesem Gedicht über die Kunst des Auslegens – Schrägstriche zeigen jeweils neue Zeilen an, und die drei Tippfehler im Text wurden von uns korrigiert – begann Friedrich Nietzsche am 12. Februar 1882 seine Aktivitäten an der Schreibmaschine.

Der 1844 in Sachsen-Anhalt geborene Nietzsche lehrte ab 1869 als Professor für klassische Philologie in Basel. Wegen seiner schlechten Gesundheit ließ er sich 1879 pensionieren und war danach nur noch als freiberuflicher Philosoph tätig, wobei er den Winter in Italien oder in Nizza verbrachte. 1889 wurde er geisteskrank; zugleich wuchs in der Öffentlichkeit das Interesse an seinen Schriften. 1900 starb Nietzsche in Weimar; er zählt seit langem zu den einflussreichsten Denkern Europas.

Nietzsches Schreibmaschine war eine „Schreibkugel“ des dänischen Pastors, Pädagogen und Erfinders Rasmus Malling-Hansen. Das erste Patent für sein Gerät, das allerdings nur Großbuchstaben zu Papier brachte, erhielt Malling-Hansen 1870. In den frühen 1880er-Jahren kostete die Maschine inklusive Versand 400 Reichsmark – zweimal soviel wie Nietzsche als Dozent im Monat verdiente. Er entschloss sich dennoch zum Kauf, da seine Sehschwäche ihm das Schreiben mit der Hand sehr erschwerte.

Am 4. Februar 1882 brachte ein Freund Nietzsches die Maschine nach Genua, wo der Philosoph damals wohnte. Sie hatte jedoch einen Transportschaden, den ein ortansässiger Mechaniker reparierte. Eine Woche später, am 11. Februar, erhielt Nietzsche sie zurück, am nächsten Tag begann er, sich mit dem Gerät vertraut zu machen. In den folgenden Wochen verfasste er damit eine Anzahl Briefe und viele kürzere und längere Gedichte; insgesamt füllt das Material 58 Seiten.

Im März fielen drei weitere Reparaturen an, das Schriftbild ließ mehr und mehr zu wünschen übrig – die Buchstaben waren schließlich kaum noch zu erkennen. Als Ursache vermutete Nietzsche einen negativen Einfluss des feuchten Klimas auf das Farbband; in Wirklichkeit lag ein technischer Defekt vor, der auf eine der früheren Reparaturen zurückging. Am 24. März 1882 tippte der Philosoph den letzten Text mit der Kugel, einen Brief an seinen Freund Heinrich Köselitz.

Damit endet die traurige Geschichte von Friedrich Nietzsches „Schreibkugel“, bis zu seinem Lebensende schrieb der Denker nur noch mit der Hand. Sein altes Gerät überlebte und befindet sich im Goethe-Nationalmuseum in Weimar, wo es leider selten gezeigt wird. Eine exzellente Einführung in die Technik und die Anwendung liefert die Publikation von Dieter Eberwein, die online nachlesbar ist: hier geht es zu Teil 1 und zu Teil 2.

Auch die Schreibmaschinensammlung des Heinz Nixdorf MuseumsForum verfügt über eine Malling-Hansen-Kugel, siehe Foto oben (Foto: Jan Braun, HNF). Schließen wollen wir mit mehreren HNF-Exponaten, die zu anderen Autoren führen, die vor 100 Jahren und mehr Texte tippten oder jemandem diktierten, der an der Schreibmaschine saß. Und bereits 2010 eröffnete das HNF eine Ausstellung im Museumsshop, die Schriftstellern und ihren Schreibmaschinen gewidmet ist. (Und deren Besuch nichts kostet :-) )

Remington1 1874

Die amerikanische Remington No. 1, auch bekannt als „Sholes and Glidden“, schaffte sich 1874 Mark Twain an, der damit Briefe schrieb. 1882 diktierte er sein Buch „Leben auf dem Mississippi“ einer Schreibkraft, die eine Remington No. 2 benutzte. (Foto: Jan Braun, HNF)

Hammond 1888

Der englische Universitätsdozent und Schriftsteller Lewis Carroll („Alice im Wunderland“), der in Wirklichkeit Charles Lutwidge Dodgson hieß, erwarb 1888 eine Hammond-Schreibmaschine, die 2012 bei einer Auktion einen Preis von 6.500 Pfund erzielte.

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Der Amerikaner Frank L. Baum wurde durch das Kinderbuch „Der Zauberer von Oz“ (1900) berühmt. Er besaß eine Smith Premier, vermutlich das erste Modell von 1889 wie auch im HNF zu sehen. Der deutsche Autor Hermann Hesse kaufte sich 1908 das Modell No. 4.

Remington10 1907

Zum Schluss kommt die Remington No. 10, die 1907 ihren Weg auch zum russischen Romanautor Leo Tolstoi fand, der „Krieg und Frieden“ schrieb. Bedient wurde sie aber, wie das Foto auf der verlinkten Seite zeigt, von seiner Tochter Alexandra.

 

 

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