So kamen die Daten ins Bild
Geschrieben am 22.10.2019 von HNF
Nächste Woche wird das Internet fünfzig Jahre alt. Im Herbst 1969 schlüpfte noch eine andere Technik aus dem Ei. Die texanische Computer Terminal Corporation brachte das Datapoint 3300 heraus. Es war ein Sichtgerät für den In- und Output eines Computers und ersetzte den weit verbreiteten Fernschreiber. Danach entwickelte sich der Monitor zum wohl wichtigsten Peripheriegerät.
Der Mensch ist ein Augenwesen. Das erste Elektronenhirn Europas, das Manchester Baby, besaß 1948 schon eine Braunsche Röhre. Sie fungierte als Datenspeicher; zugleich sahen die Benutzer den Inhalt. Mehr als nackte Bits zeigte der runde Monitor des Whirlwind; der Rechner entstand in den frühen 1950er-Jahren am Massachusetts Institute of Technology. Kreisförmig waren auch die Bildschirme des Systems SAGE, das Amerika vor sowjetischen Bombern schützten sollte, und des Minicomputers PDP-1 von Digital Equipment.
Vier runde Ecken hatte 1959 das Sichtgerät der Siemens 2002. Damit zogen die Formen des Fernsehers in die Computertechnik ein. Monitore waren aber teuer und selten; das Terminal der TR 440 von Telefunken erforderte sogar einen eigenen Rechner. Dafür ließ es sich mit der Rollkugel bedienen. Normalerweise trug man Lochkarten in das Rechenzentrum und holte Papierausdrucke ab. Amerikaner kommunizierten per Fernschreiber mit ihren Maschinen. Die Microsoft-Gründer Bill Gates und Paul Allen lernten so 1968 das Programmieren.
In jenem Jahr arbeiteten Phillip Ray und Austin Roche in Florida bei der Firma General Dynamics. Die beiden Raumfahrtingenieure befassten sich mit der Elektronik der Saturn-V-Rakete, die bei den Apollo-Missionen zum Einsatz kam. Von 1969 bis 1972 glückten sechs Mondlandungen, doch 1968 wusste niemand, was nach dem Programm passieren würde und wann neue technische Entwicklungen nötig wären. Die Ingenieure überlegten deshalb, wie sie ihr Wissen an anderer Stelle sinnvoll nutzen könnten.
Sie fanden Investoren aus Texas; am 6. Juli 1968 gründeten sie in der Stadt San Antonio die Computer Terminal Corporation CTC. Das angedachte Produkt war ein Video-Terminal, das an Computern und in Rechenzentren die Fernschreiber zur Ein- und Ausgabe ersetzen sollte. Das populärste Modell war das Modell 33 der in Chicago ansässigen Firma Teletype. Phillip Ray und Austin Roche dachten sich deshalb einen Namen aus, der an jenes Gerät erinnerte – Datapoint 3300.
Im Mai 1969 präsentieren sie den Prototyp auf einer großen Computertagung in Boston. Ende Juli lagen 876 Bestellungen im Werte von 2,9 Millionen Dollar vor. Allerdings war die CTC knapp bei Kasse; erst der Gang an die Börse sicherte das Geld für die Fertigung. Die Datapoints bauten zunächst Fremdfirmen; am 21. September 1969 wurde das erste Exemplar ausgeliefert. Der Preis betrug 3.500 Dollar – der Teletype kostete 1.500 Dollar. Im November 1969 konnte die CTC eine eigene Produktion starten.
Das Datapoint 3300 besaß keinen Mikroprozessor, sondern diskrete Logik-Elemente. Der Bildschirm umfasste 25 Zeilen zu 72 Zeichen; die Bilddaten wurden mit Schieberegistern gespeichert. Anschließbar waren ein Laufwerk für Kompaktkassetten und ein Drucker. Die Verkleidung des Geräts gestaltete der junge Designer John Frassanito. Er arbeitete in New York für den berühmten Formgestalter Raymond Loewy und schloss sich dann der CTC an. Später gründete er das Studio JF&A, das bis heute für die NASA tätig ist.
Das Datapoint 3300 wurde bis 1977 verkauft. Schnell entstanden Terminals anderer Hersteller. 1970 brachte die Digital Equipment Corporation das futuristische VT05 auf den Markt. 1976 kam das weit verbreitete ADM-3A von der Firma Lear Siegler; es kostete nur 995 Dollar. Das Hazeltine 1500 schaffte es 1981 auf die Hülle der Kraftwerk-LP Computerwelt. Natürlich gab es auch Teminals von Nixdorf und Siemens. Ab 1977 hatte jeder Mikrocomputer einen Monitor oder ein Kabel fürs heimische Fernsehgerät.
1970 schuf die CTC das System Datapoint 2200; auf dieses werden wir im nächsten Jahr eingehen. 1973 benannte die Firma sich in Datapoint Corporation um und verdiente eine Zeitlang viel Geld. In den Achtzigern begann der Abschwung; zur Jahrtausendwende erfolgte der Bankrott. Ein Ableger machte im 21. Jahrhundert in England weiter; was aus ihm wurde, ist unbekannt. Jeder Computerbildschirm erinnert aber tagtäglich an den Datapoint 3300.
Unser Eingangsbild nahm Gabriele Sowada im Computermuseum Kiel auf. Wir danken ihr herzlich für die Genehmigung, es nutzen zu können.
Als die Nixdorf-Ingenieure den Vertretern der zahlungskräftigsten Kundschaft – der Finanzwirtschaft – ganz stolz ihre ersten Farbbildschirme vorstellten, war die erste Reaktion verblüffend. „Seit wann brauchen wir denn Zahlen in Farbe? Seit Jahrhunderten machen wir unsere Geldgeschäfte „Schwarz auf Weiß.“ Diese Meinung hat sich nicht lange behaupten können…