Spielspaß mit Fernsehröhre
Geschrieben am 15.12.2023 von HNF
Jüngst feierten wir den 65. Geburtstag des ersten öffentlich gezeigten Videospiels. Vor 75 Jahren wurde ein anderes elektronisches Spiel in den Vereinigten Staaten patentiert. Das „Unterhaltungsgerät mit Kathodenstrahlröhre“ ermöglichte den Beschuss von Zielen auf einem runden Bildschirm. Erfunden hatten das Gerät der Physiker Thomas Goldsmith und ein Kollege von den DuMont-Laboratorien im US-Bundesstaat New Jersey.
Der amerikanische Elektroingenieur Allen DuMont gründete 1931 in New Jersey eine Firma für Kathodenstrahlröhren. Die DuMont-Laboratorien stellten Oszilloskope her und ab 1938 Fernsehgeräte. Von 1946 bis 1956 betrieb DuMont ein nach ihm benanntes TV-Sendernetz im Nordosten der USA; es ist heute weitgehend vergessen.
Technischer Direktor der DuMont-Laboratorien war lange Zeit Thomas Goldsmith. Geboren wurde er am 9. Januar 1910 als Sohn eines Grundstücksmaklers in Greenville/South-Carolina. Er studierte Physik in seiner Heimatstadt und an der Cornell-Universität. Dort machte er 1936 seinen Doktor und schloss sich anschließend Dumont an; 1953 wurde er einer der Vizepräsidenten der Firma. Von 1966 bis 1975 lehrte Thomas Goldsmith Physik an der Universität von Greenville. Er starb am 5. März 2009.
Am 25. Januar 1947 meldeten Thomas Goldsmith und sein DuMont-Kollege Estle Mann eine Cathode-Ray Tube Amusement Device zum Patent an. Über Mann wissen wir nur wenig. Das „Unterhaltungsgerät mit Kathodenstrahlröhre“ erhielt am 14. Dezember 1948 das US-Patent mit Nummer 2.455.992. Die Erfinder bauten auch eine funktionsfähige Schaltung. Damit wäre ihre Apparatur das erste interaktive Spiel mit einer Braunschen Röhre gewesen, wie wir sie von älteren Fernsehgeräten und Computermonitoren kennen.
Das Prinzip ist einfach. Der User erzeugt einen Lichtfleck, der über den Bildschirm fliegt und sich in einer Wolke auflöst. Auf dem Schirm lassen sich Aufkleber anbringen, die als Ziele dienen, Treffermeldungen erfolgen aber nicht. Ein unbekannter Blogger setzte 2021 eine Simulation des Spiels ins Internet. Man platziert zunächst mit der Maus die Ziele und drückt oben auf den Knopf, der Rest wird schnell klar. Nach dem Start kann man dreißig Sekunden lang mit den oberen Drehknöpfen die Geschossbahnen und Flugzeiten einstellen.
Das „Unterhaltungsgerät mit Kathodenstrahlröhre“ kam nie in den Handel, es weist aber auf eine Wurzel der Videospiele hin, die oft übersehen wird. Schon in den 1910er-Jahren gab es in den USA und in Europa Schießkinos. Die Besucher erhielten vermutlich Luftgewehre und visierten Tiere in einem Film an. Nach jedem Schuss stoppte der Projektor, und man schaute nach, ob das Einschussloch im Ziel lag. Das ist ein amerikanischer Artikel von 1913 darüber, hier geht es zu einem neueren Beitrag. Online liegt auch ein österreichisches Patent für die ursprünglich englische Erfindung vor.
In den 1930er-Jahren brachte die in Chicago ansässige Firma Rayolite einen neuen Typ von Ballerspiel heraus. Bei ihm saß im Gewehr eine Glühbirne, die Blitze produzierte. Ihr Licht musste bewegliche Ziele in einem Automatentheater treffen, etwa eine künstliche Ente, die eine Fotozelle trug. Wenn der Schütze richtig schoss, reagierte die Zelle, und es gab Punkte oder ein Freispiel. Da Fotozellen Abkömmlinge der Röhren sind, können wir schon von einem elektronischen Spielgerät sprechen. Das Video zeigt eine Version aus den 1940er-Jahren.
Vor zwei Monaten behandelten wir in unserem Blog „Tennis für zwei“ aus dem Jahr 1958; es gilt als das erste Videospiel, das öffentlich zugänglich war. Schon 1954 erlebten Journalisten und EDV-Experten den Großcomputer MIDSAC der Universität von Michigan. Auf seiner Kathodenstrahlröhre lief ein Pool-Billard; auch zu ihm schrieb der oben erwähnte Blogger eine Simulation. Es könnte das erste anspruchsvolle Videospiel gewesen sein, das auf einem Digitalrechner programmiert wurde.
Im Netz fanden wir leider kein gutes Foto von Thomas Goldsmith. Wer sich für sein Leben und Werk interessiert, kann hier YouTube-Beiträge mit ihm anschauen. Unser Eingangsbild oben zeigt eine Grafik aus seinem Patent Nr. 2.455.992, das er vor 75 Jahren erhielt. Man erkennt im Kreis die Ziele – die kleinen Quadrate – und die Flugbahnen der Geschosse.