Sun Microsystems – es begann in Stanford
Geschrieben am 22.02.2022 von HNF
Vor vierzig Jahren schuf Andreas von Bechtolsheim in der Universität Stanford eine leistungsfähige Workstation. Zur Vermarktung startete er am 24. Februar 1982 mit den Stanford-Absolventen Vinod Khosla und Scott McNealy die Firma Sun Microsystems. Sie wurde zu einer innovativen Hardware- und Software-Schmiede im Silicon Valley. Anfang 2010 erfolgte die Übernahme durch den Datenbank-Konzern Oracle.
In den frühen 1980er-Jahren verbreitete sich in den Vereinigten Staaten ein neuer Rechner-Typ: die Workstation. Sie passte auf den Schreibtisch, lag jedoch bei der Leistung über den gewöhnlichen Desktop-Systemen. Beispiele waren die Geräte der Firma Apollo oder der Xerox Star, den wir schon im Blog behandelten. Er wurzelte in dem Minicomputer Alto aus dem Xerox-Forschungszentrum PARC im kalifornischen Palo Alto.
Zu den Besuchern des PARC zählte um 1980 herum ein Infomatikstudent der nahen Stanford-Universität. Er hieß Andreas von Bechtolsheim, wurde 1955 in Bayern geboren und kam 1977 ins Silicon Valley. Der Umgang mit dem Alto und seine Stanford-Dozenten – zu nennen sind Forest Baskett und Vaughan Pratt – brachten ihn zum Bau eines drei Platinen füllenden Computers, der die Fähigkeiten einer Workstation besaß. Für Bechtolsheims Gehalt sorgte die DARPA, die Forschungsabteilung des Pentagons.
Am 30. November 1980 lief der Prototyp, am 3. Juli 1981 wurde eine verbesserte Version vorgeführt, die zu einer Kleinserie führte. Der Rechner trug den Namen Stanford University Network, kurz SUN. Er enthielt 260 Chips und als Mikroprozessor den 32-Bit-Chip Motorola 68000. So deckte er logisch-arithmetische, grafische und Netzwerk-Funktionen ab. Seit 1979 gab es in Stanford das im Xerox-PARC erfundene Ethernet – heute sagen wir LAN – mit Altos und Digital-Equipment-Computern. Das Stanford-Netz war überdies mit dem landesweiten ARPANET verbunden.
Eine frühe SUN-Platine überlebte in einer kleinen Ausstellung der Stanford-Universität; das Foto ist schon einige Jahre alt. Im März 1982 verfassten Andreas „Bechtotsheim“, Forest Baskett und Vaughan Pratt einen längeren Aufsatz über den Rechner, der online vorliegt. Zu diesem Zeitpunkt war der Deutsche allerdings kein Student mehr. Zusammen mit dem Amerikaner Scott McNealy und dem aus Indien stammenden Vinod Khosla betrieb Andreas von Bechtolsheim eine Computerfirma.
Nach Fertigstellung seiner Workstation wollte Bechtolsheim ein existierendes Unternehmen für die Fertigung und Vermarktung eines Desktop-Computers gewinnen. Seine Suche verlief aber im Sande. Vinod Khosla hatte einen Stanford-Abschluss in Betriebswirtschaft und arbeitete für einen Start-up im Silicon Valley. Ende 1981 erfuhr er von den Bemühungen des Informatikstudenten und rief Andreas von Bechtolsheim an. Die beiden trafen sich und entschlossen sich schnell zu einer gemeinsamen Firmengründung.
Vinod Khosla brachte seinen früheren Studienkollegen Scott McNealy mit ins Boot, der ebenfalls in Kalifornien tätig war. Am 24. Februar 1982 startete das Trio die Firma Sun Microsystems. Ihr erster Sitz war der Ort Santa Clara, erster Chef wurde Vinod Khosla. Wenig später schloss sich noch der Unix-Spezialist Bill Joy dem Team an. Er gilt als der vierte Gründer; wir sehen ihn im Eingangsbild zwischen Bechtolsheim und Khosla (Foto Sun Microsystems). Der junge Mann ganz links ist Scott McNealy.
Die neue Firma hatte wenig Probleme, Inverstoren zu finden. Binnen sechs Monaten schrieb Sun schwarze Zahlen, im ersten Jahr setzte sie Workstations im Wert von acht Millionen Dollar ab. 1986 ging sie an die Börse und ein SPIEGEL-Artikel über Andreas von Bechtolsheim erschien. 1987 überholte Sun beim Verkauf den Konkurrenten Apollo und wurde zum Marktführer bei Workstations. 1988 betrug der Jahresumsatz eine Milliarde Dollar; 1998 lag er bei zehn Milliarden. Vinod Khosla verließ das Unternehmen schon 1984, Andreas von Bechtolsheim tat es 1995.
In den ersten Jahren bot die Firma hauptsächlich Workstations an, ab 1984 zudem das Netzwerk-Protokoll NFS. In den späten Achtzigern kamen Computer mit den von Sun entwickelten SPARC-Prozessoren heraus; diese folgten dem Prinzip des reduzierten Befehlssatzes oder RISC. 1992 erschien das Betriebssystem Solaris. 1995 erfand der kanadische Sun-Forscher James Gosling die für jede Plattform geeignete Programmiersprache Java. Sie wird bis heute in aller Welt verwendet.
Sun Microsystems beschäftigte 40.000 Menschen und gehörte zu den Gewinnern des Dotcom-Booms. Das Unternehmen richtete in Santa Clara einen großzügigen Campus ein und zögerte nicht beim Aufkaufen von kleineren Firmen. Legendär waren die alljährlichen Aprilscherze. Nach dem Platzen der Blase zur Jahrtausendwende brachen jedoch schwierige Zeiten an; daran änderte auch Andreas von Bechtolsheims Rückkehr im Jahr 2004 nichts. Fertigungsstätten schlossen, die Verluste häuften sich.
Zum 25. Geburtstag drehte die Firma noch ein optimistisches Video. Dann begannen Verhandlungen mit potenziellen Käufern, allen voran IBM. Am 27. Januar 2010 wurde Sun aber für 5,6 Milliarden Dollar vom Datenbank-Riesen Oracle geschluckt. Das ist das Abschiedsschreiben vom langjährigen Sun-Chef Scott McNealy. 2006 trafen sich die vier Sun-Gründer zu einem Plausch im Computer History Museum, 2015 saß Andreas von Bechtolsheim allein vor der Kamera. Hier geht es noch zu den „real stories“.
Schließen möchten wir mit einem Foto, das uns Andreas von Bechtolsheim für den Blog zur Verfügung stellte – dafür bedanken wir uns herzlich bei ihm. Es zeigt drei der vier Sun-Gründer im August 1986 in Sausalito an der Bucht von San Francisco. Es ist fünf Uhr früh, und die Sonne geht gerade im Osten auf. Das Bild stammt vom Fotojournalisten Matthew Naythons, und es spielt wahrscheinlich auf den Börsengang an, der damals stattfand. Sun Microsystems war eben doch eine besondere Firma.