Vom Addierstift zum Calcupen
Geschrieben am 07.03.2023 von HNF
Im Jahr 1975 kam der Calcu-pen der japanischen Elektronikfirma Hosiden heraus. Er verband einen Kugelschreiber mit einem Taschenrechner. Der Calcu-pen war das wohl kleinste Rechengerät für die vier Grundrechenarten, das bis dahin entstand. Stifte zum Addieren wurden schon im 19. Jahrhundert erdacht. Andere Erfinder brachten das kleine und das große Einmaleins auf einem Schreibgerät unter.
Der Drang zur Miniaturisierung der Rechentechnik ist alt und setzte schon vor der Geburt des Mikrochips ein. 1941 bot der Schweizer Uhrenhersteller Breitling seinen Chronomat mit einer Rechenscheibe an. Schon 1902 erfand ein Franzose einen Rechenstab, mit dem man auch schreiben konnte. In den 1920er-Jahren wurden solche Stäbe in den USA tatsächlich gebaut, später ebenso in West- wie in Ostdeutschland.
Die genannten Uhren und Schreibgeräte arbeiteten logarithmisch, also analog. Wie sah es bei digitalen Kleinrechnern aus? Hier werden wir schon im 19. Jahrhundert fündig. Am 28. August 1875 meldeten Marshall Smith und Fletcher Potts aus dem US-Bundesstaat Nevada Verbesserungen in Addier-Bleistiften zum Patent an. Sie erhielten es am 4. April 1876. Ähnlich funktionierte wahrscheinlich der Stiftaddierer, für den Caroline Saruba 1880 ein österreichisches Patent bekam. Er gelangte als Habereder Calculateur in den Handel, ein Exemplar verwahrt das Bonner Arithmeum.
Wie die Seite www.rechnen-ohne-strom.de mitteilt, florierte in den 1920er-Jahren im amerikanischen St. Louis die Firma Adding Pencil. Ihren Addierstiften fehlte jedoch ein automatischer Zehnerübertrag. Diesen besaß offenbar die „In eine Rohrhülse eingebaute Rechenmaschine“, die der Nürnberger Leonhard Neuwirth am 27. Januar 1923 zum Patent anmeldete; es wurde am 19. Februar 1924 gewährt. Seine Maschine beherrschte die vier Grundrechenarten, sie blieb aber unrealisiert. Ähnlich erging es 1954 dem „Rechengerät“ von Gottwill Reinhold; wir haben es in unserem Blog erwähnt.
Rechenmaschinen arbeiteten in der Regel mit einer speziellen Mechanik, einige zeigten aber nur Tabellen an, in denen die Benutzer die Lösung heraussuchten. Diese Methode benutzte die „Federbüchse mit Rechenapparat“, die Peter Wiesenmüller in Nürnberg erfand. Sein Patent galt ab dem 11. April 1885. Auf die Büchse folgten weitere Geräte mit dem Prinzip von Sehen und gesehen werden; www.rechnen-ohne-strom-de stellt konkrete Beispiele vor. Käuflich erwerben kann man die Rechenbleistifte von Eberhard Faber, die mit dem großen und dem kleinen Einmaleins bedruckt sind.
Etwas dicker als ein Bleistift war der Kugelschreiber Calcu-pen der Elektronikfirma Hosiden aus Osaka. Der Calcu-pen erschien 1975; er enthielt einen Mikrochip des Herstellers Sharp, der die Funktionen eines Taschenrechners lieferte. Dementsprechend trug das Gehäuse fünf Tasten für Inputs und eine LED-Anzeige für acht Ziffern plus Vorzeichen. Die Eingabetasten wurden nicht heruntergedrückt, sondern seitlich gekippt; jede Taste nahm vier Befehle auf. Der Strom zum Betrieb des Rechners kam von einer kleinen Batterie.
Der Calcu-pen ist im Eingangsbild zu sehen (Foto Adafruit Industries CC BY-NC-SA 2.0 seitlich beschnitten) und in diesem Video. In Amerika kostete er 79,95 Dollar, später sank der Preis auf 19,95 Dollar. Ebenso verschwand der Bindestrich im Namen. Deutsche Käufer zahlten 1976 für den „Calcupen“ stolze 250 DM. In den frühen 1980er-Jahren brachte Hosiden die zweite Generation des Rechenschreibers heraus. Der Calcupen 2 erhielt neunzehn winzige Drucktasten; den Vertrieb übernahm die Hosiden-Tochterfirma Satolex. Ob er bei uns angeboten wurde, ist unbekannt.
In den Siebzigern und Achtzigern blieben die Calcupens konkurrenzlos. Heute existieren mehrere Typen von Rechenstiften, die wohl als Werbegeschenke gekauft und verteilt werden. Sie stammen in der Regel aus China. Wir entdeckten breite und schmale und solche im Fieberthermometer-Design. Uns gefiel auch die Magic Box von Alibaba, denn der kleine Taschenrechner weckt Erinnerungen an die ausgestorbenen Rechenschieber. Und wer 10.000 Boxen bestellt, zahlt pro Stück weniger als einen Dollar.