Von Sauriern und Browsern
Geschrieben am 22.03.2019 von HNF
Am 23. März 1944 wurde in Texas James Clark geboren. Als Dozent der Universität Stanford entwickelte er ab 1979 einen Spezialprozessor für Computergrafiken. 1981 gründete er mit Studenten und Kollegen die Firma Silicon Graphics. Ihre Systeme revolutionierten die Filmproduktion. 1994 startete Clark die Netscape Communications Corporation. Der gleichnamige Browser öffnete das Internet auch den Computerlaien.
Saurier gibt es im Kino seit 1914. Der erste war eine Saurierin, hieß Gertie und war von Hand gezeichnet. Später nahmen die Studios bewegliche Modelle oder verkleidete Komparsen. Manchmal zeigten sie auch nur Eidechsen in Großaufnahme. 1993 begann aber eine neue Ära. Der Blockbuster „Jurassic Park“ erweckten die Urtiere richtig zum Leben; wir sehen das am besten in der Szene mit der Gallimimus-Herde und dem Tyrannosaurus Rex.
Möglich machte es ein neues Computersystem der Firma Silicon Graphics. Gegründet wurde diese am 9. November 1981 im kalifornischen Mountain View; der Ort liegt natürlich im Silicon Valley. Die treibende Kraft war James Clark, ein Elektrotechnik-Dozent von der nahen Stanford-Universität. Hier hatte er seit 1979 einen Prozessor für grafische Anwendungen entwickelt, die Geometry Engine. Zu den Mitgründern von Silicon Graphics zählten sieben Studenten von Clark und einige seiner Kollegen von der Universität.
James Clark hatte das, was man früher eine schwere Jugend nannte. Geboren wurde er am 24. März 1944 in der texanischen Kleinstadt Plainview in armen Verhältnissen. Als er vierzehn war, ließen sich die Eltern scheiden; mit sechzehn Jahren verließ er vorzeitig die High School. Er verbrachte vier Jahre in der US-Marine, wo er den Schulabschluss nachholte und die Elektronik kennenlernte. Anschließend studierte er Physik in New Orleans. 1974 promovierte er in Informatik an der Universität von Utah.
Einige Zeit arbeitete Clark an einer technischen Hochschule in New York, danach wechselte er zur Universität von Kalifornien. 1979 erhielt er die bereits erwähnte Stelle in der Stanford University. Mit der Silicon Graphics Incorporated, kurz SGI, wurde er landesweit bekannt. Die 25.000 Dollar für die Gründung musste Clark noch bei einem Freund leihen; fünf Jahre später setzte das Unternehmen vierzig Millionen um. Die tiefblauen Workstations revolutionierten die Computeranimation und schrieben Filmgeschichte.
SGI-gezeichnet waren nicht nur die Saurier aus dem „Jurassic Park“ und zwei Fortsetzungen, sondern auch die Tornados aus „Twister“ und die Wellen des Wetterfilms „Der Sturm“. Digital erzeugt wurden ebenso der Bösewicht aus „Terminator 2“ und die virtuelle Welt der „Matrix“. Viele Kunden saßen aber außerhalb von Hollywood. Die Firma verkaufte eine ganze Anzahl Computer an die amerikanische Post, die sie in Verteilzentren aufstellte. Dort entzifferten und ordneten sie mit KI-Programmen handschriftlich adressierte Briefumschläge.
1994 zerstritt sich James Clark mit der SGI-Spitze und sagte Lebewohl. Am 4. April 1994 startete er mit dem 22-jährigen Marc Andreessen ein neues Unternehmen. Andreessen und sein Team hatten 1993 im Supercomputerzentrum NCSA im US-Staat Illinois den Browser Mosaic entwickelt. Sie boten ihn zum Herunterladen an, worauf er sich rasch unter den Nutzern des neuen World Wide Web verbreitete. Es gab zwar schon einen Browser mit grafischer Benutzeroberfläche, doch Mosaic war besser und lief auf Windows-Computern.
Die neue Firma hieß Mosaic Communications Corporation; nach Einspruch des NCSA erhielt sie den Namen Netscape Communications Corporation. Beim Produkt dachten James Clark und Marc Andreessen zunächst an ein Netzwerk für Computerspiele; der Geschäftspartner sollte Nintendo aus Japan sein. Als die nötige Hardware ausblieb, änderten die beiden ihren Businessplan. Am 23. Oktober 1994 kam der neuentwickelte Browser Mosaic Netscape 0.9 heraus; bald darauf wurde er in Netscape Navigator umbenannt.
Am 9. August 1995 ging Netscape an die Börse. Am ersten Tag stiegen der Wert einer Aktie von 28 auf 58,25 Dollar und der Wert der Firma auf 2,9 Milliarden. 1996 verwendeten fast achtzig Prozent aller Web-Surfer den Browser mit dem großen N. Danach schrumpften die Anteile, eine Folge des Browserkriegs. Seit 1995 bot Microsoft den Internet Explorer an, zunächst in kleiner Auflage, aber schließlich regulär mit dem Betriebssystem Windows. Wer sich also einen neuen Computer kaufte, erhielt den Browser gratis dazu.
Der Netscape-Absatz sank entsprechend, 1999 kaufte der Medienkonzern AOL die Firma. 2003 erfolgte die Auflösung der betreffenden AOL-Abteilung; der letzte Netscape-Browser mit Versionsnummer 9.0.0.6 erschien im Februar 2008. Microsoft gewann den Browserkrieg, wurde aber des Erfolges nicht froh. Schon 1998 strengte das Justizministerium ein Antitrust-Verfahren an; im Jahr 2000 stand der Betriebssystem-Hersteller kurz vor der Aufspaltung. Am Ende kam Bill Gates mit einem blauen Auge davon, er gab aber die Firmenleitung ab.
James Clark gründete 1996 die medizinischen Internetfirma Healtheon und in der Folgezeit weitere Unternehmen. Seine größten Taten bleiben Silicon Graphics und Netscape, selbst wenn SGI 2009 insolvent wurde. Die grafischen Browser, mögen sie Navigator, Explorer oder anders heißen, machten das World Wide Web in den USA populär und öffneten es in der ganzen Welt den Normalbürgern. Der spektakuläre Börsengang von Netscape leitete allerdings auch die Dotcom-Blase ein, die zur Jahrtausendwende platzte.
Von den negativen Folgen merkte James Clark nur wenig, denn seit der Übernahme von Netscape durch AOL war er Milliardär. Er steckte das Geld unter anderem in vier große Segelyachten. Mit seiner vierten Ehefrau, dem ehemaligen Fotomodell Kristy Hinze, feiert er heute den zehnten Hochzeitstag. Am morgigen Samstag wird James Clark 75 Jahre alt – unser Eingangbild zeigt das Geburtstagskind.