
Vorhang auf für den Amiga
Geschrieben am 22.07.2025 von HNF
Am 23. Juli 1985 stellte die Firma Commodore in New York den Amiga vor. Wir wollen heute an die Einführung des Computers in Deutschland erinnern. Sie fand am 21. Mai 1986 in der Alten Oper in Frankfurt statt. Es fehlten die ganz großen Stars, doch Moderator des Abends war der vom Fernsehen bekannte Frank Elstner.
DEM WAHREN SCHOENEN GUTEN – diese Worte schmücken die Fassade der Alten Oper in Frankfurt, eines großen Konzert- und Veranstaltungshauses. Ob sie auf ein Gerät passten, das dort im Mai 1986 seinen Deutschland-Start erlebte, mag jeder selbst beurteilen. Der Commodore Amiga stand zwar schon im März 1986 auf der CeBIT in Hannover, die offizielle Markteinführung war aber zwei Monate später in der Main-Metropole. Hier saß die deutsche Commodore-Tochter; gefertigt wurde allerdings in Braunschweig.
Die Weltpremiere des Amiga geschah vor vierzig Jahren, am 23. Juli 1985, im New Yorker Lincoln Center. Wir haben die Veranstaltung bereits 2015 im Blog behandelt; neben dem neuen Computer traten der Pop-Art-Künstler Andy Warhol und die Rock-Sängerin Debbie Harry auf. Wahrscheinlich brachte die Präsentation den Chef von Commodore Deutschland – er hieß Winfried Hoffmann – auf die Idee, Ähnliches in Frankfurt am Main zu organisieren. Das hessische Amiga-Fest ging am 21. Mai 1986 über die Bühne; es ist zum größten Teil auf YouTube erhalten. Wir empfehlen, auch die Kommentare unter dem Fenster zu lesen.

Frank Elstner 2005 (Foto Thomas Richter CC BY-SA 3.0)
Das Video dauert anderthalb Stunden und springt direkt in das Grußwort von Winfried Hoffmann. Bei Minute 14:20 kommt Moderator Frank Elstner, den wir den Retro-Fans nicht vorstellen müssen. Für die Jüngeren: Er war im ZDF der Vorgänger von Thomas Gottschalk und erfand „Wetten, daß…?“. Auf Elstner folgt bei Minute 20:30 der Fernsehjournalist Jens Hertwig, der die Technik und die Bedienung des Amiga erläuterte. Die Inhalte des Monitors und weitere Grafiken werden dabei auf die Saalwand projiziert.
1986 läuft das nicht mit einem digitalen Beamer, sondern mit Hilfe eines röhrenbestückten Eidophor. Die Zuschauer erfahren, dass der Amiga den Sechzehn-Bit-Prozessor 68000 von Motorola besitzt, dass er das Multitasking beherrscht und seine Daten auf Dreieinhalb-Zoll-Disketten ablegt. Sie sehen zudem, wie grafische Menüs mit Mausbedienung funktionieren, das ist damals noch ziemlich neu. Ab Minute 41:00 schildern eine Commodore-Managerin und ihr Kollege verschiedene Anwendungen des Amiga.
Bei Minute 55:00 beginnt der gemütliche Teil des Abends. Commodore lud keinen Künstler vom Format Andy Warhols ein, vielleicht weil es einen solchen bei uns nicht gab. Statt dessen erscheint ein Gedächtniskünstler, der 56-jährige Erich Zenker aus Kiel. Er merkt sich in kurzer Zeit die Vornamen von dreißig wildfremden Menschen im Saal. Nach Minute 1:17:55 singt die Schweizerin Betty Legler zu einer vom Computer erstellten Begleitmusik. Der Abend schließt mit dem Auftritt einer Balletttänzerin und einer dazu parallel ablaufenden Amiga-Animation. Die Idee stammte aus der Präsentation von 1985 im Lincoln Center.
Nach der Show eilte das Publikum zum kalten Büffet. Es erwies sich als recht knapp, und die Commodore-Spitze führte die besten Händler schnell in ein Feinschmeckerlokal. Draußen im Lande startete der Amiga-Verkauf, wegen des hohen Preises hielten sich die Kunden aber zurück. Der Rechner kostete zunächst 5.595 DM. Den Durchbruch brachte 1987 das Modell Amiga 500; der Ur-Amiga erhielt die Nummer 1000. In den späten 1980er-Jahren wirkte die Radio- und Fernsehmoderatorin Stefanie Tücking am Design des Amiga 500 mit.
Der neue Computer wurde natürlich in der Fachpresse besprochen, hier und hier geht es zu Tests. Das Fernsehen zeigte ebenfalls Interesse: Das war ein ZDF-Bericht vom April 1986 – bitte zu Minute 1:45 gehen. Teil 2 folgt hier. Bekanntlich beendete die Firma Commodore im April 1994 ihre Existenz, die deutsche Tochter hielt bis zum September durch. In den 2010er-Jahren entstand der Film Die Amiga-Story. Er zeigte noch einmal die Computerhelden der Achtziger und vor allem, wie sie die Videospiel-Geschichte prägten.
Was wurde aus den Teilnehmern des Amiga-Events? Frank Elstner lebt inzwischen in Baden-Baden, Betty Legler in Zürich und München. Hier sehen wir sie 2014. Gedächtnisstar Erich Zenker starb leider in jenem Jahr, dieser Fernsehauftritt fand 2013 statt. Putzmunter ist der Physiker Peter Kittel, der zum Amiga-Team auf der Bühne der Alten Oper gehörte. Seine Homepage geht auch auf seine Commodore-Zeit ein. Unter den Zuschauern saß 1986 Petro Tyschtschenko, der die Marke Amiga bis 2001 am Leben hielt. Sein Vortrag eröffnete Anfang 2025 die Amiga-Ausstellung des Vereins RetroGames in Karlsruhe, die bis Jahresende läuft.
Wieder einmal herzlichen Dank für die wunderbaren Rückblicke in die Zeit der 80er. Den Hinweis zum Eidophor fand ich sehr interessant aber ein wenig irreführend. In den 80ern und 90er waren Sony Projektoren verbreitet mit RGB Röhren, die bereits auf Leinwand projizieren konnten. Ich erinnere mich an eine Veranstaltung in Frankfurt bei der der Techniker und ich viel Zeit mit der Einrichtung der drei Röhren verbrachten, die für jede Leinwand Millimeter genau justiert werden mussten. Leider hat die Sony Sammlung eine Lücke von 20 Jahren und listet nur die Meilensteine der Entwicklung auf, siehe https://www.sony.com/en/SonyInfo/CorporateInfo/History/sonyhistory-n.html Wer erinnert sich noch an diese riesigen Projektoren und hat Bilder dazu? Der Wikipedia Artikel beschreibt leider nur das Prinzip und enthält den obigen Link.