3. August 1984: Die erste Internet-Mail kommt
Geschrieben am 02.08.2024 von HNF
Abgesandt wurde sie am 2. August 1984 im amerikanischen Cambridge, eingelaufen ist sie einen Tag später in einem Computer der Universität Karlsruhe. Die elektronische Nachricht der Informatikerin Laura Breeden ging als erste E-Mail im Netzwerk CSNET an eine deutsche Adresse. Das CSNET war eine Erweiterung des 1969 gestarteten ARPANET und führte dann zum heutigen Internet.
Einst befand er sich in der Ausstellung, inzwischen liegt er im HNF-Depot: ein knallgelbes Mauspad mit der Zeile „K@rlsruhe erste E-Mail Deutschlands“. Es erinnert an ein Ereignis, das sich vor vierzig Jahren in der Stadt zutrug. Am 3. August 1984 um 10:14 Uhr MEZ – 11:14 Uhr Sommerzeit – traf im Rechenzentrum IRA der Universität Karlsruhe eine E-Mail ein. Sie etablierte die Verbindung zum 1981 in den USA gestartete Computer Science Network CSNET, der damaligen Ausbaustufe des Internets.
Absenderin der Mail war die junge Informatikerin Laura Breeden. Sie saß in der Zentrale des CSNET in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts. Der Adressat hieß Michael Rotert, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter den CSNET-Knoten in Karlsruhe betreute, wo eine VAX 11/750 der Firma DEC arbeitete. Die Mail ging auch an den IRA-Leiter, Professor Werner Zorn. Die Betreffzeile lautete „Wilkomen in CSNET!“, der erste Satz sagte eigentlich schon alles: „This is your official welcome to CSNET. We are glad to have you aboard.“ Einen Ausdruck der kompletten Nachricht verwahrt das Stadtarchiv Karlsruhe.
Sie war jedoch nicht die erste E-Mail im Lande. Dazu Werner Zorn im Jahr 2014: „Tatsächlich gab es in Deutschland bereits seit geraumer Zeit elektronischen Nachrichten-Austausch innerhalb von firmeneignen Rechnernetzen, im Rahmen internationaler Forschungsprojekte, im militärischen Bereich, in Kooperationen einzelner deutscher Wissenschaftler über einen persönlichen Zugang zu einer US-amerikanischen Universität sowie private/kooperative Verbunde aus der Funkamateur-, Commodore- und PC-Szene.“
1983 wurde im Rahmen eines Studentenprojekts die Technische Universität Dortmund ans European UNIX Network EUnet angeschlossen, Anfang 1984 startete IBM das European Academic Research Network EARN mit Stützpunkten in Heidelberg und Darmstadt. Die Netze beförderten natürlich auch elektronische Briefe. Selbst die Post sprang auf den E-Mail-Zug und eröffnete im Juli 1984 das Telebox-System. Der Zentralcomputer in Mannheim wurde per Telefon oder über das Datex-P-Netz erreicht; Näheres berichteten das Magazin 64’er und die Datenschleuder des Chaos Computer Clubs.
Der Mail-Empfang in Karlsruhe war Teil eines Projekts von Werner Zorn, das vom 1. Juli 1983 bis zum 30. Juni 1984 vom Bundesforschungsministerium gefördert wurde. Es trug den Titel „Interkonnektion von Netzen“ und hing mit dem geplanten Deutschen Forschungsnetz DFN zusammen. Zorn ließ sich dadurch nicht stören und rief im Februar 1984 die schon erwähnte Laura Breeden in der CSNET-Zentrale an. Anschließend besorgte seine Projektgruppe die Software und brachte sie auf dem VAX-Computer zum Laufen. Den Rest haben wir erzählt.
Der DFN-Verein war von Zorns Tat nicht begeistert; er erhielt keine weiteren staatlichen Mittel für CSNET-Aktivitäten. Der Forscher schilderte seine Erfahrungen in jener Zeit hier. Einen Überblick über die deutsche Netzszene im Sommer 1985 brachten die „Neuesten Netz-Nachrichten“ in ihrer zweiten Ausgabe. Auf der Landkarte finden wir auch die Firma Nixdorf, die zum EUnet gehörte. Die dritte Ausgabe mit dem Artikel „Quo vadis – DFN?“ lieferte interessante Einblicke in die Frühzeit des deutschen Internets.
1987 leistete Werner Zorn entscheidende Hilfe beim Anschluss der Volksrepublik China ans globale Netz – das ist sein Bericht darüber. 1989 gründete er den Internetprovider X-Link, von 2001 bis 2007 arbeitete Zorn für das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. 2013 wurde er in die Internet Hall of Fame aufgenommen. 2023 folgte ihm seine CSNET-Partnerin Laura Breeden in die Ruhmeshalle; hier sehen wir sie im Video. Lesenswert ist ein Interview von Werner Zorn, das er 2022 anlässlich seines 80. Geburtstags gab.
Vor vierzig Jahren erreichte die erste Internet-Mail Karlsruhe, doch eine Stadt in Nordrhein-Westfalen sei nicht vergessen. Seit dem 12. Juli steht auf dem Campus der TU Dortmund an der EUnet-Allee die Skulptur „Dortmund: Keimzelle des deutschen Internets“. Sie erinnert an die Verdienste der Netzpioniere Daniel Karrenberg, Axel Pawlik, Rudolf Peter und Rüdiger Volk; mehr zu ihnen steht auf dieser Seite. Geschaffen hat die Skulptur der Stahlkünstler Sebastian Wien, bei dem wir uns herzlich für das Foto unten bedanken.
1984 startete ich bei der Fa. Comshare in Köln, einer Tochter der gleichnamigen Firma in Michigan. Wir hatten ein internes E-Mail-System, das zeilenweise funktionierte, Fehler korrigieren war so natürlich nicht möglich. Ab immerhin.
Unser europäischer Zentralrechner stand in London mit 2×512 KB (!), beide Kerne sollten nicht über 50% ausgelastet werden, damit bei Ausfall eines Kerns die komplette Last vom anderen mit übernommen werden konnte…