50 Jahre Tablet

Geschrieben am 22.07.2016 von

„2001: Odyssee im Weltraum“ ist ein Klassiker des Science-Fiction-Kinos. Die Astronauten des Films verwenden auf dem Mond und im Raumschiff flache Anzeigegeräte für Texte, Bilder und Videos. Da die Dreharbeiten von „2001“ im Jahr 1966 stattfanden, können wir also ein halbes Jahrhundert Tablet-Computer feiern. Start frei zu einem Flug durch die unendlichen Weiten der Technikgeschichte!

Seit fünf Jahren fechten die Firma Apple und ihr südkoreanischer Konkurrent Samsung in mehreren Ländern einen Patentstreit aus. Es geht vor allem um den Vorwurf von Apple, dass Samsung das Design von Smartphones und Tablets kopiert und gegen Apples Patentrechte verstoßen hätte.

Im August 2011 wehrten sich die Südkoreaner mit einem ungewöhnlichen Dokument. Beim zuständigen Gericht in Kalifornien reichten sie einen Screenshot aus dem Film 2001: Odyssee im Weltraum von 1968 ein. Er zeigt das Innere des Raumschiffs „Discovery“ und die Astronauten David Bowman und Frank Poole, die sich über einen Tisch beugen. Darauf liegen zwei Menüteller und zwei Flachbild-Monitore. Wer das Science-Fiction-Epos sah, kennt das Video, das dort läuft: ein Interview der BBC mit Bowman, Poole und dem hyperintelligenten Bordcomputer HAL.

Foto aus "2001", mit dem sic Samsung verteidigte (Foto Samsung Electronics Co., Ltd.)

Das Foto, mit dem sich Samsung verteidigte (Foto Samsung Electronics Co., Ltd.)

Es gab also schon in den 1960er-Jahren Ideen für flache Anzeigengeräte, in deren Oberfläche ein Bildschirm saß. „2001“ machte die Ideen weltweit bekannt. Apple hatte eigentlich nichts Neues erfunden und gar kein Recht auf ein Patent – so dachte jedenfalls Samsung. Das Gericht sah es anders und verurteilte die Südkoreaner zu gut einer Milliarde Dollar Schadenersatz. Das Verfahren ist noch nicht beendet, doch wollen wir die Details des Prozesses überspringen und lieber untersuchen, wie der Tablet-Computer entstand.

Visionen von flachen Fernsehschirmen finden wir schon in den 1950er-Jahren in der amerikanischen Technikpresse. 1958 konstruierte William Ross Aiken eine funktionsfähige Bildröhre geringer Tiefe. 1964 wurde an der Universität des US-Bundesstaats Illinois das Plasma-Display erfunden. Im gleichen Jahr stellte das Forschungsinstitut RAND im kalifornischen Santa Monica das RAND-Tablet vor. Es wirkte äußerlich wie ein flacher Bildschirm, war aber ein frühes Schreib- und Grafiktablett.

Das RAND-Tablet aus dem Jahr 1964 (Foto ComputerHistory Museum)

Das RAND-Tablet von 1964  (Foto Computer History Museum)

Dann kam das Jahr 1966. Damals drehte Regisseur Stanley Kubrick in den MGM-Studios bei London „2001“. Der dritte Abschnitt spielt zwischen Erde und Jupiter im Raumschiff „Discovery“. Hier stoßen wir auf die ersten flachen Bildschirme der IT-Geschichte, die wohl mit Projektionstricks vorgetäuscht wurden. Vor der Szene mit dem BBC-Interview erschien eine Einstellung, in der Astronaut Poole auf seinem Tablet eine Zeitung liest. „2001“-Fans haben die schreckliche Katastrophe ermittelt, die dort berichtet wurde.

Ein Flachdisplay ist schon in einer Szene des zweiten Kapitels zu sehen. Es wird von drei Astronauten benutzt, die außerhalb der Mondbasis Clavius arbeiten. Die Szene griff der amerikanische Illustrator Robert McCall für ein 2001-Poster auf. Man findet sie außerdem auf der Hülle der Soundtrack-LP, die wir für unser Eingangsbild fotografiert haben. Auf hochaufgelösten Fotos der Tablets kann man unten rechts den Namen des Geräts lesen – IBM TELE PAD. Ein Silicon Valley gab es noch nicht.

Arthur C. Clarke im Jahr 2005

Arthur C. Clarke im Jahr 2005

Weitere Einzelheiten erzählte „2001“-Drehbuchautor Arthur C. Clarke im Roman zum Film. Der Tele Pad heißt hier Newspad und gehört dem Raumfahrtfunktionär Heywood Floyd. Er sitzt im Erde-Mond-Shuttle und holt sich die Schlagzeilen und Artikel der Weltpresse auf den Schirm. Um die Erde kreisende Nachrichtensatelliten strahlen sie ins All hinaus, wo sie das Raumschiff empfängt. Floyd muss nur ein Kabel in eine Buchse in der Kabinenwand stecken und die Daten herunterladen.

Der Film „2001“ wie auch der Roman kamen 1968 heraus. Im selben Jahr träumte ein amerikanischer Ingenieur von einem Computer, der die Tablets und Newspads der Utopie in die Realität überführt. Alan Kay wurde 1940 in Neuengland geboren und studierte in den späten Sechzigern an der Universität von Utah. Als Doktorarbeit entwickelte er den Desktop-Computer FLEX. 1970 ging er ans Forschungsinstitut PARC der Kopiererfirma Xerox, wo der moderne Personal Computer geboren wurde.

Alan Kay mit einem Modell des DynaBook

Alan Kay mit einem Modell des DynaBook (Foto Marcin Wichary, CC BY 2.0)

Kays Traum von 1968 wandelte sich in ein System KiddieKomp und danach in das DynaBook, das er 1972 beschrieb. Das DynaBook ist ein leicht zu bedienender tragbarer Rechner für alle Altersgruppen. Charakteristisch ist der flache Bildschirm mit Flüssigkristall-Anzeige über der Tastatur. In Inneren stecken ein Mikroprozessor – hier war Kay auf der Höhe der Zeit – und 16 Speicherchips zu je einem Kilobyte. Der Kaufpreis beträgt 500 Dollar. Natürlich kann man mit dem Rechner ins Netz gehen.

Das DynaBook zählt zu den großen visionären Konzepten der Informatik, wurde aber niemals in der Originalform realisiert. Das erste Tablet zum Anfassen war 1989 der GRiDPad der kalifornischen GRiD Systems Corporation. Er maß 29,2 × 23,6 × 3,7 cm, wog knapp fünf Pfund und hatte ein Display von 640 × 400 Pixel, auf das man schreiben konnte. Gefertigt wurde er bei Samsung in Südkorea. 1991 erschien das System 3125 von NCR auf dem Markt, eine Entwicklung der deutschen Tochterfirma des amerikanischen Unternehmens.

Der GRiDpad von GRiD Systems (Foto Computer History Museum)

Der GRiDPad von GRiD Systems (Foto Computer History Museum)

1992 kam der IBM 2521 ThinkPad alias Thinkpad 700 T heraus, womit sich die Voraussage aus „2001“ erfüllte. 1993 war das Geburtsjahr des kleinen Apple Newton Message Pad. Er schuf die Kategorie des persönlichen digitalen Assistenten oder PDA und kostete 699 Dollar. Im Inneren saß ein Prozessor aus England. Probleme mit der Handschriftenerkennung zu Beginn der Serie beschädigten ihren Ruf so sehr, dass sie 1998 eingestellt wurde.

Insgesamt verkaufte Apple 300.000 Message Pads. Etwa genauso viele Modelle konnte die Firma am 3. April 2010 vom iPad absetzen. Das war der erste Verkaufstag des ganz neuen Apple-Tablets, das den flachen Computer neu definierte. Vorgestellt hatte Apple-Chef Steve Jobs den iPad schon am 27. Januar 2010. Mit ihm wollen wir unsere Fahrt durch die IT-Geschichte beschließen.

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Foto: matt buchanan, CC BY 2.0

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