Als der WDR digital wurde

Geschrieben am 10.01.2025 von

Ab 1968 strahlten west- und ostdeutsche Fernsehsender mehrere Serien über Computer aus. Am 10. Januar 1975 startete im Dritten Programm des WDR die „Einführung in die Digitaltechnik“. Der 13 Teile umfassende Kurs brachte den Zuschauern die Grundlagen der Informatik nahe; das Begleitbuch und vier Folgen sind online. Chefautor und Moderator war der WDR-Redakteur Jean Pütz.

Die erste TV-Serie zur Informatik hieß Sieg der Computer; sie besaß vier Folgen und lief im Herbst 1968 im Dritten Programm des Bayerischen Rundfunks. Die nächste Serie startete am 10. Januar 1969 im WDR. Wir machen ein Programm wurde von dem Mathematiker Roland Fuchshuber moderiert, der Zugriff auf einen Univac-Rechner hatte. Sechs Tag später begann auch das DDR-Fernsehen mit einer Einführung in die EDV.

Der WDR kehrte genau sechs Jahre nach „Wir machen ein Programm“ zum Thema zurück. Am 10. Januar 1975 um 18.30 Uhr startete die erste Folge der „Einführung in die Digitaltechnik“. Sie dauerte knapp dreißig Minuten und zog zwölf weitere nach sich, die im Wochentakt gesendet wurden. Parallel dazu erschien im Düsseldorfer VDI-Verlag ein 426 Seiten starkes Begleitbuch; es lässt sich ohne Anmeldung im Internet Archive nachlesen. Der Herausgeber des Buchs hieß Jean Pütz, er war zugleich Urheber der Fernsehserie.

Geboren wurde Pütz am 21. September 1936 in Köln, er wuchs jedoch im luxemburgischen Grenzort Remich auf, der Heimat seiner Mutter. Die Ausbildung führte ihn nach chaotischen Kriegsjahren von Remich zur Handwerkerschule in der Hauptstadt Luxemburg; von dort ging es zur Ingenieurschule in Köln und schließlich zur Kölner Universität. Jean Pütz machte sein Staatsexamen und unterrichtete in den späten 1960er-Jahren Mathematik, Physik und Elektronik an einer Berufsschule. Er brachte es bis zum Oberstudienrat.

1969 entdeckte ihn der WDR-Hörfunkjournalist Klaus Jürgen Haller für das Fernsehen. Am 1. Januar 1970 bezog Pütz sein Büro in Köln, sein erstes Projekt war die dreizehnteilige Serie „Energie, die treibende Kraft“. Sie wurde filmisch realisiert; für seine nächsten Sendereihe erlernte Pütz das Moderieren im Studio. Die elf Folgen der „Einführung in die Elektronik“ kamen 1973 auf die Bildschirme. Das Begleitbuch mit 288 Seiten verkaufte sehr gut. Direkt danach drehte Pütz „Die Welt des Schalls“ mit sieben Folgen plus Begleitband. Inzwischen leitete er im Sender die Redaktion Naturwissenschaft und Technik.

Jean Pütz im Jahr 2013 (Foto Michael Schilling CC BY-SA 3.0)

1974 erstellte er für das erste Fernsehprogramm – die früheren Serien liefen im dritten – eine Sendung über optische Täuschungen und für den WDR einen Film über Albert Einstein. Im Sommer hatte er die Idee mit der Digitaltechnik, er stieß jedoch auf Widerstand. Jean Pütz: „Vor allem die Kulturschaffenden des Senders hatten dazu keinen Bezug und ließen es mich in ihrer erhabenen Allwissenheit auch spüren.“ Am Ende setzte er das Projekt durch, das ein Erfolg wurde. Hilfe leistete sein Assistent, der damals 31 Jahre alte Wolfgang Back.

Die „Einführung in die Digitaltechnik“ – im Vorspann hieß es „Digital-Technik“ – behandelte die Grundlagen der Informatik; sie ist wohl die älteste Serie ihrer Art, von der Einzelfolgen im Internet vorliegen. Die erste führte in die Thematik ein. Jean Pütz erläuterte mit Digitaluhr und Taschenrechner den tieferen Sinn des Digitalen – das galt damals noch als Modewort – und wechselte danach zu diversen technischen Einsätzen. Zu ihnen gehörten die recht seltenen Pneumatik- und Fluidik-Schaltungen.

Teil 2 widmete sich den Verknüpfungen der Aussagenlogik. Online erhalten sind außerdem Teil 10 über binäre Zähler und Teil 11 zur digitalen Informationsübertragung. Letzterer liefert Einblicke ins Rechenzentrum des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach; hier standen eine AEG-Telefunken-Anlage mit mehreren Sichtgeräten und eine Control Data CDC 3600. Folge 12 über numerisch gesteuerte Maschinen und Folge 13 zum Computerrechnen sind nicht online, ihre Inhalte lassen sich aber im Begleitbuch studieren.

Nach der Digitaltechnik erklärte Pütz Mikroprozessoren (1977), die Elektronik im Auto (1981) und Computer im Büro (1982). Unter seinen nicht-digitalen Schöpfungen ragt die Hobbythek hervor, die von 1974 bis 2004 lief und 345 Folgen zählte. 2001 trat er in den Ruhestand, 2004 verließ er endgültig den WDR; es schlossen sich noch zwei Jahre im ZDF an. Danach entwickelte er als Freiberufler die Pützmunter-Show. Heute betreibt er vor allem die Website jean-puetz.net. Wer noch mehr über ihn wissen möchte, sollte seine Memoiren erwerben.

Wir möchten zum Schluss noch auf den Tag des freien Eintritts am Sonntag hinweisen. Am 12. Januar ist erstmals der neue Bereich „Quantencomputer – Superrechner der nächsten Generation“ im zweiten Obergeschoss zu sehen. Die Türen des HNF öffnen sich um 10 Uhr.

Tags: , , , , , , , , , , , , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.