Sieg der Computer

Geschrieben am 26.09.2023 von

Ab 1951 traten Elektronenrechner im Fernsehen auf, vor allem in den Vereinigten Staaten. Die erste Fernsehserie über sie lief im Dritten Programm des Bayerischen Rundfunks. „Sieg der Computer“ umfasste vier Folgen von dreißig Minuten. Die erste mit dem Titel „Eine Welt aus 0 und 1“ wurde am 24. September 1968 ausgestrahlt. Moderator war Werner Büdeler.

1968 entdeckte die Bundesrepublik die elektronische Datenverarbeitung. Der Sommer brachte das Liedchen vom Computer Nr. 3 und den Namen Informatik für den akademischen Studiengang. Im Herbst erschien Knaurs Buch der Denkmaschinen von Walter R. Fuchs und wurde ein Bestseller. Zum Weihnachtsfest schließlich kam der Spielcomputer Logikus.

Drei Monate vorher, am 24. September 1968, gab es ein deutsches EDV-Ereignis, das heute ziemlich vergessen ist. Das Dritte Programm des Bayerischen Rundfunks – in München sagte man Studienprogramm – strahlte „Eine Welt aus 0 und 1“ aus, die erste Folge der Serie „Sieg der Computer“. Am 8. Oktober lief die zweite, „Fabriken ohne Menschen“, am 22. Oktober die dritte, „Die programmierte Gesellschaft“. Die vierte und letzte Folge „Befehle ins All“ war am 5. November zu sehen. Aufgezeichnet wurden die Sendungen bereits im August 1968; jede dauerte dreißig Minuten.

Fernsehberichte mit Computern gab es schon früh in den USA; dieser stellte im Dezember 1951 den Rechner Whirlwind vor. „Sieg der Computer“ war aber die wohl erste Fernsehserie über sie. Der Autor und Moderator hieß Werner Büdeler. Ältere Leser kennen ihn noch als Journalist und Schriftsteller mit den Schwerpunkten Raumfahrt und Astronomie; hier ist er in einer Sendung von 1981 zu sehen. Büdeler wurde am 20. Mai 1928 in Berlin geboren; in den 1960er-Jahren wohnte er in Vaterstetten bei München, wenn er sich nicht gerade in Amerika aufhielt. Sonst wissen wir über sein Leben wenig, er starb am 15. Juni 2004 in Überlingen.

Moderation mit Stil: Werner Büdeler im aufblasbaren italienischen Designer-Sessel „Blow“ (Foto BR-Archiv)

Die siegreichen Computer beschäftigten Werner Büdeler im Frühjahr und Sommer 1968. Die vier Folgen kombinierten Studio- und Außenaufnahmen, Interviews und Filme von externen Zulieferern, etwa Herstellerfirmen. Zu den Interviewpartnern zählten der Philosoph Max Bense, der Psychologe Otto Walter Haseloff, der Kybernetiker Karl Steinbuch und die zwei Computerpioniere Heinz Zemanek und Konrad Zuse. Außerdem erlebte man Werner Nestel von AEG-Telefunken, den Vater des deutschen UKW-Rundfunks, und Manfred Schreiber, den Münchner Polizeipräsidenten.

Die erste Folge begann mit einem Clip aus der Science-Fiction-Serie Raumpatrouille, der eine Szene mit verrückt gewordenen Robotern enthielt. In seiner Begrüßung wechselte Werner Büdeler schnell zu Sinn und Zweck seiner eigenen Serie: „Wir möchten Ihnen in dieser Sendereihe aufzeigen, was Computer wirklich sind, wie sie entstanden, wie sie arbeiten, wo sie angewendet werden und welches ihre Möglichkeiten und Grenzen sind.“ Die Startfolge bot also einen Überblick und eine allgemeine Einführung ins Thema.

Folge 2 ging auf konkrete Anwendungen ein, und ein „Programmiermädchen“ zeigte die Addition 1 + 1. Diese Szene ist wahrscheinlich im Bild unten festgehalten, das Mädchen – es steht rechts im Bild – könnte aber nur eine Pappkameradin gewesen sein. Die Inspiration war Miss Honeywell, eine Roboter-Imitatorin aus den USA. Die dritte Folge behandelte die Partnervermittlung sowie Flugbuchung, Verkehrssteuerung und Verbrechensbekämpfung. Gegen Ende traten sprechende, nachsprechende und singende Computer auf; ebenso wurden Lehrmaschinen erwähnt.

Werner Büdeler mit Miss Honeywell; hinter ihm das Foto einer frühen integrierten Schaltung. (Foto BR-Archiv)

Die vierte Folge befasste sich mit, wie man heute sagt, generativer Künstlicher Intelligenz, mit maschineller Kunst, Poesie und Musik. Das Thema bewegte schon vor 55 Jahren die Gemüter, und Büdeler fragte, ob ein Computer eine zehnte Symphonie von Beethoven schreiben könnte. Das „wahre Reich der Computer“ war aber für ihn die Wissenschaft und natürlich die Raumfahrt. Am Ende seiner Serie präsentierte er die kybernetischen Automaten Hinz und Kunz von Otto Walter Haseloff. Sie gelangten später ins Deutsche Museum und sind oben in unserem Eingangsbild zu sehen.

„Sieg der Computer“ zeigte 1968 den aktuellen Zustand der Informatik und deutete ihre Zukunft an; letztere hat Werner Büdeler noch selbst gesehen. Im Januar 1969 kamen zwei didaktische EDV-Serien auf die Bildschirme, eine vom WDR und eine vom Deutschen Fernsehfunk der DDR. Wir haben sie in unserem Blog behandelt. 1970 starteten gleich vier Dritte Programme eine „Einführung in die elektronische Datenverarbeitung“; der Bayerische Rundfunk mietete dazu eine IBM 360-25. Hiervon konnte Werner Büdeler 1968 nur träumen.

Wir bedanken uns beim Archiv des Deutschen Museums – es verwahrt den Nachlass von Werner Büdeler – für die Unterstützung unserer Recherche. Ein weiterer Dank geht an Sabine Ambros und das Historische Archiv des Bayerischen Rundfunks für die Fotos von 1968 und die Erlaubnis, sie im Blog zu verwenden. Vielleicht ist es möglich, einmal Ausschnitte aus dem „Sieg der Computer“ in die Retro-Mediathek zu bringen, sofern das Filmmaterial noch existiert.

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