Cogar System 4 – klein aber Computer
Geschrieben am 19.01.2021 von HNF
Die ersten Kleincomputer mit Mikroprozessoren kamen 1973 heraus. Schon vorher gab es Rechner beschränkter Größe, die vor allem zur Datenerfassung dienten. Am 18. Januar 1971 stellte der Amerikaner George Cogar das in seiner Firma entwickelte Cogar System 4 vor. Es besaß eine Tastatur, einen Monitor, ein Laufwerk für Magnetbänder sowie Chips zum Speichern von Daten.
„Die Cogar Corporation stellte heute das Cogar System 4 vor, ein Gerät für den Schreibtisch zur Dateneingabe und –verarbeitung mit einem Halbleiter-Speicher.“ Die Pressemitteilung wurde am 18. Januar 1971 veröffentlicht, natürlich von der im Text genannten Firma. Ihre Zentrale befand sich in der Kleinstadt Herkimer 270 Kilometer nördlich von New York.
Eine zweite Pressemeldung kündigte die Produktionsaufnahme des Systems 4 an. So trat vor fünfzig Jahren einer der ersten Kleincomputer in die Welt. Im Blog beschrieben wir schon das ganz ähnliche Datapoint 2200, das im Juni 1970 angezeigt und ab März 1971 an Kunden gelangte. Die Hersteller verkauften beide Anlagen nicht als eigenständige Digitalrechner, sondern als Peripheriegeräte zur Datenerfassung. Die Cogar Corporation erwähnte aber eine mögliche Nutzung als „stand-alone mini computer“.
George Cogar, der Gründer und Leiter der Firma, wurde am 14. Mai 1932 in Gassaway geboren. Der Ort liegt im US-Bundesstaat West Virginia, und seine Bewohner galten damals als Hinterwäldler oder Hillbillies. Cogar hatte elf Geschwister und verließ die High School 1949 ohne Abschluss. Die nächsten vier Jahre verbrachte er in der Air Force, wo er Elektronik und Radartechnik kennenlernte. Von 1954 bis 1958 arbeitete er für den Remington-Rand-Konzern in Philadelphia und St. Paul; dort wirkte er beim Bau der Computer UNIVAC II und LARC mit.
Nach einem Jahr in der Firma Philco kehrte er wieder zu Remington Rand zurück. Nun half er beim Bau des UNIVAC III und leitete die Entwicklung des Lochkarten-Rechners UNIVAC 1004. Er kam 1962 auf den Markt; insgesamt setzte die Firma 8.000 Stück ab. Cogar suchte sich aber eine neue Herausforderung. 1964 gründete er mit zwei UNIVAC-Kollegen die Mohawk Data Sciences Corporation in Herkimer. 1965 fertigte sie den DATA RECORDER, der Inputs auf Magnetband aufnahm. Er war an IBM-Computer anschließbar und ein Riesenerfolg.
George Cogar zerstritt sich dann mit seinen Kollegen und gründete Anfang 1968 ein neues Unternehmen, Cogar Informations Systems. Ab 1969 hieß es Cogar Corporation. Neben der Zentrale in Herkimer besaß die Firma zwei Fabriken. Eine fertigte Speicherschränke für IBM-360-Computer. Sie fassten in der Grundausführung 262 Kilobyte und ließen sich bis zu einem Megabyte erweitern. Der Cogar 70 enthielt Halbleiter-Elemente, also Speicherchips; er war allerdings nicht billig und kostete 297.000 Dollar oder 6.450 Dollar Monatsmiete.
Der Speicherschrank war ab August 1970 erhältlich. Am 18. Januar 1971 enthüllte George Cogar das Produkt seiner zweiten Fabrik, das erwähnte Cogar System 4. Der 47 Zentimeter breite und 15 Zentimeter hohe Desktop-Computer sammelte die eingetippten Daten auf zwei Magnetbändern. Der Prozessor griff auf einen Halbleiter-Speicher von sechzehn Kilobyte zu; der Monitor zeigte vier oder acht Zeilen mit 32 Zeichen an. Der Cogar diente hauptsächlich zur Datenerfassung, war aber vielseitig verwendbar, zum Beispiel als Großrechner-Terminal. Er ließ sich auch übers Telefon vernetzen.
In den folgenden fünf Jahren setzte Cogar über 6.000 Systeme ab. 1975 übernahm die Singer Corporation – bei uns kennt man ihre Nähmaschinen – die Firma; das System 4 wurde zum Singer 1500. Zudem entstand das Modell Singer 1501. Der englische ICL-Konzern erwarb 1976 die Büromaschinensparte von Singer; die Kleinrechner hießen jetzt ICL 1500 und ICL 1501. Das Produktionsende ist unbekannt. ICL-1501-Modelle besitzen das Computermuseum der Universität Stuttgart und das im Aufbau begriffenen Computeum in Vilshofen.
Einen echten Cogar zeigt das Computermuseum der Fachhochschule Kiel; wir bedanken uns herzlich für das Foto, das ganz oben zu sehen ist. George Cogar starb wahrscheinlich am 2. September 1983 beim Absturz eines Propellerflugzeugs in der kanadischen Wildnis. Sein Schicksal bleibt ungeklärt, da das Wrack der Maschine nie gefunden wurde. Über sein Leben und Werk berichtet eine Internetseite; auf Facebook gibt es einen zu Herzen gehender Film mit ihm, der wohl in den frühen 1970er-Jahren entstand. Er erscheint darin bei Minute 1:10.
Die ICL1501/43 Variante hatte bis zu 64K Speicher und unterstützte sogar Diablo Wechselplatten-laufwerke.
Falls jemand einige dieser spezielle Tape-cartridges braucht zur Restauration seiner Cogar oder ICL gebe ich gerne welche ab.
Ein faszinierendes Artefakt an der Übergangsphase von Großrechner Terminal zu Personal Computer. Das Einsatzfeld der Datenerfassung zeigt aber vor allem den Horizont der damaligen Ingenieure, die dieses eben noch nicht als eigenständig erachten. Bei der Beschreibung, aber auch bei der Patentskizze des Data Recorders kommt mir Nikolaus Lehmanns D4 a in den Kopf, der ja seinerzeit durch aus alleinstehend gedacht war.