Das Wissenshaus des Internet
Geschrieben am 11.05.2021 von HNF
Am 12. Mai 1996 starteten der Informatiker Brewster Kahle und sein Geschäftspartner Bruce Gilliat ein Projekt zum Datensammeln. Programme wanderten durchs World Wide Web und schickten Internet-Seiten an Computer in San Francisco. Die Datenbank war 2001 die Basis einer neuen Website, der „Wayback Machine“. Aus ihr entstand ein riesiges Archiv für digitale Medien aller Art.
Es steht im Nordwesten von San Francisco und sieht aus wie ein antiker Tempel. Das Gebäude – wir sehen es oben – ist knapp hundert Jahre alt und diente lange als Kirche für eine amerikanische Glaubensgemeinde, die Christliche Wissenschaft. Seit 2009 beherbergt es das Internet Archive, eine der größten Wissenssammlungen der Erde. Am 12. Mai feiert sie den 25. Geburtstag.
Der Vater des Archivs heißt Brewster Kahle. 1960 wurde er als Sohn eines Ingenieurs in New York geboren und wuchs im weiter nördlich gelegenen Ort Scarsdale auf. Er absolvierte die High School und studierte Informatik am Massachusetts Institute of Technology; 1982 erwarb er den Bachelor-Grad. Danach schloss er sich dem Team an, das die Connection Machine entwickelte, einen Hochleistungsrechner mit Parallelverarbeitung. Kahle entwickelte für ihn eine Software, die Datenbanken im damaligen Internet durchsuchte.
1992 gründete Brewster Kahle zusammen mit Bruce Gilliat – über ihn wissen wir nur wenig – eine Firma in San Francisco, die jene Software vermarktete. Drei Jahre später verkauften sie das Unternehmen ans Netzwerk AOL. 1996 starteten die beiden die Firma Alexa Internet. Ihre Software analysierte das Verhalten der Nutzer im World Wide Web und gab Tipps zum Internet-Surfen; der Aufruf erfolgt über das „What’s Related“-Feld im Browser. Der SPIEGEL entdeckte das Tool im September 1998, die Wirtschaftswoche im März 1999.
Wenig später wurde das Unternehmen an Amazon verkauft; Bruce Gilliat ging als Chef mit. Brewster Kahle leitete zu diesem Zeitpunkt bereits das Internet Archive. Ursprünglich war es ein Nebenprodukt der Firma Alexa und begann am 12. Mai 1996 den Dienst. Die Ratschläge der Alexa-Software basierten auf Programmen, die durch das World Wide Web wanderten und Seiten durchleuchteten. Es lag nahe, diese auch zu kopieren und in einer Datenbank zu speichern. So wurden Auszüge aus dem Netz für künftige Generationen aufbewahrt.
Die Computer des Internet Archive liefen in einem Haus im Presidio-Park, einem früheren Militärgelände im Norden San Franciscos nahe der Golden Gate Bridge. Im Oktober 1996 entstand dort ein Video: Brewster Kahle ist der junge Mann mit krausem Haar. Ab Minute 33:30 erklärt er die Prinzipien des Archivs. Wir hören auch schon den Ausdruck „Wayback Machine“, was so viel wie Zeitmaschine heißt. Im März 1997 erläuterte Kahle das Konzept im Scientific American. Eine zwei Terabyte – das sind 2.000 Gigabyte – starke Kopie der bis dahin gesammelten Seiten schenkte er der Kongressbibliothek in Washington.
Im März 2000 schilderte die Computerwoche das Internet Archive. Mittlerweile umfasste es eine Milliarde Seiten oder 13,8 Terabyte; dazu kamen 600 Gigabyte aus Newsgroups und 50 Gigabyte von FTP-Servern. Im November 2001 öffnete Brewster Kahle seine Zeitmaschine allen Internet-Usern. Der SPIEGEL erklärte die Freischaltung zum Highlight des Jahres in der Cyberwelt – bitte etwas scrollen. Die „100 Terrabyte“ (sic!) sah das Magazin als die größte Datenbank der Welt an. 2006 nahmen auch die Juristen vom Archiv Notiz.
Das war vor fünfzehn Jahren. 25 Jahre nach dem Start speichert das Internet Archive 475 Milliarden Websites, 28 Millionen Bücher und Texte, 14 Millionen Filme, sechs Millionen Tonaufzeichnungen, dreieinhalb Millionen Bilder und 580.000 Programme, darunter viele Computerspiele. Das ergibt mehr als 45 Petabyte; ein Petabyte entsprich 1.000 Tera- und einer Million Gigabyte. Dies ist zwar nur ein Bruchteil der Datenmenge von Google, aber Brewster Kahle wurde 2012 zu Recht in die Ruhmeshalle des Internet aufgenommen. Hier ist noch eine Video-Einführung in die Schätze des Archivs..