Der PC von Siemens
Geschrieben am 21.02.2023 von HNF
Er war nicht der erste Personal Computer aus Deutschland, aber der erste, der in die Klasse des IBM PC fiel. Der Siemens PC-X rechnete 1982 mit einem Unix-artigen Betriebssystem; zwei Jahre später kam das Modell PC-D mit MS-DOS. Der Computer war fürs Büro gedacht, er besaß einen relativ großen Arbeitsspeicher und auf Wunsch eine Festplatte.
Am 22. Juni 1985 wurde Konrad Zuse 75 Jahre alt. Zum Geburtstag schenkte ihm die Firma Siemens – wer könnte es ihr übelnehmen – einen Computer, einen Siemens PC-D. Zuse hat ihn aber wohl nie benutzt, kurz vorher sagte er in einem SPIEGEL-Interview: „Ich selbst brauche auch keinen Computer.“
Wir möchten dennoch näher auf den PC-D eingehen. Er war nicht der erste Kleinrechner der Siemens AG. 1979 brachte sie zwei von ihnen heraus, den PC 100 und den „Bildschirm-Computer“ Siemens 6610. Der bildschirmlose PC 100 – wir schilderten ihn schon im Blog – basierte auf dem amerikanischen Rockwell AIM 65. Der 6610 entsprang der Kooperation mit dem norwegischen Hersteller Tandberg; er kostete 22.250 DM und leitete eine ganze Familie von Bürocomputern ein. Beide Systeme enthielten Mikroprozessoren für acht Bit.
1982 erschien der PC-X. Er war eine Siemens-Eigenproduktion und baugleich zum PC-D. Er verwendete den neuen Sechzehn-Bit-Prozessor Intel 80186 und besaß eine Taktrate von acht Megahertz; der Arbeitsspeicher ging von 128 Kilobyte bis ein Megabyte. Der Monitor zeigte 640 mal 350 Pixel an. Für größere Datenmengen standen zwei Diskettenlaufwerke oder ein Laufwerk und eine Festplatte zur Verfügung. Die Fünfeinviertel-Zoll-Scheiben fassten 720 Kilobyte; die Festplatte nahm zehn Megabyte auf.
Als Betriebssystem diente Sinix, ein Unix-Abkömmling von Siemens. Vielleicht wegen des Erfolgs des IBM PC brachte das Unternehmen 1984 den PC-D heraus; sein Betriebssystem hieß MS-DOS und kam von Microsoft. Besonders kompatibel zu anderen MS-DOS-Systemen war der PC-D aber nicht. Die Grundausführung kostete 9.390 DM; für das speicherstärkste Modell musste man 17.990 DM zahlen. Programme waren separat zu erwerben, etwa für 1.280 DM Microsoft Word oder die Datenbank dBase II für 1.350 DM. Auch COBOL und BASIC rechnete Siemens jeweils getrennt ab.
Anfang 1985 bot die Firma ein Modul für Teletex an, die Weiterentwicklung des Fernschreib-Dienstes. Sie schlug mit 6.650 DM zu Buche. Es ist kaum anzunehmen, dass der PC-D von Hackern oder für Spiele genutzt wurde; die Siemens-Werbung zeigte den Handwerksmeister, der dank seines Computers früher Feierabend machen kann. Überliefert sind Einsätze in einem Computerkurs für Frauen in Hamburg, in der Wirtschaftsschule Dinkelsbühl, im PC-Saal der Universität Marburg und in der Hauptschule von Neumarkt-Sankt Veit in Bayern.
Ende 1985 konnten PC-D-User ihr Gerät mit einer Maus bedienen. Möglich machte es die Software GEM der US-Firma Digital Research. Sie zauberte ein grafisches Menü auf den Monitor und brachte Digital Research prompt eine Klage von Apple ein. Wir wissen nicht, wie viele Personal Computer die Siemens AG in den 1980er-Jahren absetzte. Auf YouTube fanden wir genau einen PC-X und einen einzigen PC-D; das lässt vielleicht Rückschlüsse auf ihre Verbreitung zu. Ein Exemplar gelangte – siehe Eingangsbild – in das Depot des HNF.
Nicht vergessen sei der Designpreis, den der PC-D 1986 erhielt. Im gleichen Jahr endete die Fertigung; es folgte der PCD-2. Schon 1983 brachte Siemens einen weiteren Sechzehn-Bit-Rechner heraus, den PC 16-10. Sein Betriebssystem trug den Namen CP/M-86; es stammte ebenfalls von Digital Research. 1990 wurde der letzte Mikrocomputer mit einem Siemens-Label ausgeliefert. Den Grund kann man sich denken: In jenem Jahr fusionierte die Computerabteilung des Unternehmens mit der Nixdorf Computer AG, und ihre Produkte erhielten alle neue Schildchen mit zwei Namen.
So ganz exact ist die Auflistung nicht. Es gab von Siemens einige weitere Eigenentwicklungen vorher (z.B. 9753). Auch war der Rechner nicht nur (und anders als vermerkt) voll MS-DOS Kompatibel, sondern auch 100% BIOS-Kompatibel. Die Festplatte hatte 13 MB. Auch war der PC-D der zeitweise meistverkaufte PC in Europa. Ziel waren weniger individual-Anwender sondern Institutionelle. Der Unterschied zum PX-X war nicht nur das Betriebssystem, sondern auch die beim PC-D nicht mehr vorhandene MMU. Neben GEM gab es auch Windows, welche auf dem Gestochen scharfen Bildschirm eine gute Figur machte. Überhaupt bot Microsoft die ganze Palette an Produkten für den PC-D an – lohnte sich damals wie heute 🙂 Parallel zum PCD-2 kam noch der PC-D Redesign, welcher für mehr als 2 Jahre gleichzeitig verkauft wurde – institutionelle Anwender wechseln halt nicht alle Halblang die Hardwareauswahl. Nicht zu vergessen, dass für manche Anwendungen der kleinere Speicher des AT-kompatiblen PCD-2 nicht reichte. Die PC-16 Serie war nicht als Arbeitsplatzrechner für den allgemeinen Verkauf gedacht, sondern als Teil von Steuerungsanlagen.
Konrad Zuses Siemens PC stand im Wohnzimmer – demonstrativ ? – soweit wie möglich entfernt von seinem Plüschsessel. Ihn bediene nur seine Tochter für die erforderliche Korrespondenz, erklärte Zuse. Er habe seinen Teil zur Computer-entwicklung beigetragen.
Siemens schenkte Konrad Zuse nicht nur einen PC. Was weitgehend unbekannt ist: Siemens zahlte dem Miterfinder des Computers auch eine Art „Ehrensold“ in Anerkennung um seine epochale Leistung.
Im Beitrag wird eine Siemens Werbung erwähnt, die einen Handwerksmeister zeigen soll. Leider fehlt hier der Link. Ist dieser vergessen worden?
Das Bild folgt per Mail.
Als frisch diplomierter franzoesischer Ingénieur ging ich 1985 zu Siemens in Muenchen Hoffmanstrasse, in der Abteilung wo der neuer PCD vertrieben war. Herr Hallauer leitete damals diese Abteilung Herr Schrem war ihm untergeordnet und Herr Potdevin war mein teamleiter. Es waren Zeiten ! Danke fuer diesen Blog !!!!