Die Geburt des Mikrochips

Geschrieben am 18.01.2019 von

2017 stellten wir die „Treulosen Acht“ vor. So wurden die acht Forscher genannt, die 1957 die Elektronikfirma Fairchild Semiconductor gründeten. Sie saß im kalifonischen Palo Alto und fertigte Anfang 1958 ihr erstes Produkt, einen Silizium-Transistor. Am 23. Januar 1959 skizzierte der technische Direktor Robert Noyce eine elektrische Schaltung mit Silizium. Daraus wurde dann der Mikrochip.

Manchmal ist es schwer zu sagen, wer der „Erste“ war. Am 15. April 1949 meldete Siemens-Physiker Werner Jacobi einen Halbleiterverstärker zum Patent an. Es wurde 1952 mit Nummer 833.366 gewährt. Es enthielt nur eine halbe Seite Text und ein Bild, doch beschrieb schon eine integrierte Schaltung. Dabei werden in einem Träger – Jacobi dachte vermutlich an Germanium – elektrische Verbindungen eingesetzt und ein Schaltkreis geschaffen.

Aber erhielt nicht Jack Kilby den Nobelpreis für die Erfindung der integrierten Schaltung? Der amerikanische Ingenieur entwickelte eine solche im Sommer 1958; am 12. September des Jahres führte er sie in der Firma Texas Instruments vor. Sie vereinte auf einem Germanium-Kristall elektrische Widerstände sowie einen Transistor und einen Kondensator; die beiden Bauelemente entstanden durch einen Ätzvorgang. Ein Schönheitsfehler war, dass der Schaltkreis feine Golddrähte für die elektrischen Leitungen benötigte.

Integrierte Schaltung von Werner Jacobi (Patentzeichnung). Die Zahlen geben Abstände in Millimetern an. Die fünf Paare stehen für die Anschlüsse von Transistoren.

Als Kilby an seiner Schaltung bastelte, fertigte in Kalifornien eine junge Firma ihr erstes Halbleiter-Produkt. Fairchild Semiconductor startete am 1. Oktober 1957 in Palo Alto; ihre Gründer waren acht Ingenieure und Wissenschaftler. Sie hatten zuvor beim Transistorpionier William Shockley gearbeitet; nach ihrem Abschied gingen sie als die Treulosen Acht in die Technikgeschichte ein. Zu ihnen gehörten der Chemiker Gordon Moore, der später das nach ihm benannte Gesetz schuf, und der Physiker Robert Noyce. Er wurde technischer Direktor.

Der erste Auftrag für die Firma kam Anfang 1958 von IBM. Fairchild Semiconductor lieferte dem Computerhersteller hundert Transistoren zum Stückpreis von 150 Dollar. Ab August 1958 bot die Firma sie auf dem freien Markt und zum Lizenzbau an. Die beiden Fairchild-Modelle 2N696 und 2N697 gehörten zu den Mesatransistoren; dabei erhebt sich ein Siliziumscheibchen wie ein winziger Tafelberg über den Sockel. Im Silizium werden durch Zufuhr von Fremdatomen, Dotierung genannt, übereinander liegende Schichten erzeugt.

So begann Robert Noyce am 23. Januar 1959 die Eintragung in sein Notizbuch.  (Foto Computer History Museum)

Schon am 1. Dezember 1957 hatte Fairchild-Forscher Jean Hoerni, ein gebürtiger Schweizer, einen zweiten Halbleiter-Typ in seinem Laborbuch beschrieben. Beim Planartransistor liegen die Siliziumschichten wie Teller ineinander und werden mit Siliziumdioxid abgedeckt. Robert Noyce las Hoernis Niederschrft am selben Tag und setze „Read and understood“ hinzu – gelesen und verstanden. Danach passierte eine Weile wenig. Am 14. Januar 1959 trafen sich Noyce, Hoerni und ein Patentanwalt und besprachen eine Patentanmeldung.

Neun Tage später holte Noyce sein eigenes Notizbuch hervor und trug einen Geistesblitz ein. Die Überschrift lautete „Methoden zur Isolation unterschiedlicher Bauelemente“. Der Text füllte viereinhalb Seiten und erweiterte das Konzept von Jean Hoerni von einem Transistor auf einen Schaltkreis: „Bei vielen Anwendungen wäre es wünschenswert, unterschiedliche Bauelemente auf einem einzigen Stück Silizium unterzubringen, um im Herstellungsprozess die Elemente miteinander zu verbinden und Größe, Gewicht etc. und Kosten pro aktives Element zu senken.“

Integrierte Schaltung aus dem Patent von Robert Noyce, angemeldet am 30. Juli 1959. Unten ist ein Querschnitt durch das Silizium mit unterschiedlichen Dotierungen.

Als Beispiel führte Noyce den Volladdierer an: Die Schaltung bildet die Summe zweier Dualzahlen und eines Übertrags. Die erforderlichen Elemente brachte er nebeneinander auf dem Siliziumkristall unter; die Verbindungen dazwischen entstanden durch Aufdampfen von metallischen Leitern. Nach der Niederschrift legte Robert Noyce sein Notizbuch beiseite und konzentrierte sich auf andere Aufgaben. Im März 1959 verkündete Texas Instruments die von Jack Kilby entwickelte integrierte Schaltung – damals hieß sie noch „Festkörperschaltung“.

Mit anderen Worten: Kilby und Noyce kamen unabhängig voneinander und mit einem halben Jahr Abstand auf die Grundlagenerfindung der digitalen Elektronik. Das führte zu einem jahrelangen Patentstreit zwischen Texas Instrument und Fairchild. Unabhängig davon brachten beide Firmen marktreife Modelle heraus. Die Texaner schafften es im März 1960 mit einer Flipflop-Schaltung, die Kalifornier zogen 1961 nach. Gegen die Siliziumtechnik von Fairchild hatten die Golddrähte aus Texas aber keine Chance, sodass Texas Instruments das planare Fertigungsverfahren übernahm.

Im Frühjahr 1961 kam der Flipflop „Typ F“ als erste integrierte Schaltung von Fairchild Semiconductor heraus. (Foto Computer History Museum)

In den 1960er-Jahren entstanden so die Mikrochips, wie wir sie kennen. In jenem Jahrzehnt landeten Menschen im Rahmen des Apollo-Projekts auf dem Mond. Die integrierten Schaltungen im Computer der Landefähre und der Apollo-Kapsel kamen von Fairchild, die Fertigung der Chips erfolgte aber in Lizenz bei der Firma Philco. Unser Eingangsbild stammt vom Computer History Museum und zeigt Robert Noyce. Hier geht es zum Notizbuch – Achtung, dicke Datei! Seine Eintragung vom 23. Januar 1959 beginnt auf PDF-Seite 74.

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Ein Kommentar auf “Die Geburt des Mikrochips”

  1. Ulrich Klotz sagt:

    Übrigens war gestern etwas zu William Shockley in dieser arte Sendung – er scheint auf seine alten Tage ziemlich daneben gewesen zu sein:
    Das Rätsel unserer Intelligenz https://www.arte.tv/de/videos/057414-001-A/das-raetsel-unserer-intelligenz/

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