Happy Birthday, W3C !

Geschrieben am 01.10.2019 von

Der letzte von mehreren Starttagen des World Wide Web war der 1. Oktober 1994. An jenem Datum wurde das World Wide Web Consortium W3C gegründet; es regelt die technischen Standards. Das W3C sitzt im Massachusetts Institute of Technology, der Leiter ist WWW-Erfinder Sir Tim Berners-Lee. In Berlin ist das Büro für Deutschland und Österreich.

Am 30. April 1993 wurde das World Wide Web gemeinfrei. Das CERN in Genf, der Geburtsort des Netzes, gab die gesamte Software frei. In der Erklärung des Atomforschungszentrums hieß es gegen Ende: „CERN gibt alle geistigen Eigentumsrechte an dem Code auf, sowohl als Quelltext als auch in binärer Form, und erlaubt jedem, ihn zu nutzen, zu kopieren, zu modifizieren und weiterzugeben.“ Das Web gehörte jetzt wirklich der weiten Welt.

Das Netz wuchs, und es wuchs schnell. Im Sommer 1991 hatte die Adresse info.cern.ch hundert Zugriffe pro Tag, ein Jahr später tausend. Im Sommer 1993 zählte WWW-Erfinder Tim Berners-Lee täglich 10.000 Besuche. Er sah, dass sein Geschöpf eine Organisation benötigt, die seine technische Weiterentwicklung in geregelten Bahnen hält. Im Juli des Jahres sprach er darüber in Zürich mit dem griechisch-amerikanischen Informatiker Michael Dertouzos. Der leitete seit 1974 das Informatik-Labors LCS des Massachusetts Institute of Technology.

Schlussrunde der großen Web-Konferenz 1994 im CERN, im hellen Hemd Tim Berners-Lee. Links von ihm sitzt sein Kollege Robert Cailliau. (Foto CERN)

Im August 1993 trafen sich 25 Netzpioniere auf Einladung des Fachverlags O’Reilly in der Nähe des MIT. Die prominentesten nach Tim Berners-Lee waren die Entwickler des Browsers Mosaic, des späteren Netscape Navigator. Berners-Lee leitete ein Brainstorming und nahm viele Ideen mit nach Genf. Weitere Inputs lieferte ein CERN-Besuch von Mitarbeitern der Firma Digital Equipment; zu ihnen gehörte Alan Kotok, der Vater des Rechners PDP-10. Die DEC-Gruppe äußerte den Wunsch nach einer Kontrollinstanz für das World Wide Web.

Im Februar 1994 flog Tim Berners-Lee in die USA und führte weitere Gespräche mit Michael Dertouzos. Langsam wurde die Idee eines WWW-Konsortiums konkret. Vom 25. bis 27. Mai 1994 fand aber zunächst die erste internationale Konferenz zum World Wide Web statt. 380 Interessierte drängten sich in den Hörsaal des CERN und sahen 49 Präsentationen; dazu kamen elf Seminare. Einige Vorträge liegen als Videos vor. Natürlich sprach auch Berners-Lee; am Ende seines Referats deutete er eine W3 Organization aus MIT und CERN an.

Festlicher Abschluss war eine Dampferfahrt über den Genfer See mit der Jazzband Wolfgang and the Werewolves. Die Musik, die Aufbruchstimmung und die simple Tatsache, dass sich Menschen statt Mailadressen trafen, machten die Konferenz zum Woodstock des Web. Anderthalb Monate später klingelte bei Tim Berners-Lee das Telefon. Der Anrufer saß im MIT; er wollte wissen, wann der Forscher als Direktor des WWW-Konsortiums anfangen könnte. Berners-Lee nannte den September. Mitte Juli verschickte das MIT eine Pressemeldung.

Start des Berliner W3C-Büros 2011. Von links Michel Cosnard (ERCIM), Wolfgang Wahlster und Felix Sasaki (DFKI), Jeff Jaffe (W3C) und Andreas Goerdeler (Bundeswirtschaftsministerium). Foto Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz

Tim Berners-Lee zog dann mit seiner Familie nach Amerika; mit ihm an der Spitze nahm das World Wide Web Consortium W3C am 1. Oktober 1994 den Dienst auf. Das Büro befand und befindet sich im Massachusetts Institute of Technology. Im Video von 1995 sehen wir Tim Berners-Lee am Arbeitsplatz – bitte zu Minute 46:30 gehen. Die Belegschaft des W3C verteilt sich über das MIT und die Partner des Konsortiums. 2019 sind es 63 Köpfe; unser Eingangsbild (Foto W3C) zeigt das Kernteam 2007. Der Chef kniet in der ersten Reihe.

Die zunächst geplante Kooperation mit dem CERN zerschlug sich. Europäisches Standbein des W3C war von 1995 bis 2002 das französische Informatik-Institut INRIA, Nachfolger wurde die Forschungsgemeinschaft ERCIM. Der Partner in Asien ist seit 1996 die japanische Keio-Universität. Daneben gibt es einige W3C-Regionalbüros. Das in Berlin betreut Deutschland und Österreich; es sitzt an der Spree im Gebäude des DFKI. Am wichtigsten sind aber die zurzeit 452 Mitglieder des Konsortiums. Das können Firmen, Organisationen, Hochschulen oder Forschungsinstitute sein.

Das World Wide Web Consortium erlässt keine Gesetze, es gibt nur Empfehlungen. Im Laufe seiner Geschichte kam es hin und wieder zu Kontroversen; so trat 2017 die amerikanische Electronic Frontier Foundation im Streit um eine Web-Sprache aus, und das W3C erntete den österreichischen Big-Brother-Preis. Alles in allem hat es sich aber um das Netz verdient gemacht, und wir gratulieren zum 25. Geburtstag. Hier ist ein Zeitstrahl über die ersten zehn Jahre des Verbands; das benutzte Grafikformat PNG verkündete er im Oktober 1996.

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