Jean Paul und die Technik
Geschrieben am 14.11.2025 von HNF
Geboren wurde er als Johann Paul Friedrich Richter, als Jean Paul stieg er zu einem Star der Romanliteratur auf. Er starb am 14. November 1825 in Bayreuth. In jungen Jahren schrieb er Satiren, die 1789 unter dem Titel „Auswahl aus des Teufels Papieren“ im Druck erschienen. Darin nahm er auch die damaligen Automaten aufs Korn.
„Unterthänigste Vorstellung unser, der sämtlichen Spieler und redenden Damen in Europa entgegen und wider die Einführung der kempelischen Spiel- und Sprachmaschinen.“ So lautete der Titel eines dreißigseitigen Textes, der im Jahr 1789 herauskam; er war die erste literarische Arbeit über das, was heute Informatik heißt. Der Autor gab sich als J. P. F. Hasus und bereits verstorben aus, tatsächlich steckte hinter dem Namen der junge und noch sehr erfolglose Schriftsteller Johann Paul Friedrich Richter.
Am 21. März 1763 wurde er als Sohn eines Pfarrers in Wunsiedel geboren. Er wuchs in verschiedenen Orten Oberfrankens auf, besuchte das Gymnasium in Hof und studierte in Leipzig. Richter schrieb Satiren und das Buch „Die unsichtbare Loge“, wo er den Alias Jean Paul einführte. Den Durchbruch brachte 1795 der Roman „Hesperus“. Er avancierte zu einem beliebten und zugleich umstrittenen Prosa-Autor. 1804 zog Jean Paul nach Bayreuth, wo er am 14. November 1825 starb. Das ist eine kurze und das eine lange Biografie.

Jean Paul 1798 (Foto Gleimhaus CC BY-NC-SA 3.0 unten beschnitten)
1784 lebte Richter in Leipzig. Zur Leipziger Messe im September empfing die Stadt einen Prominenten, den österreichischen Staatsbeamten Wolfgang von Kempelen. Mit ihm reisten der berühmte Schachtürke und eine etwas kleinere Sprechmaschine. Unser Eingangsbild zeigt einen Nachbau aus der Hand des Kempelen-Experten Fabian Brackhane. Die Maschine war kein Betrug, man konnte sie mit etwas Übung zum Reden bringen. Von Kempelen führte seine Geräte sicher vor. Hat Richter sie live erlebt? Das wissen wir leider nicht.
Bekannt ist nur, dass Richter pleite war – was gegen den Besuch einer Vorführung spricht – und im November 1784 vor seinen Gläubigern aus Leipzig floh. Von Kempelens Schöpfungen gingen ihm aber nicht aus dem Kopf. 1785 erwähnte er den Schachtürken in dem Aufsatz Menschen sind Maschinen der Engel. 240 Jahre später erinnert diese Schrift an heutige Spekulationen einer uns digital vorgetäuschten Welt. Außerdem saß Richter an satirischen Texten. Sie erschienen im Mai 1789 als Auswahl aus des Teufels Papieren in Gera.
In der Sammlung befand sich die oben erwähnte Unterthänigste Vorstellung. Sie zeichnet eine Welt, die von Sprech- und Spielmaschinen überschwemmt wird; dabei dachte Richter auch an kartenspielende Automaten. Der Ursprung dieser Idee ist rätselhaft. Der Türke konnte mit Hilfe einer Buchstabentafel Fragen beantworten, aber nicht mit Pik und Ass umgehen. Zu Beginn seiner Satire führte Richter Beispiele der frühen Automatisierung an wie den Bandwebstuhl oder die gerade in England erfundene Spinnmaschine.
Am Ende fragte der Autor Herrn von Kempelen, ob er nicht besser „mit Denkmaschinen zum Vorschein gekommen wäre: denn da nur sehr wenige Profession vom Denken machen, so hätt‘ er geringes oder kein Unheil anrichten können, da zumal die wenigen, die durch die Nebenbuhlerei der Denkmaschinen verhungert zu seyn geschienen hätten, sicher auch ohne diese Hungers gestorben wären.“ Das war die erste Erwähnung einer intelligenten Maschine im technischen Sinne und des Jobverlustes durch den Einsatz von solchen Maschinen.
Das vorletzte Papier des Teufels, Der Maschinen-Mann nebst seinen Eigenschaften, ist das Portrait eines Technikfreaks. Er hat eine Rechen-, eine Sprech- und eine Kaumaschine, ein vollautomatisches Schlafzimmer und ein ebensolches Barometer. Musik komponiert er mit Würfeln und lässt sie von Automatenpuppen aufführen – Richter nannte die Hersteller Vaucanson und Jaquet-Droz. Die Satire wandte sich an die Bewohner des Planeten Saturn; von ihnen wusste er vermutlich durch die Erzählung Mikromegas seines Kollegen Voltaire.
Auch Jean Paul schrieb Science-Fiction: Dr. Katzenberger war 1809 vor Dr. Frankenstein der erste verrückte Wissenschaftler. Er interessierte sich ebenso für Aeronautik: 1801 erschien Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch. Heute kann man in Bayreuth das Jean-Paul-Museum besuchen, zum 200. Todestag gibt es diverse Veranstaltungen. Uns gefiel der Film, den der Bayerische Rundfunk 1963 zum 200. Geburtstag in seiner Heimat drehte. Denkt man die Autos weg, dann sahen die Örtlichkeiten damals noch so aus wie zu Jean Pauls Zeiten.


