tic-tac-toe

Kreis oder Kreuz

Geschrieben am 30.09.2025 von

Die Römer nannten es Terni Lapilli, zu deutsch drei Steinchen. Wir sagen heute Tic-Tac-Toe; ein naher Verwandter ist das Mühlespiel mit neun Feldern. Es geht stets darum, drei Figuren in eine Reihe zu bringen. Schon 1878 baute der Student Frank Freeland in Philadelphia einen Tic-Tac-Toe-Automaten. Er war die erste Maschine mit einer rudimentären Künstlichen Intelligenz.

Die Leser unseres Blogs wissen es: Die Idee der Künstlichen Intelligenz kam von Wolfgang von Kempelen 1769 im alten Österreich. Der Beweis ist die Kopie seines Schachtürken im HNF. Realisiert hat von Kempelen die KI damals noch nicht; im Automaten saß ein Mensch und steuerte den Arm, der die Schachfiguren zog. Wer baute aber als Erster ein rein technisches Gerät, dem man zumindest eine beschränkte Intelligenz zubilligen könnte?

Auf der richtigen Spur war der englische Computervisionär Charles Babbage. In seinen Memoiren, die 1864 erschienen, schilderte er Überlegungen zu einer Maschine, die gegen einen Menschen Tit-Tat-To spielte. Wir kennen es als Tic-Tac-Toe. Die Spieler setzen dabei abwechselnd ein Kreuz oder einen Kreis in ein 3×3-Gitter. Sieger ist, wer als Erster eine waagrechte, senkrechte oder schräge Reihe mit drei Symbolen vollendet. In einem seiner Notizbücher trug Babbage 1860 Skizzen zu jener Maschine ein, er konstruierte aber nie ein lauffähiges Modell.

Tit-Tat-To-Zeichnungen von Charles Babbage aus dem Jahr 1860 (Foto Science Museum Group CC BY-NC-SA 4.0 seitlich beschnitten)

Das schaffte erst der Amerikaner Francis Freeland; er schrieb sich ebenso Frank Freeland. Geboren wurde er am 7. August 1859 in Philadelphia. Er studierte Ingenieurwissenschaften an der örtlichen Universität und machte schon 1879 seinen Abschluss; 1881 erwarb er einen akademischen Grad in der Bergbautechnik. Freeland arbeitete anschließend im Westen der USA in Silber- und Goldminen und wurde reich. Er zog sich aus der Praxis zurück und bereiste die Welt. Er starb am 28. Januar 1908 in einem Hotel seiner Heimatstadt.

Dreißig Jahre früher erfand Frank Freeland seinen Spielautomaten. Am 16. Oktober 1878 führte er ihn im angesehenen Franklin-Institut in Philadelphia vor, im Januar 1879 erschien die Beschreibung in der Zeitschrift des Instituts. Das zentrale Element bildete ein Zylinder, der alle denkbaren Züge mit kleinen Stiften speicherte. Fotos oder realistische Zeichnungen fanden wir leider keine; die Maschine ging offenbar im Laufe der Zeit verloren. Sicher ist, dass sie funktionierte und niemals von einem Menschen besiegt wurde.

Programm des Automaten von Frank Freeland – es wurde auf einem Zylinder gespeichert.

Nach der Tic-Tac-Toe-Maschine baute Freeland noch zwei mechanische Analogrechner. Das nächste Gerät mit spielerischem Talent war wohl der Schachautomat, den der spanische Ingenieur Leonard Torres Quevedo 1912 konstruierte. Er gewann stets das Endspiel König und Turm gegen König und steht in Madrid. 1940 erdachte der amerikanische Physiker Edward Condon einen Relaisrechner für das Nim-Spiel. Die Firma Westinghouse installierte ihn auf der New Yorker Weltausstellung, wo er die meisten seiner Gegner schlug.

Die britische Wochenschau zeigte im Juli 1949 die relaisbestückte Noughts and Crosses Machine, die der walisische Physiker Donald Davies in London schuf. Zur gleichen Zeit stand im New Yorker Vergnügungspark Coney Island ein anderes elektrisches Tic-Tac-Toe; das war eine Anzeige vom November 1949. Wahrscheinlich handelte es sich aber um einen getarnten Flipper-Automaten; normale Flipper durften damals in New York nicht aufgestellt werden. Absolut legal war das „Tick-Tack-Toe“ des jungen Technikers Robert Haufe. Über das Gerät berichtete im Januar 1950 das Magazin Popular Science, und Haufe erhielt dafür ein Patent.

Grafik aus dem US-Patent 2.877.019 von William Keister von 1950

Elektronisch arbeiteten 1950 der Tic-Tac-Toe-Partner Bertie the Brain in Kanada und 1952 die Software OXO; sie lief in der Universität Cambridge auf dem Digitalrechner EDSAC. Ein Tic-Tac-Toe-Programm bot 1955 auch der Spielcomputer GENIAC an, man findet es am Anfang der Schaltplan-Sammlung. Im kalifornischen Computer History Museum landete der Rechner, den der Ingenieur William Keister in den 1950er-Jahren in den Bell-Laboratorien entwickelte; das ist das Patent. Wir sehen ihn ebenso in einem Vortrag ab Minute 14:40. Eine Zweitversion zeigt ein Video von 1961.

Das Museum besitzt zudem den Tinkertoy-Computer von Danny Hillis, ein Tic-Tac-Toe-Gerät aus den 1970er-Jahren. 1961 baute der britische KI-Forscher Donald Michie die lernfähige Maschine MENACE aus 304 Streichholzschachteln. Heute kosten Tic-Tac-Toe-Automaten auf Amazon weniger als zwanzig Euro. Kostenlos ist für Kindle-Nutzer das Tic-Tac-Tome-Buch von Willy Yonkers – das Prinzip wird hier erklärt. Wer es erwirbt und ausdruckt, muss sich auf 1.400 Seiten gefasst machen, da ist Spielen im Browser schon bequemer. Wir schließen aber mit dem schönsten Tic-Tac-Toe der Filmgeschichte, zu dem Film steht hier etwas mehr.

Dieses Spiel programmierte der Paderborner IT-Historiker Rainer Glaschick. Die Eingabe mit Lichtgriffel simuliert den amerikanischen Großrechner Whirlwind aus den 1950er-Jahren.

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