Künstliche Intelligenz und die Frauen

Geschrieben am 29.09.2023 von

2023 ist das Joseph-Weizenbaum-Jahr, denn der Informatiker und Technikphilosoph wurde am 8. Januar 1923 in Berlin geboren. Sehr kritisch sah er die Künstliche Intelligenz. Das zeigte sich zum Beispiel in einem Vortrag, den er im Februar 1990 in Klagenfurt hielt. Dort warf er auch eine spezielle Frage auf: Wo bleiben die Frauen in der KI-Forschung?

Joseph Weizenbaum müssen wir nicht mehr groß vorstellen. Im Januar feierten wir seinen 100. Geburtstag, im Juni schrieben wir über sein Programm für das Brettspiel Gomoku. In diesen Tagen findet in New York ein Symposium über sein Leben und Schaffen sowie über Künstliche Intelligenz statt. Sie bildete einen Schwerpunkt seiner Arbeit. Mit dem Chabot ELIZA schuf Weizenbaum einen Meilenstein der KI-Forschung, später stand diese im Zentrum seiner technikkritischen Analysen.

Am 1. Februar 1990 hielt Joseph Weizenbaum in der Universität Klagenfurt – damals hieß sie noch Hochschule für Bildungswissenschaften – einen Vortrag mit einem provokanten Titel. Er richtete sich gegen Zukunftsvisionen der KI. Weizenbaum nahm das Buch „Mind Children“ des Robotikers Hans Moravec aufs Korn, den er zu Heinz Moravec machte. Das Werk lässt sich nach Anmelden im Internet Archive nachlesen, 1990 erschien es auf Deutsch. Weizenbaum kritisierte außerdem den Physiker Robert Jastrow, den er Heinz Jastro nannte.

Im Vortrag erwähnte Weizenbaum eine Beobachtung: Die meisten KI-Forscher und Studenten des Fachs waren Männer. Wie kommt das? Seine Antwort lautete: „Was hier im Spiel ist, ist Gebärneid. Wir Männer sehen, daß die Frauen etwas können, was wir nicht können, nämlich Kinder haben. […] Wir gehen her und sagen: Wir können es doch, wir können künstliches Leben herstellen, nicht nur mit KI und Robotern, sondern vielleicht auch mit Gentechnik […]. Wir können Leben herstellen, und wir können es viel besser als die Frauen.“

KI-Forscherin Barbara Grosz (Foto Bengt Oberger CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)

Was ist von dieser Erklärung zu halten? Der Begriff des Gebärneids geht auf die deutsche Psychologin Karen Horney zurück; sie benutzte ihn schon 1927. Ob Joseph Weizenbaum das wusste, ist unbekannt. Dass zu Beginn der KI-Forschung die Männer dominierten, trifft sicherlich zu. Die Grundidee der Künstlichen Intelligenz findet sich aber vorher bei den Romanautorinnen Mary Shelley („Frankenstein“) und Thea von Harbou („Metropolis“). Die Roboterin in dem gleichnamigen Film zählt zu den großen Gestalten der Science-Fiction.

Die erste KI-Forscherin im weitesten Sinne war Pamela McCorduck. Sie wurde 1940 in Liverpool geboren; von 1946 bis zu ihrem Tod im Jahr 2021 lebte sie in den USA. Sie tat sich vor allem als Autorin hervor und arbeitete mit wichtigen Fachmännern zusammen. 1963 wirkte sie an der Erstellung der Aufsatzsammlung „Computer and Thought“ mit. Als ihr Hauptwerk gilt Machines Who Think von 1979; es erschien 1987 als „Denkmaschinen“ auch bei uns. Zusammen mit Edward Feigenbaum verfasste sie 1983 ein Buch über die japanische „Fünfte Generation“. Es gibt noch einige KI-Expertinnen mehr.

Barbara Grosz kam 1948 in Philadelphia zur Welt und studierte Mathematik und Informatik; 1977 promovierte sie an der Universität Berkeley. Seit den 1970er-Jahren widmete sie sich der Sprachverarbeitung. Sie arbeitete zunächst im Forschungsinstitut SRI; ab 1986 lehrte sie in Harvard. Erwähnen müssen wir auch die 1954 geborene Katharina Morik und die ein Jahr jüngere Susanne Biundo-Stephan. Morik erlernte das KI-Fach in Hamburg und unterrichtete seit 1991 an der TU Dortmund. Ihre Kollegin machte 1989 in Karlsruhe ihren Doktor mit einer Arbeit über KI-Beweisverfahren. Nach Tätigkeit im DFKI wurde sie 1998 Professorin in Ulm.

Cynthia Breazeal mit Roboter Jibo (Foto Cynthiabreazeal CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)

Eine DFKI-Vergangenheit hat ebenso Elisabeth André. Sie ist Jahrgang 1961 und studierte die Informatik in Saarbrücken. Nach ihrer DFKI-Zeit übernahm sie 2001 einen Lehrstuhl an der Universität Augsburg. In den 1960er-Jahren wurden außerdem drei amerikanische KI-Professorinnen geboren, Daniela Rus, Daphne Koller und Cynthia Breazeal. Letztere baute in den Neunzigern den emotionalen Roboter Kismet. Zur Professorin der Universität Stanford und Chefin ihres KI-Instituts brachte es Fei-Fei Li. Sie kam 1976 in Peking zur Welt und zog 1992 in die USA.

In den letzten Jahren löste das Maschinelle Lernen eine Revolution in der KI aus. Sie führte ihr Menschen zu, die nicht mehr den meistens maskulinen Computer-Nerds entsprachen. Zusammen mit der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung bewirkte sie, dass sich im Fach eine Ausgewogenheit der Geschlechter einstellte. Was Deutschland anbetrifft, gibt es neben Männern wie Sepp Hochreiter, Wolfgang Schmidhuber und Bernhard Schölkopf sehr aktive KI-Forscherinnen, etwa Katharina Zweig und Doris Weßels.

Was die alten Zeiten und den Gebärneid angeht, sind wir skeptisch; die Begeisterung für Künstliche Intelligenz lässt sich durch andere psychologische Mechanismen besser erklären. Wir weisen hier besonders auf den Untertitel des Romans von Mary Shelley hin: „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ Unser Eingangsbild (Foto Il Mare Flm) zeigt drei Schöpfergestalten im Jahr 1968, Claude Shannon, John McCarthy und rechts Joseph Weizenbaum. Links neben ihm steht der Physiker und Informatiker Edward Fredkin.

Doris Weßels, die KI-Chefin der FH Kiel (Foto Andeas Diekötter CC BY 4.0)

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