Louis Le Prince – der Mann mit der Kamera
Geschrieben am 22.09.2020 von HNF
2020 begehen wir den 125. Geburtstag des Kinos. Einer der Väter der Technik war der 1841 geborene Franzose Louis Le Prince. 1888 drehte er in der englischen Stadt Leeds drei kurze Filme, die ersten der Welt. Am 16. September 1890 bestieg er in Dijon den Zug nach Paris. Danach wurde er nie wieder lebend gesehen.
Eigentlich hieß er Louis Aimé Augustin Leprince, doch bekannter ist er als Louis Le Prince. Geboren wurde er am 28. August 1841 als Sohn eines Offiziers in der lothringischen Stadt Metz. Als Junge lernte er den Fotopionier Louis Daguerre kennen, der auch die Familie fotografierte – Louis steht rechts. Er studierte dann Malerei in Paris sowie Chemie in Bonn und in Leipzig. Ab 1866 arbeitete er für den Unternehmer John Whitley in der englischen Industriestadt Leeds. 1869 heiratete Louis Le Prince Whitleys Schwester Elizabeth.
1876 gründete Le Prince eine Kunstschule. 1882 emigrierte er mit Frau und Kindern nach New York. Unter anderem war er für eine Firma tätig, die große Rundum-Panoramen errichtete. Die Besucher solcher Panoramen konnten zum Beispiel eine Schlacht zwischen zwei Armeen bestaunen. Die Arbeit brachte Le Prince auf die Idee, bewegte Bilder mit fotografischen Mitteln aufzunehmen und auf eine Wand zu werfen. Kurz, er erfand den Film und das Kino. Das Frühjahr 1887 verbrachte er in Paris; er baute dort eine Kamera mit sechzehn Linsen für sechzehn Bilder und ohne einen Filmtransport.
Danach versuchte Louis Le Prince, ein System für die Aufnahme und Wiedergabe von Filmen zu entwickeln. Er musste ohne Zelluloidstreifen auskommen, was sich sich auf die Projektion auswirkte. Le Prince dachte zunächst an Glasplatten, die mit einer Mechanik oder in besonderen Gürteln weitertransportiert wurden. 1888 schuf er eine Kamera mit nur einer Linse und für einen bewegten Rollfilm. Er bestand aus einem mit Gelatine beschichteten Papierstreifen. Das Problem der Projektion konnte Le Prince aber nie befriedigend lösen.
Im August 1887 nahm er mit seiner Sechzehn-Linsen-Kamera eine Szene in Paris auf: Ein Mann geht um die Ecke. Die sechzehn Einzelbilder zeigten die Phasen der Bewegung; sie ließen sich zu einem Film montieren. Ab 1888 wohnten Le Prince und sein Sohn Adolphe in Leeds. Hier drehte er mit der Ein-Linsen-Kamera richtige Filme. Im Oktober 1888 entstand eine Gartenszene mit den Schwiegereltern, seinem Sohn und einer jungen Frau. Es folgten die Aufnahme einer Brücke und eine dritte, in der sein Sohn Akkordeon spielt.
Die beiden ersten Filme enthielten zwanzig Bilder; Kopien verwahrt das Londoner Science Museum. Der dritte Film besteht aus neunzehn Bildern. Jeder ist zwei bis drei Sekunden lang. Mit den drei Produktionen schrieb sich Louis Le Prince in die Geschichte des Kinos ein. Schon 1878 nahm der Engländer Eadweard Muybridge Reihenbilder auf, die als Film projiziert werden konnten. 1887 konstruierte der deutsche Fotograf Ottomar Anschütz für solche Serien den Schnellseher. 1894 führte Anschütz aus Serienbildern erstellte Filme vor.
Louis Le Prince bleibt der Ruhm, die erste Filmkamera gebaut zu haben, die diesen Namen verdiente. Rätselhaft ist sein Lebensende vor 130 Jahren. Im September 1890 besuchte er seinen Bruder Albert in Dijon, dreihundert Kilometer südöstlich von Paris. Am 16. September bestieg er im Bahnhof den Zug zurück in die Hauptstadt. Danach hat niemand mehr etwas von ihm gehört. Beging Le Prince Selbstmord, vielleicht aus Geldgründen? Er soll damals hoch verschuldet gewesen sein. Oder wurde er Opfer eines Raubmords?
1990 schrieb der englische Journalist Christopher Rawlence ein Buch über Le Prince; es liegt auch auf Deutsch vor. 1997 drehte er einen Film über den Filmpionier, der seit 2017 online ist. Gegen Ende erscheint ein Foto aus dem Pariser Polizeiarchiv. Es zeigt den Kopf eines Toten, der im September 1890 aus der Seine geborgen wurde; die Gesichtszüge ähneln denen von Louis Le Prince. 2015 erlebte eine zweite Le-Prince-Dokumentation ihre Premiere, The First Film. Was mit dem Erfinder 1890 passierte, wird aber wohl nie geklärt werden.
Der Film hat seine Mythen. In gut einem Monat feiern wir 125 Jahre Kino in Deutschland, denn am 1. November 1895 projizierten die Brüder Skladanowsky ihre Werke im Berliner Varieté Wintergarten. Es war aber nicht, wie man oft liest, die erste Vorführung der Welt für zahlende Zuschauer. Eine solche fand schon am 20. Mai 1895 am New Yorker Broadway statt. Dort boten die Brüder Grey und Otway Latham einen Boxerfilm an. Er ist nicht erhalten; seine Geschichte wird hier in zwei Teilen ausführlich erzählt.
Freunden des frühen Kinos können wir Internet-Adressen zu Ottomar Anschütz und zum Victorian Cinema empfehlen. Diese Seite widmet sich dem englischen Filmpionier William Friese-Greene. Im Blog berichteten wir bereits über die Verdienste von Thomas Edison und der Brüder Lumiere. Unser Eingangsbild zeigt die Gedenktafel für Louis Le Prince in Leeds (Foto John CC BY-NC-SA 2.0 seitlich beschnitten). Sie wurde 1988 an dem Gebäude befestigt, aus dem er hundert Jahre zuvor die benachbarte Brücke filmte. Im Foto ist es das weiße Haus rechts, und hier ist noch einmal sein Film, mit Künstlicher Intelligenz verschönert.