Mathatron – der elektronische Mathematiker

Geschrieben am 22.10.2024 von

Eine Anzeige sprach von einer programmierbaren elektronischen Rechenmaschine, die aber so viel leistet wie ein Computer. Sie warb für den Mathatron der Firma Mathatronics aus dem US-Bundesstaat Massachusetts. Er wurde im November 1963 in Boston vorgestellt; 1965 kostete er zwischen 3.500 und 7.000 Dollar. Der kleine Rechner gehört zu den vergessenen Vorläufern des Personal Computers.

Das Zyklotron und das Synchrotron sind Teilchenbeschleuniger und wichtige Werkzeuge der Atomphysik, ein Klystron ist eine spezielle Elektronenröhre. Könnte man nicht ein High-Tech-Rechengerät Mathatron nennen und den Hersteller Mathatronics ? Das beschlossen die jungen Ingenieure William Kahn, Roy Reach und David Shapiro, als sie im Februar 1962 eben jene Firma in Waltham gründeten, die Stadt liegt westlich von Boston. Die drei hatten sich in den Technikunternehmen Honeywell und Raytheon kennengelernt.

Mathatron von vorn; oben rechts ist die Papierrolle  (Foto Computer History Museum)

Das Produkt des Start-ups, der Mathatron, sollte ein elektronischer und programmierbarer Tischrechner sein, der auch Inputs speicherte. Zwar begann 1962 in England die Fertigung der Rechenmaschine Anita, die eine besondere Form von Elektronenröhren enthielt, doch sie ließ sich nicht programmieren. Im Juni 1963 führte die kalifonische Firma Friden das Transistormodell EC-130 vor, das Formeln mit umgekehrter polnischer Notation akzeptierte und Zahlen in Verzögerungsleitungen aufnahm. In den Handel kam es im August 1964.

Kahn, Reach und Shapiro steckten in ihre Firma 18.000 Dollar und erhielten 54.000 Dollar von Geldgebern. Ende 1962 lag der Prototyp Mathatron 4-24 vor. Er operierte ebenfalls mit Transistoren, besaß vier Register und erledigte 24 Programmschritte. Die Eingabe geschah durch Tasten für Ziffern, Symbole und Rechenanweisungen, die Ausgabe erfolgte auf einem Papierstreifen. Die Investoren waren begeistert und machten weitere 300.000 Dollar locker. Im Juli 1963 ging das erste Serienmodell Mathatron 8-48 an einen Kunden; die Zahlen 8 und 48 drückten die verdoppelte Kapazität aus.

Eingaben des Mathatron; Ausschnitt aus dem US-Patent 3.996.562

Im November 1963 wurde der Rechner auf einer Technikmesse in Boston gezeigt, doch das Interesse der Journalisten hielt sich in Grenzen. Den ersten längeren Bericht brachte im März 1964 die Zeitschrift computers and automation: Bitte PDF-Seite 43 aufsuchen. Der Artikel teilte die Maße – 56 x 61 x 36 Zentimeter – und das Gewicht von 36 Kilogramm mit; der Verkaufspreis für die einfachste Version betrug rund 3.500 Dollar. Der Mathatron kam mit Fließkommazahlen zurecht und verstand Ausdrücke mit Klammern. Mehr Wissen war zur Bedienung nicht erforderlich.

Das war eine Anzeige aus dem Jahr 1965, siehe PDF-Seite 73. 1967 erschien eine Broschüre des Herstellers; sie erläuterte die Grundmodelle des Rechners und daran anschließbare Zusatzgeräte. Hier und hier geht es zu weiteren Informationen einschließlich Preislisten. Die Presse und die Werbung sahen ihn als einen echten Computer an, wir entdecken auch den Ausdruck „desk-top“. In der Geschichte der Kleinrechner könnte der Mathatron der erste gewesen sein, der den Namen verdiente. Die vergleichbare Programma 101 der italienischen Firma Olivetti wurde erst 1964 vorgestellt und ab 1965 verkauft.

Grafik des Patents US 3.304.858 für den Mathatron-Drucker

In den späten 1960er-Jahren wurde der Mathatron überarbeitet und von einem neuen Modell abgelöst; Einzelheiten liefert ein Prospekt. Hersteller Mathatronics gehörte inzwischen einer anderen Firma, der Barry Wright Corporation, über die wir nicht viel wissen. Wie es scheint, bot sie den Kleinrechner auch in Europa an; ein Exemplar kam nach Finnland, ein anderes landete im Londoner Science Museum. Die Hardware oben im Eingangsbild steht jedoch in Kalifornien (Foto Computer History Museum).

In den frühen Siebzigern erwarb die Hewlett-Packard Company die Rechte von den drei Mathatron-Erfindern und meldete am 22. August 1973 ein Patent für eine programmierbare elektronische Rechenmaschine an. Es wurde am 7. Dezember 1976 gewährt und bringt alle technischen Details. Neben der Patentschrift und den Museumsobjekten existieren Fotos vom Innenleben des Mathatron und ein Video mit einem im Prinzip funktionsfähigen Modell. Der Besitzer Mohamad Hassoun unterrichtet an einer Universität in Detroit.

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Ein Kommentar auf “Mathatron – der elektronische Mathematiker”

  1. karl Jaeger sagt:

    eine wunderbare Maschine die mir bis dato völig unbekannt war, aber durchaus vergleichbar mit dem was ich Jahre später programmieren durfte. Alle Infos über Diehl, Zuse und die frühen Anfänge des Computings bei uns gibt es hier
    https://www.jaeger.network/2024/10/22/50-jahre-programmierung/

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