Microwriter – der kleinste Textcomputer der Welt

Geschrieben am 25.03.2025 von

1975 kam der amerikanische, in London lebende Filmregisseur Cyril Endfield auf das Konzept eines tragbaren Textspeichers mit sechs Tasten. Der „Microwriter“ besaß einen Acht-Bit-Prozessor und zeigte eine Zeile an, eingetippte Texte konnte man am Bildschirm bearbeiten und ausdrucken. Das Gerät kam 1979 in den Handel, die Produktion endete 1985. Es wurden vermutlich 13.000 Microwriter gefertigt.

Die Wikipedia kennt die Akkordtastatur. Mit ihr werden Zeichen durch das Niederdrücken von mehreren Tasten, also durch Tastenkombinationen eingetippt. Schon im 19. Jahrhundert verwendeten stenografische Schreibmaschinen dieses Prinzip. 1968 zeigte der Ingenieur und Netzpionier Douglas Engelbart ein System mit fünf Input-Tasten bei seiner berühmten Präsentation in San Francisco.

Akkordtastatur aus dem späten 19. Jahrhundert

1978 erschienen in England und den USA Presseberichte über einen „pocket typewriter“ mit sechs Eingabeknöpfen. Die Taschen-Schreibmaschine besaß ein Display für zwölf Zeichen; sie war 22 Zentimeter lang, zehn Zentimeter breit, sechs Zentimeter dick und wog weniger als ein Kilo. Im Inneren steckten ein Mikroprozessor des US-Herstellers RCA für acht Bit, ein Speicherchip für 8.000 Zeichen und ein Akku. Die Ausgabe des fertigen Textes geschah per Monitor und Drucker. Gebaut wurde das Gerät von der Londoner Firma Microwriter, deren Namen es auch trug. Ein Exemplar zeigt unser Eingangsbild.

Auf den vier Tasten oben und der oberen Taste an der Seite ruhen die Finger der rechten Hand; mit ihnen gibt der User einen Buchstaben ein. Die Bewegungen von Zeige- und Mittelfinger bringen zum Beispiel ein „a“ ins Display. Mit dem Daumen lässt sich auch die Multifunktionstaste links unten erreichen. Drückt man sie und danach die Tasten wie beim kleinen a, dann zeigt das Display ein großes A an. Es klingt fantastisch, aber mit solchen Kombinationen konnte der Benutzer alle Buchstaben, Ziffern und Satzzeichen aufrufen sowie Anweisungen zum Formatieren und Ausdrucken erteilen.

Cyril Endfield (unbekannter Fotograf Wikipedia Fair Use)

Der Erfinder des Microwriters hieß Cyril Endfield. Er wurde 1914 als Sohn eines Kürschners im US-Bundesstaat Pennsylvania geboren. Nach abgebrochenem Studium arbeitete er ab 1936 in der New Yorker Theaterszene; er leitete außerdem ein Ensemble in Kanada. 1940 zog er nach Hollywood und drehte Kurzfilme; nach dem Krieg schuf er für das Studio Monogram Actionstreifen. In jungen Jahren neigte Endfield dem Kommunismus zu; 1951 geriet er vor den Kongressausschuss für unamerikanische Umtriebe und auf eine Schwarze Liste.

Ihm blieb nur die Übersiedlung nach England, wo er einen Neuanfang schaffte. Seine Jules-Verne-Verfilmung Die geheimnisvolle Insel lief 1961 in deutschen Kinos und später im Fernsehen. Darin wurde Endfields Interesse für Tricktechnik deutlich – die Monster der Insel entstanden mit Stop-Motion-Animation – und für Science-Fiction. Sein populärstes Werk war Zulu von 1964, eine Heldengeschichte aus den britischen Kolonialkriegen. 1971 beendete Cyril Endfield seine Regie-Karriere; er starb 1995 in seiner Wahlheimat.

Grafik aus dem deutschen Microwriter-Patent DE 2.906.943

Was genau ihn auf den Microwriter brachte, ist unbekannt. Wir wissen nur, dass Endfield 1975 die Idee hatte und danach an die Entwicklung ging. Wie es scheint, unterstützte ihn die Versicherungsgesellschaft Hambro. Nach der Vorstellung im Jahr 1978 kam das Gerät 1979 in den Handel. Interessenten konnten es zunächst nur mieten: zusammen mit einem Monitor, einem Drucker und einem Kassettenrecorder kostete es zwölf Pfund pro Woche. In den 1980er-Jahren war die Eingabeeinheit in den USA für 499 Dollar erhältlich.

Die BBC berichtete 1979 über die Textverarbeitungstechnik und besuchte unter anderem die Fabrik im ländlichen Süden von London, in der die Microwriter entstanden. Bei Minute 8:10 des Films erhaschen wir einen Blick auf den damals 64 Jahre alten Endfield, der mit dem Gerät ein Drehbuch verfasste (oder so tat, als würde er es tun). Die Versuchsmodelle und Prototypen seiner Erfindung verwahrt heute das Londoner Science Museum, ein verkauftes Exemplar befindet sich im Computer History Museum in Kalifornien.

Tastenkombinationen für a bis f; die alternativen Zeichen erscheinen jeweils nach Drücken der Multifunktionstaste.

Die Produktion des Microwriters lief bis 1985; es wurden 13.000 Exemplare hergestellt. 1988 erinnerte die BBC noch einmal an ihn; Anlass war die Vorstellung des persönlichen digitalen Assistenten AgendA. Er stammte vom gleichen Hersteller und besaß neben den normalen Tasten die fünf Druckknöpfe des Mikroschreibers. Der PDA ist rechts im Eingangsbild zu sehen. 1996 brachte die Firma Bellaire Electronics – sie gehörte einem Geschäftsfreund von Cyril Endfield – die Akkordtastatur CyKey heraus. Sie ist gleichfalls oben abgebildet.

Ein prominenter Nutzer des Microwriters war der Schlagersänger und Fernsehstar Chris Howland. Er sprach über sein Gerät in den 1990er-Jahren im WDR Computerclub. Der Clip wurde 1998 in der Computernacht des HNF wiederholt, bitte zu Minute 2:53:30 gehen! Wir danken Norbert Ryska für den Hinweis. Schließen wollen wir mit einem neuen Kleinschreiber made in Germany, dem Chonky Pocket des Computerjournalisten Silvio Werner. Er hat zehn Tasten und basiert auf dem Raspberry Pi; doch es ist schön, dass geniale Ideen wie die von Cyril Endfield weiterleben.

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2 Kommentare auf “Microwriter – der kleinste Textcomputer der Welt”

  1. Jürgen sagt:

    Kurzer Nachtrag zu dem modernen Verwandten des Microwriter: Silvio Werner ist wohl nicht der Entwickler des „Chonky Pocket“, sondern hat nur den Artikel darüber geschrieben. Im Artikel wird auf die Github-Seite des Entwicklers verlinkt. Er gibt sich nur als „Dan“ zu erkennen, verweist aber auf sein Blog mit vielen weiteren Projekten: https://blog.cyberduck.space/

    1. HNF sagt:

      Hier auf S. 18 gibt es mehr zu „Dan“ Dan Norris: https://www.roc-ham.net/wp-content/uploads/2023/07/MagPi131.pdf

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