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Schach – Computer gegen Computer

Geschrieben am 02.09.2025 von

Von 1. bis zum 3. September 1970 hielt die Informatiker-Vereinigung ACM in New York ihre 25. Jahrestagung ab. Unter dem Titel „Computer und Krise“ warf sie einen Blick in die nahe Zukunft. Zur Konferenz gehörte das erste große Schachturnier für Elektronenrechner. Sechs Programme nahmen an ihm teil, Sieger wurde Chess 3.0 von der Northwestern University.

1769 erfand der Österreicher Wolfgang von Kempelen den Schachtürken, einen scheinbar intelligenten Automaten, den das HNF 2004 nachbaute. Ab 1950 wurden Schachprogramme für Computer geschrieben. Im Mittelpunkt stand stets der Kampf Mensch gegen Maschine. Erst im November 1966 startete ein neun Monate langes Fernschach-Turnier zwischen einem russischen und einem amerikanischen System. Es umfasste vier Partien, von denen der Rechner in Moskau drei gewann. Hier ist zu ihm ein Bericht der Wochenschau von 1968.

Die Ergebnisse des ACM-Schachturniers (Foto Monroe Newborn, Computer History Museum)

1970 kam es dann wieder zu Schachspielen, die Computer ausfochten. Den Anlass bildete die 25. Jahrestagung der Association for Computing Machinery ACM, der 1947 gegründeten Fachgesellschaft für Informatiker und verwandte Berufe. Sie fand am 1., 2. und 3. September im New Yorker Hilton-Hotel statt – die Stadt war auch der Sitz der ACM. Die 1970er-Jahre hatten begonnen, die Börse steckte fest, und die Inflation nahm zu. Das Motto der Konferenz lautete „Computer und Krise – Wie Computer unsere Zukunft bestimmen“.

Zur Tagung gehörte ein umfangreiches Begleitprogramm. Man konnte Computerfilme und Computerkunst anschauen, von Computern komponierte Musik hören und eine Ausstellung besuchen, die unter anderem den Küchencomputer der Firma Honeywell zeigte. Außerdem gab es vom 31. August bis zum 2. September die erste amerikanische Meisterschaft für Computerschach, eine Idee der Informatiker Tony Marsland und Monty Newborn; Marsland arbeitet in den Bell-Laboratorien, Newborn lehrte an der Columbia-Universität.

Herzlichen Glückwunsch! Von links nach rechts stehen Monty Newborn, Sam Matsa (ACM), David Slate und Larry Atkin (die Programmierer) und Ben Mittman (Northwestern Univerity) (Foto Monroe Newborn, Computer History Musum)

Die Konkurrenz führte sechs Programmierer-Teams zusammen, fünf aus den USA und eines aus Kanada; Frauen machten nicht mit. Ein amerikanisches Team installierte einen Varian-Minicomputer und den dazugehörigen Monitor, die übrigen hielten per Telefon oder über Fernschreiber Kontakt zu ihren Rechnern. Verwendet wurden drei IBM-360-Maschinen, eine Burroughs 5500 und eine CDC 6400 von Control Data. Leider fehlte das Programm Mac Hack von Richard Greenblatt, die wohl beste Schachsoftware der späten 1960er-Jahre.

Gespielt wurde jeweils ab 17.30 Uhr etwa vier Stunden lang. Sofern die Hardware und die Datenleitungen mitmachten, fanden drei Partien parallel statt. Im Saal saßen Zuschauer, die nicht mit Applaus, Zischen und Gelächter sparten. Es galten die normalen Turnierregeln, die Platzierung basierte auf dem Schweizer System, einem oft bei Schachtreffen eingesetzten Algorithmus. Am Ende siegte das Programm Chess 3.0; es stammte von Studenten der Northwestern University in Evanston bei Chicago und lief auf der dortigen CDC 6400.

Schnappschuss von der fünften Schachweltmeisterschaft für Mikrocomputer – sie kämpften von 1980 bis 2001 gegeneinander – im Jahr 1985 in Amsterdam

Die Schachcomputer lösten ein beträchtliches Presseecho aus, auch der SPIEGEL nahm Notiz. Die ACM setzte daraufhin das Turnier fort. Bis 1979 gewannen fast immer Mitglieder der Chess-Familie, dann beherrschten die Programme Belle und Cray Blitz das Brett. Ab 1988 dominierten Deep Thought und Deep Thought 2. Die Turniere endeten 1994. Schon 1974 richtete die internationale Informatik-Vereinigung IFIP eine Weltmeisterschaft für Schachcomputer in Stockholm aus. Es gewann das russische Programm Kaissa auf einem englischen ICL-Rechner.

Danach gab es an wechselnden Orten alle drei Jahre ein Turnier, ab 2002 jedes Jahr. Der Organisator war der neu geschaffene Verband ICCA (ab 2002 ICGA). Auch diese Serie ist Geschichte, sie ging 2024 in Santiago de Compostela zu Ende. Nicht vergessen wollen wir aber die neunte Schachweltmeisterschaft, denn sie fand im Juni 1999 im HNF statt. Den Titel errang das deutsche Programm Shredder. Im Unterschied zur New Yorker Veranstaltung von 1970 liegen zu der in Paderborn zwei Videos vor, die man hier und hier betrachten kann.

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2 Kommentare auf “Schach – Computer gegen Computer”

  1. Karl Jaeger sagt:

    Danke für den schönen Bericht. Der Film vom Chess Turnier 1999 ist eine wunderbare Zeitreise. Die Livecam ist eine Super8 von Quelle Versand . Damals noch Standard . Digicams kamen erst ab 2000 so richtig auf den Markt. Falls ich falsch liege bitte melden. Interessant wäre noch auf welchem PC Typ Shredder lief ?

  2. Karl Jaeger sagt:

    Noch ein kleiner Nachtrag . Ende der 70er wurden die Großrechner sehr schnell von den Minicomputer abgelöst die wiederum von den PCs in den 80er und 90er überholt wurden. Bei uns war der Atari sehr verbreitet der 1979 mit Video Chess mitspielt. Siehe https://www.youtube.com/shorts/e3VJ-DjdJik

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