Tetris – vier Quadrate vom Himmel
Geschrieben am 04.06.2024 von HNF
In dieser Woche feiern die Gamer der Welt den 40. Geburtstag von Tetris. Die Entwicklung des russischen Informatikers Alexei Paschitnow zählt zu den schönsten und populärsten Computerspielen. 1988 war es in westlichen Ländern verfügbar, der große Erfolg kam im folgenden Jahr durch den Gameboy von Nintendo. Diese Episode aus der Tetris-Geschichte wurde später auch verfilmt.
Wer Tetris nicht kennt, kann es hier spielen. Von oben kommen miteinander verbundene Quadrate, mit den Pfeilen rechts auf der Tastatur werden sie gesteuert. Die Links- und die Rechts-Taste verschieben jede Figur, der Aufwärts-Pfeil dreht sie, der Pfeil nach unten zieht sie hinab. Ist eine waagrechte Reihe vollständig mit Quadraten gefüllt, verschwindet sie, und die Figuren darüber rutschen nach. Tetris ist einfach aufgebaut und sofort verständlich, und es macht schnell süchtig.
Es entstand in den 1980er-Jahren in Russland, seine Figuren wurden aber schon 1954 in den USA geboren. Im Dezember-Heft 1954 des American Mathematical Monthly veröffentlichte Solomon Golomb, ein Student der Harvard-Universität, einen Artikel über Schachbretter und Polynominos. So nannte er Gebilde, die aus einem oder mehreren zusammenhängenden Quadraten bestehen. Ein einziges Quadrat ist ein Monomino, zwei ergeben ein Domino, aus dreien lassen sich ein gerades und ein rechtwinkliges Tromino gewinnen.
Vier verbundene Quadrate liefern fünf Tetrominos; tetra ist das altgriechische Wort für vier. Golomb beschrieb das gerade, das quadratische, das schräge, das T- und das L-Tetromino. Dabei unterschied er nicht die gespiegelten Formen des schrägen und des L-Typs. Wenn man sie hinzufügt, hat man die sieben Figuren des Tetris-Spiels; sie sind oben im Eingangsbild zu sehen. Golombs letzte Gruppe bildeten die fünf Quadrate umfassenden Pentominos. Von ihnen gibt es zwölf Stück, zu denen noch sechs achsensymmetrische kommen.
Der englische Rätselerfinder Henry Dudeney schuf schon 1907 ein Puzzle, das die zwölf Pentominos und das Tetromino-Viereck zusammenführte. Der amerikanische Spieleverlag Phillips brachte 1961 die Pentomino-Version Pan-kai heraus, 1966 folgte die Firma Parker Brothers mit Universe. Der Regisseur Stanley Kubrick drehte im gleichen Jahr für den Zukunftsfilm „2001: Odyssee im Weltraum“ eine Szene, in der ein Astronaut Pentomino am Computer spielte. Sie blieb am Ende draußen, erhalten ist nur ein Foto mit dem Schauspieler Keir Dullea.
Pentomino verbreitete sich auch im Ostblock; hier entdeckte es der Informatiker Alexei Paschitnow. Er wurde 1955 in Moskau geboren und studierte angewandte Mathematik. Ab 1979 arbeitete er im Rechenzentrum der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften. Er beschäftigte sich mit Spracherkennung; im Video sieht man ihn bei Minute 1:05. In der Mitte der 1980er-Jahre hatte er Zugang zu einem Elektronika-60-Computer, der über integrierte Schaltungen verfügte und dem Modell LSI-11 der PDP-11-Familie von Digital Equipment ähnelte. Zu ihm gehörte ein Monitor, der Ziffern, Buchstaben und Hilfszeichen anzeigte.
Paschitnow überlegte, wie man Pentomino auf den Rechner bringen könnte. Er fand keinen vernünftigen Weg und ersetzte schließlich die Pentomino- durch Tetromino-Blöcke; dabei berücksichtigte er die gespiegelten Formen. Von den Vorarbeiten von Solomon Golomb wusste er nichts. Paschitnow entwarf zunächst ein einfaches Puzzle, bei dem man die sieben Figuren zu größeren Gebilden zusammenfügte; er nannte es Gentechnik. Ihm wurde aber klar, dass das Spiel nach dem Finden einer Lösung schnell den Reiz verlieren würde.
Der Durchbruch kam mit der Idee der stetig bewegten Blöcke. Aus den Worten tetra und Tennis bildete Paschitnow für das Spiel den Namen Tetris. Die Urfassung sah so aus wie in diesem Video gezeigt. Der sechzehnjährige Schüler Vadim Gerasimow, der als Praktikant im Rechenzentrum tätig war, übertrug das Tetris-Programm auf das Betriebssystem des IBM PC. Er verbesserte außerdem die Grafik und führte ein Punktesystem und eine Highscore-Liste ein. Über Disketten wurde das Spiel in der Sowjetunion bekannt; einige Kopien gelangten auch in das sozialistische Ausland.
Nach den besten Quellen entstand Tetris im Frühjahr und Sommer 1985, wie auch die Dokumentation der BBC aus dem Jahr 2004 sagt. Das Geburtsdatum 6. Juni 1984 führte erst 2009 eine amerikanische PR-Firma ein. Sicher ist, dass neue Tetris-Versionen für diverse Mikrocomputer Anfang 1988 in England und Amerika herauskamen. Das war die begeisterte Besprechung des „PC Magazine“. Den Faden zwischen Ost und West knüpfte der ungarisch-englische Geschäftsmann Robert Stein, der in London einen Software-Handel betrieb.
Dem niederländischen Unternehmer Henk Rogers gelang es 1989, der Firma Nintendo die Konsolen-Rechte zu sichern. Seine Abenteuer in Moskau wurden später verfilmt. Auf dem Gameboy eroberte Tetris dann die Welt. Alexei Paschitnow lebt heute in Amerika, Vadim Gerasimow wohnt in Australien. Ihre Schöpfung ist noch immer populär; Ende 2023 spielte der dreizehnjährige Schüler Willis Gibson sie als erster Mensch bis zum Ende durch. Wir schließen mit dem Lied Korobeiniki, zu Deutsch Hausierer, das Tetris auf dem Gameboy begleitet; diese Aufnahme stammt vom Balalaika-Virtuosen Michail Roschkow.