Dreissig Jahre Game Boy

Geschrieben am 18.04.2019 von

Er war nicht die erste tragbare Video-Konsole, aber lange die populärste: der Game Boy. Das Gerät der Firma Nintendo kam am 21. April 1989 in Japan heraus; in Amerika erschien es Ende Juli. In Europa startete es im Sommer 1990. Der Game Boy machte das russische Puzzlespiel Tetris zum Welterfolg. Verkauft wurde er bis 2003. 

„Im Zug oder im Flugzeug, in Büros und Warteräumen macht der handliche Computer bereits die Runde. Kaufhäuser und Spielwarengeschäfte melden reißenden Absatz, die Nintendo-Niederlassung im bayerischen Großostheim kommt mit dem Liefern kaum noch nach. ‚In dieser Woche‘, frohlockt Marketing-Chef Hans Stahler, ‚wird das Lager leer.‘“

Das schrieb der SPIEGEL am 10. Dezember 1990. Der oben zitierte Computer war kein Rechner und auch kein Smartphone – das war noch nicht erfunden. Es handelte sich um den Game Boy der Firma Nintendo aus Kyoto. Er war seit Spätsommer 1990 bei uns erhältlich, das Lager in Großostheim gab es seit Juli. Nintendo investierte fünfzehn Millionen DM in die Werbung. Im Weihnachtsgeschäft wurde das Spielgerät der Hit. Laut SPIEGEL gingen bis Dezember 400.000 Stück über den Ladentisch; der Preis betrug 149 DM.

In seiner japanischen Heimat konnte man den Gēmu Bōi schon am 21. April 1989 kaufen. Auf dem amerikanischen Markt kam er am 31. Juli. Das fünfzehn Zentimeter hohe und neun Zentimeter breite Gerät enthielt einen monochromen Bildschirm mit 160 mal 144 Punkten. Im Inneren operierte ein Acht-Bit-Prozessor der Firma Sharp. Die Daten eines Videospiels und die Begleittöne saßen in einem einsteckbaren Modul; es ist auch im Eingangsbild zu sehen. Wer der Umwelt die Musik ersparen wollte, nutzte einen kleinen Kopfhörer.

First Lady Hillary Clinton vertieft sich 1993 in ein Game-Boy-Spiel.

Der Game Boy war nicht die erste tragbare Video-Konsole. Dieser Titel gebührt dem Autorennen des amerikanischen Spielzeug-Giganten Mattel. Es startete 1976; unser Video zeigt das Grundprinzip. 1979 erschien die Microvision von Milton Bradley. Der Bildschirm enthielt nur 16 mal 16 Pixel, doch ein Jahr lang verkaufte sich das Spiel gut. Noch besser erging es der Serie Game & Watch; in der Bundesrepublik hieß sie tricOtronic. Mit ihr stieg Nintendo 1980 in den Handheld-Markt ein, sie lief bis 1991. Hier kann man einzelne Spiele nachspielen.

Der Erfinder der Serie war der Ingenieur Gunpei Yokoi. Er war auch der Chef des Designers Shigeru Miyamoto und realisierte das von ihm ersonnene Spiel Donkey Kong. Es brachte Nintendo 1981 den Durchbruch im Weltmarkt. Miyamoto schuf mit den Mario Brothers und der Legende von Zelda weitere Erfolge; sein Vorgesetzter entwickelte aus der Konsole für Game & Watch den Game Boy. Gunpei Yokoi verließ Nintendo 1996 und gründete eine eigene Firma. Er starb ein Jahr später bei einem Verkehrsunfall.

Die neue Konsole wurde schnell zum Beststeller; Konkurrenten wie der Lynx von Atari oder der Sega Game Gear blieben trotz höherer Bildqualität auf der Strecke. Der Game Boy war bezahlbar, lag gut in der Hand und brachte eine reichhaltige Software mit. Im Angebot waren Abenteuer-, Kampf-, Puzzle- und Sportspiele, dazu Spielhallen-Favoriten wie „Breakout“  – „Alleyway“ auf dem Game Boy – und die Space Invaders. Die Mario-Brüder gab es gleich in zwei Varianten. Auch das Denkspiel Jeopardy! wurde konsolentauglich gemacht.

Die Tetris-Blöcke gibt es auch als geschmackvolle Zimmerbeleuchtung.

Das beste Spiel stammte aber aus der Sowjetunion. Der Moskauer Programmierer Alexei Paschitnow stellte im Juni 1984 sein Tetris fertig. Es basierte auf dem Pentomino-Puzzle und enthielt sieben Figuren aus vier Quadraten. Tetris eroberte zunächst den Ostblock; ab 1987 wurde es teils legal, teils illegal im Westen vermarktet. Am 22. März 1989 erhielt Nintendo von der UdSSR die Rechte für Spielkonsolen. Unser Eingangsbild zeigt einen Nintendo Game Boy mit einem Tetris-Spiel (Foto: Jan Braun, HNF). Die japanische Urversion des Game Boy hatte noch kein Tetris-Programm, wohl aber die amerikanische und diejenige für Europa.

Dank des Game Boys und seiner Nachfolger gelangten bis 2009 mehr als 35 Millionen Tetris-Module in Umlauf. Es zählt heute zu den Klassikern der Computerspiele. Vom Game Boy selbst wurden bis zum Produktionsende 2001 in allen Versionen 118 Millionen abgesetzt. Unter den Handheld-Konsolen war nur die Nintendo-DS-Familie erfolgreicher; sie kam von 2004 bis 2013 auf 154 Millionen verkaufte Exemplare. Für die Zukunft sind solche Zahlen nicht zu erwarten, da außerhalb der vier Wände meist am Smartphone gedaddelt wird.

Das ist eben der Fortschritt. Auf YouTube ist dokumentiert, wieviel Freude ein Game Boy zu Weihnachten bringt. Für die kommenden Ostertage wünschen wir unseren Lesern alles Gute; gleich anschließend melden wir uns wieder zurück. Wer Lust auf Tetris hat, findet es hier. Die Links- und Rechts-Pfeiltasten verschieben jede Figur, der Aufwärts-Pfeil dreht sie. Aber aufpassen, das Spiel macht süchtig.

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2 Kommentare auf “Dreissig Jahre Game Boy”

  1. Danke für den Beitrag und ebenfalls schöne Osterfeiertage. Wo würde man mehr über die Lizenzverhandlungen zwischen der UdSSR (staatliche Stellen?) und Nintendo erfahren? Wie wurde damit umgegangen, schließlich verletzten Ostblockfirmen selbst ja massenweise Patente? Bzw. woher stammt diese Information?

    1. HNF sagt:

      Diese BBC-Dokumentation bietet die entsprechenden Informationen: https://www.youtube.com/watch?v=NhwNTo_Yr3k

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