Vom Schreibautomaten zur Textverarbeitung

Geschrieben am 29.11.2022 von

Das Erstellen von Texten zählt zu den wichtigsten Nutzungen des Computers. Das HNF hat deshalb einen Bereich zur Textverarbeitung. Er wird zurzeit neu gestaltet und bringt eine Magnetkarten-Schreibmaschine der IBM sowie ein Wang-Textsystem. Schreibautomaten gab es schon 1912 in Amerika. In den 1960er-Jahren bot die Frankfurter Firma Eichner ein Gerät mit Lochstreifen und Lochkarten an.

Die Textverarbeitung zählt zu den wenigen Konzepten der Informatik, die bei uns entstanden und anschließend die Welt eroberten. Der Urheber war 1955 Ulrich Steinhilper von der IBM Deutschland GmbH. Als erste Hardware der Textverarbeitung – englisch heißt sie „Word Processing“ – gilt die Magnetband-Schreibmaschine IBM MB 72 von 1964. In den 1970er-Jahren verbreiteten sich Systeme mit Tastatur, Bildschirm und Elektronikschrank. Ab 1976 erschienen Mikrocomputer mit Schreibprogrammen.

Ein Auto-typist aus der Nachkriegszeit; links ist der Platz für die Schreibmaschine. Hinten erkennt man den breiten Papierstreifen. (Foto Computer History Museum)

Das HNF besitzt seit der Eröffnung einen Bereich zur Textverarbeitung; er liegt im zweiten Obergeschoss bei der großen Taschenrechner-Vitrine. Er wird derzeit erneuert und zeigt ab Anfang 2023 zwei Objektgruppen, die die Bandbreite der Technik abdecken. Die erste umfasst eine elektrische Schreibmaschine und eine Magnetkarteneinheit. Die Firma IBM verkaufte und vermiete sie ab 1969 unter dem Namen MC/ST. Das Kürzel steht für „Magnetic Card Selectric Typewriter“; die deutsche Bezeichnung lautete MK 72.

Das Gerät war Nachfolger der Schreibmaschine MB 72. Es ersetzte die dort verwendeten Magnetband-Kassetten durch eine Magnetkarte mit den Maßen einer IBM-Lochkarte. Sie nahm die getippten Texte auf, passte in Karteikästen und ermöglichte spätere Änderungen. Die Technik wird in einem Werbefilm von 1969 erklärt. Die MK-72-Maschine hatte aber keinen Monitor. Dieser fehlte auch dem Redactron-System, das die amerikanische Unternehmerin Evelyn Berezin 1971 schuf – wir porträtierten sie im Blog.

Ein Friden Flexowriter neben einem Computer LGP 21, aufgenommen in den 1960er-Jahren.

Die Computerfirma Wang saß im US-Bundesstaat Massachusetts; sie brachte 1972 eine ebenfalls bildschirmfreie Textverarbeitung hervor. 1976 folgte jedoch das Wang WPS, ausgeschrieben „Word Processing System“. Zu ihm gehörte ein Terminal mit Tastatur und Monitor sowie eine Elektronikbox. In den frühen 1980er-Jahren erschien das Wang OIS 40; OIS bedeutete „Office Information System“. Hier waren Tasten und Bildschirm getrennt; der Elektronikschrank enthielt einen Z80-Prozessor, eine Festplatte und ein Diskettenlaufwerk. Dazu gab es einen Drucker.

Das Wang OIS 40 ist das zweite Ensemble des HNF-Bereichs; wir sehen es im Eingangsbild. Es repräsentiert die neueren Anlagen der Textverarbeitung ohne eine Schreibmaschine. Wir möchten nun noch auf ihre Frühgeschichte eingehen. Im Blog wiesen wir auf Konrad Zuse hin, der 1938 ein Nachrichtengerät beschrieb. Es basierte auf dem von ihm erfundenen mechanischen Speicher und ermöglichte das Zusammenführen und die Ausgabe von Textblöcken. Die Bürotechnik in Europa kannte damals nur simple Adressiermaschinen.

Ein Flexowriter für Lochkarten (Foto Godfrey Manning CC BY 3.0)

In den USA kam schon 1912 ein Schreibautomat für Serienbriefe auf den Markt; Hersteller war die Firma Hooven in Cincinnati im Bundesstaat Ohio. Das Gerät bediente die Tastatur einer Schreibmaschine; der Text wurde durch einen perforierten Papierstreifen codiert. Diesen musste man natürlich zuvor mit einem speziellen Gerät erzeugen. Der Erfinder des Automaten, Thomas McCall, übernahm das Prinzip von den schon länger bekannten selbstspielenden Klavieren, die Reihen von Löchern in Notenrollen lasen.

Ganz ähnlich funktionierte der Auto-typist von 1927. Ihn baute eine Fabrik für automatische Pianos in Chicago, ab 1932 fertigte ihn die American Automatic Typewriter Company. Das ist ein Artikel über ihn, hier geht es zu einem Filmclip. Der Auto-typist arbeitete mit Druckluft, während der Robotyper mechanisch operierte; er entstand ab 1935 im US-Staat South Carolina. Zu ihm fanden wir ein Prospekt sowie ein Video. Beide Automaten wurden bis weit in die Nachkriegszeit produziert. Ein Auto-typist fand seinen Weg auch ins Depot des HNF.

Blick auf den Eichner tronictyper programat  (Foto Peter Kernwein)

Freunde alter Computer kennen den Flexowriter als Ein- und Ausgabe-Gerät. Seine Karriere begann 1925 als elektrische Schreibmaschine von der Firma Remington. Wir überspringen die Folgezeit und gehen in die späten 1950er-Jahre, als ihn der Büromaschinenhersteller Friden anbot. Der Flexowriter war jetzt eine vielseitig einsetzbare Maschine, die auch Inhalte von Lochstreifen zu Papier brachte. Die Eingabe unterschiedlicher Streifen ermöglichte eine Textverarbeitung. Wie eh und je musste man die Texte vorher eintippen und abspeichern.

Ein deutsches Äquivalent zum Flexowriter lieferte in den 1960er-Jahren die in Frankfurt am Main ansässige Büromaschinenfirma Eichner. Ihr tronictyper programat las Lochstreifen und schmale Lochkarten, wie im Film von 1963 zu sehen. Ein Schreibautomat überlebte in der Sammlung von Peter Kernwein; er wohnt in Ahorn im Nordosten Baden-Württembergs. Wir bedanken uns bei ihm für die Nutzungserlaubnis des obigen Fotos,. Das Bild unten zeigt die Magnetkarten-Schreibmaschine IBM MK 72 des HNF.

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2 Kommentare auf “Vom Schreibautomaten zur Textverarbeitung”

  1. Pierre Bartholdi sagt:

    Guten Tag,
    Falls Sie noch etwas ausführlicher über das Thema „Textbe- und Verarbeitung“ erfahren möchten, stelle ich Ihnen gerne meinen Artikel „Als IT noch nicht IT hiess“ zur Verfügung. Die Geschichte beginnt vor 1956 und handelt von SUPERTYPER, Zürich.

    1. Daniella Schlegel sagt:

      Hallo Herr Bartholdi,
      der Artikel würde mich sehr interessieren! Wie kann ich ihn lesen?
      Mit freundlichen Grüßen
      Daniella Schlegel

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