Wenn der Computerkäfer landet

Geschrieben am 08.09.2017 von

Im 19. Jahrhundert sprachen amerikanische Elektroingenieure von Bugs, wenn ihre Anlagen nicht funktionieren wollten. Das Wort bezeichnet eigentlich ein Insekt. Am 9. September 1947 wurde ein echter Bug in einem elektrischen System gefunden. Es war eine Motte, die in ein Relais des Großrechners Harvard Mark II geriet. Seitdem sind digitale Insekten aus Computern nicht wegzudenken.

Ort: Rechnerlabor der Harvard-Universität in Cambridge, Massachusetts. Zeit: Dienstag, 9. September 1947, nachmittags. Die Techniker des Labors testen einen neuen Computer, den Harvard Mark II. Er soll demnächst an das Forschungszentrum der US-Marine in Virginia geliefert werden. Der Mark II verrechnet sich, niemand weiß warum. Da entdeckt einer der Techniker, Bill Burke, den Grund. In einem der 13.000 Relais des Computers steckt eine tote Motte. Burke holt sie heraus und klebt sie ins Laborbuch ein, siehe Eingangsbild.

Das Laborbuch liegt seit 1994 im Nationalmuseum für Amerikanische Geschichte in Washington, dem wir auch unser Foto verdanken. Unter die Motte schrieb Burke später „First actual case of bug being found“, der erste echte Bug, der gefunden wurde. Das Wort „bug“ übersetzen wir nicht; es bezeichnet im amerikanischen Englisch eine Wanze, einen Käfer oder eben eine Motte, auf jeden Fall ein Insekt. Nach 1947 konnte ein Bug auch einen Programmierfehler meinen, und Debuggen bedeutet das Entfernen solcher Fehler.

Grace Hopper 1946 in Marineuniform

Die Geschichte des Harvard-Bugs von 1947 wurde dann durch Grace Hopper verbreitet, die sie oft und gerne erzählte. Die Mathematikerin, geboren im Jahr 1906, arbeitete damals in dem Labor, das der Computerpionier Howard Aiken leitete. Die beiden haben wir bereits im Blog kennengelernt. Von 1949 bis 1966 wirkte Grace Hopper in der Industrie, anschließend in der Marine. Ihr Spezialgebiet waren die Programmiersprachen. 1986 ging sie mit dem Rang eines Admirals in Pension. Sie starb 1992.

In den USA tauchten die Bugs im Sinne von Störungen schon im 19. Jahrhundert auf. Telegrafisten schlugen sich mit ihnen herum. 1876 finden wir sie in den Notizen des Erfinders Thomas Edison. Er beschäftigte sich mit dem Quadruplex-Telegrafen, der vier Nachrichten über eine einzige Leitung schickte. Für den Kampf gegen Bugs tüftelte er eine Schaltung aus, die er „bug trap“ nannte – „trap“ ist die Falle. Die Bugs wurden auch in Deutschland bekannt. 1895 schrieb ein mehrsprachiges Technikwörterbuch: „(wörtl. Käfer) Fehler in Telegraphenapparaten und –anlagen“

Bedienpult des Rechners Harvard Mark II (Foto Computer History Museum)

Telegrafen und Telegramme gibt es kaum noch, dafür aber Computer, und mit ihnen erlebten die Bugs einen triumphalen Aufstieg. Niemand ist frei von Fehlern, erst recht nicht die Computerprogramme, und das Debuggen gehört zum täglichen Leben der Informatiker. Die Industrie erfand außerdem das Korrekturprogramm oder Patch. Während Bugs meist die Software befallen, sucht ein Glitch eher Hardware heim. Das Wort entstand in den 1960er-Jahren in der Raumfahrttechnik; es hat vielleicht deutsche Wurzeln („glitschig“).

Im Schreckenskabinett der Computergeschichte finden wir viele Bugs. Das Internet liefert die Übersichten von Thomas Huckle und Nachum Dershowitz sowie die Listen der deutschen und der englischen Wikipedia. Zum Schluss sei noch die zweite informationstechnische Bedeutung des Bugs erwähnt: Er dient auch zum Abhören und heißt dann Wanze. Und außerdem gibt es die guten Computerkäfer, über deren Leben und Treiben der Schweizer Informatik-Autor Emil Zopfi ein wunderschönes Buch schrieb.

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