Wien 1974 – Informatik im Museum
Geschrieben am 03.05.2024 von HNF
Vor fünfzig Jahren, am 2. Mai 1974, weihte die österreichische Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg im Technischen Museum Wien die Abteilung für Datenverarbeitung ein. Sie war die erste Museumsausstellung dieser Art und enthielt eine Präsentation zur Geschichte der Informatik. Aufgebaut hatte sie der Computerpionier Heinz Zemanek, der sich dabei durch eine IBM-Schau in New York inspirieren ließ.
Diese Mitteilung wurde vor fünfzig Jahren in Wien und Umgebung verschickt: „Die Direktion des Technischen Museums für Industrie und Gewerbe und die Geschäftsführung der IBM Österreich geben sich die Ehre zur festlichen Eröffnung der Abteilung Datenverarbeitung im Technischen Museum Wien durch Bundesminister Frau Dr. Hertha Firnberg für Donnerstag, den 2. Mai 1974 höflichst einzuladen.“
Die oben angezeigte Veranstaltung begann an jenem Tag um 18 Uhr; es sprachen der Direktor des Museums, Hofrat Rolf Niederhuemer, der österreichische IBM-Geschäftsführer Leopold Hanau, Heinz Zemanek, Chef des Wiener IBM-Laboratoriums, und die Ministerin. Sie gab anschließend den neuen Bereich zur Datenverarbeitung frei. Er dürfte die erste Museumsausstellung zu diesem Thema in der Welt gewesen sein.. Ein zentrales Element behandelte die Geschichte der Informatik vom Abakus bis zum Computer.
Dafür verantwortlich war der damals 54 Jahre alte Heinz Zemanek. Neben seiner Tätigkeit für IBM unterrichtete er als Professor an der TH Wien; sein Leben haben wir im Blog geschildert. 1971 sah Zemanek in der New Yorker IBM-Zentrale die Ausstellung A Computer Perspective des Designer-Ehepaars Charles und Ray Eames. Besonders faszinierte ihn die sechsteilige Geschichtswand, die mit Texten, Bildern und Objekten die Entwicklung der Rechentechnik von 1890 bis 1950 ausbreitete; hier ist dazu ein Video. Zemanek fasste den Plan, etwas Ähnliches in Wien zu konstruieren.
Zusammen mit seinem Assistenten Gerhard Chroust schuf er 1973 eine historische Wand für den Kongress des Internationalen Statistischen Instituts. 1974 folgte, unterstützt von IBM Österreich, das Exemplar fürs Technische Museum. Die IBM-Firmenzeitschrift „Panorama“ schrieb im April 1974: „Die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit hat in enger Zusammenarbeit mit dem Wiener IBM-Laboratorium, der Schulungsabteilung, dem Technischen Dienst, den Geschäftsstellen, dem Technischen Museum Wien und dem Österreichischen Schulrechenzentrum diese Ausstellung geplant und organisiert.“
Wahrscheinlich übertrieb die Firma hier etwas. Die von der IBM geförderte Geschichtswand enthielt aber 545 Objekte, Fotos, Grafiken, Druckwerke und Textzitate, die elf Abschnitte füllten. Zemanek übernahm den chronologischen Ansatz der Eames-Ausstellung, er startete jedoch in der Antike und endete in den frühen 1970er-Jahren. Die Wand bildete das Zentrum der DV-Abteilung des Technischen Museums. Neben ihr befanden sich Einführungstexte und Objekte aus dem Depot wie die Geräte von Gustav Tauschek und Heinz Zemaneks Computer Mailüfterl. Sein Schaltpult ist oben im Eingangsbild zu sehen.
Innerhalb der historischen Abfolge unterschied die Geschichtswand fünf Felder, die sich durch die Rechen- und Computertechnik ziehen. Das waren die theoretischen Grundlagen, die Programmierung, die Elektronik, die praktischen Anwendungen und die Entsprechungen von Mensch und Maschine. Im Begleitblatt hob Zemanek vier Persönlichkeiten hervor, die für ihn die Datenverarbeitung möglich machten: den Lochkartenpionier Herman Hollerith, seinen österreichischen Epigonen Otto Schäffler, den Philosophen Ludwig Wittgenstein und Konrad Zuse, den Erfinder des Computers.
Die Abteilung Datenverarbeitung des Technischen Museums Wien zeigte die gute alte Zeit der Informatik. Die historische Wand enthielt aber eine Siliziumscheibe mit integrierten Schaltelementen, die von IBM stammte. Ein Buch und ein Diagramm verwiesen auf Computernetze. Zemanek dachte ebenso an die mit der Künstlichen Intelligenz verwandte Kybernetik. Die Abteilung schloss im Jahr 1992, heute besitzt das Haus die Ausstellung medien.welten. Von der Zemanek-Sammlung überlebten einige der dort platzierten Objekte; sie erscheinen im Online-Archiv des Museums mit dem Suchwort „Geschichtswand“.
Erhalten blieben außerdem Fotos, die in der Abteilung drumherum entstanden; wir danken Stephan Schulz vom Team Public Relations, der sie zur Verfügung stellte. Darüber hinaus gibt es Bilder der Wanderausstellung, die nach dem Vorbild der Geschichtswand produziert wurde. Ein Exemplar jener Ausstellung kam nach Bautzen; Andreas Samuel, ehemaliger Leiter des Zuseums, schickte Fotos. Dafür sei ihm ebenfalls gedankt. Ein Hinweis: Wenn man ein Bild im Blogtext anklickt, dann wird es größer!