60 Jahre Faxe machen
Geschrieben am 07.05.2024 von HNF
Es ist traurig aber wahr: Das Faxgerät, eine Säule der deutschen Bürokultur, verschwindet. Daher möchten wir heute den Anfang dieser Technik behandeln. Das erste praktikable System, das Faxe verschickte und ausdruckte, kam am 5. Mai 1964 heraus. Es hieß „Long Distance Xerography“, kurz LDX, und stammte, wie man sich denken kann, von der Firma Xerox.
Wann genau die Faxtechnik entstand, ist schwer zu sagen. Der schottische Ingenieur Alexander Bain ersann in den 1840er-Jahren einen Telegrafen, der ein Bild auf chemisch behandeltes Papier übertrug. Er erhielt 1843 ein englisches und 1848 ein amerikanisches Patent. 1858 wurde der Pantelegraph des italienischen Physikers Giovanni Caselli in Paris vorgeführt. Er verschickte Worte und Skizzen, die man mit nicht leitfähiger Tinte auf eine Metallfolie auftrug. Ein deutscher Pionier des Bildtelegrafie war der Physiker Arthur Korn.
Vor fast genau hundert Jahren, am 19. Mai 1924, testete die Telefongesellschaft AT&T die Telephotographie. Dabei wurden in Chicago und in Cleveland Dias auf einer rotierenden Trommel gescannt und die Resultate durch eine Telefonleitung nach New York übertragen. Dort belichteten die Signale ein fotografisches Negativ auf einer sich synchron drehenden Trommel. Am Ende erhielt man ein Positivbild des ursprünglichen Dias; dieser Film erklärt das Verfahren. Die Firma RCA entwickelte zur gleichen Zeit eine Transmission per Funk.
Solche Verfahren – es gab noch einige mehr – könnte man mit dem Wort Fax bezeichnen, wir möchten die Geschichte der Technik aber später starten, am 5. Mai 1964. Damals stellte die Xerox Corporation die Long Distance Xerography oder LDX vor, auf Deutsch Fernkopie. Das Unternehmen kannte man vor sechzig Jahren als Pionier des Vervielfältigens und Hersteller des erfolgreichen Modells Xerox 914. Die LDX knüpfte an diese Tradition an, sie war, salopp gesagt, ein durchgeschnittener Trockenkopierer und umfasste zwei Module.
Das erste, der Scanner, war gut ein Meter hoch und 60 Zentimeter breit; die Tiefe betrug 116 Zentimeter, was auch an einer vorspringenden Platte an der Vorderfront lag. In den Scanner legte man das zu faxende Dokument. In seinem Inneren saß eine Kathodenstrahlröhre, über die ein Lichtfleck huschte. Eine Linse lenkte ihn von oben auf das Dokument, kurz, es wurde durch den Fleck gescannt. Die Reflexe nahm eine spezielle Röhre auf, die sie verstärkte und in elektrische Signale umwandelte. Sie gelangten danach an den Drucker.
Er war 1,40 Meter hoch, ein wenig breiter, aber nicht so tief wie der Scanner. In ihm geschah im Prinzip das, was in einem Xerox-Kopierer passierte. Die ankommenden Signale gingen an eine weitere Kathodenstrahlröhre; ihr Bild wurde auf die mit Selen beschichtete Oberfläche eines rotierenden Zylinders projiziert. Auf ihm entstand durch den Toner eine Kopie, die schließlich auf eine Papierseite übertragen wurde. Sie war das Endprodukt des Faxvorgangs, das eigentliche Fax. Diese Grafik liefert einen Überblick über die gesamte Prozedur.
Übertragen konnte man nur in einer Richtung. Eine Firma, die zwischen zwei Stationen hin und zurück faxen wollte, musste ein weiteres Gerätepaar anschaffen. Die Fax-Daten liefen auch nicht über die normale Telefonleitung, sondern benötigten ein Breitbandkabel oder Mikrowellen-Verbindungen. Je nach der Auflösung beim Scannen und der Bandbreite der Leitung ließen sich eine bis neun Seiten pro Minute versenden. Die Anlagen wurden von Xerox für 1.200 Dollar pro Monat vermietet; dazu kam das Geld für die Übertragungsstrecke. Nähere Einzelheiten stehen hier.
Wegen der Kosten fand die LDX wenig Anwender. Xerox tat sich daraufhin mit der Elektronikfirma Magnavox zusammen und brachte im Juli 1966 das Magnafax 840 heraus, auch bekannt als Telecopier. Das neue und kleinere Faxgerät erforderte nur fünfzig Dollar pro Monat; später stieg die Miete etwas an. Es diente als Sende- wie als Empfangsstation, außerdem ließ es sich ans normale Telefonnetz anschließen. Mit ihm eroberte Xerox den Markt. 1968 tauchte es in dem legendären Kriminalfilm Bullitt auf, wie im Clip zu erkennen.
Bei uns wachte die Bundespost über die Einführung neuer Technologien, doch 1974 durfte gefaxt werden. Der SPIEGEL zählte im Oktober sechs Modelle von Telephonkopierern. Die Wiesbadener Kalle AG bot den infotec 6000 an, aus Amerika kam der Telekopierer Xerox 400. Die Firma Hell produzierte in Kiel Hellfax-Fernkopierer und die Olympia-Werke Wilhelmshaven das in den USA entwickelte Modell DEX 181. Um Kunden warben außerdem das US-Unternehmen 3M und die deutsch-belgische Agfa-Gevaert-Gruppe. Ein Artikel der Computerwoche ging 1975 auf technische und preisliche Details ein.
Das ist nun Vergangenheit. Mehr zur Fax-Geschichte kann man nach Anmeldung im Internet Archive lesen; das ist eine Einführung von 1971, dieses Buch von 2015 blickt zurück. Geräte zur Bildtelegrafie zeigen das technikum29 und die Sammlung der Museumsstiftung Post und Telekommunikationen; das Berliner Museum der Stiftung setzte eine Präsentation ins Internet. Wir schließen mit Werbespots der Telekom aus den Jahren 1996 und 1998, unser Eingangsbild zeigt aber ein Nixdorf-Faxgerät von 1988.
Als Ergänzung zu Ihren Literaturhinweisen vielleicht noch Hinweisen auf die Biografie von Dr.-Ing. Rudolf Hell von Boris Fuchs und Christian Onnasch (Wachter Verlag, Heidelberg 2005, ISBN 3-89904-163-1). Enthält auch weitere Miterfinder und historische Abbildungen.
Die Xerox-Geräte als Startpunkt für „richtige“ Faxgeräte zu definieren, wirkt etwas willkürlich. Die Hellfax-Geräte beispielsweise wurden ja bereits seit den fünfziger Jahren in signifikanten Stückzahlen produziert und verwendet.
Wie ist hier die Abgrenzung gewählt worden? Geht es darum, dass das Original lose eingelegt werden konnte und nicht mehr auf eine Trommel aufgespannt werden musste? Im Text habe ich nur den Hinweis „wir möchten die Geschichte erst später starten“ gefunden.
Die Faxgeschichte ist in der Tat sehr umfangreich wie hier zu sehen ist: https://www.hell-kiel.de/de/hell-entwicklungen/nachrichtentechnik/faxgeraete