Der Kleine von der IBM

Geschrieben am 08.09.2020 von

In den 1970er-Jahren besaßen Großrechner eine überragende Bedeutung.  Die Firma IBM wurde mit ihnen zum Weltmarktführer. Aber schon 1973 entstand im kalifornischen IBM-Zweig der tragbare Computer SCAMP. Aus ihm ging zwei Jahre später der IBM 5100 hervor. Am 9. September 1975 brachte ihn die IBM in den Handel. Er war der erste Kleinrechner des Unternehmens.

Man glaubt es kaum, aber es stimmt: 1973 hatte die IBM eine Abteilung im Silicon Valley, eigentlich sogar zwei. In den Hügeln von Los Gatos saß das Labor für fortgeschrittene Systementwicklung und in Palo Alto das IBM-Wissenschaftszentrum. Hier arbeitete der Ingenieur Paul Friedl. Im Januar des Jahres schlug er der Firmenleitung im Osten der USA die Entwicklung eines neuen kleinen Computers vor. Er versprach, in sechs Monaten fertig zu werden, und erhielt den Auftrag.

Im August 1973 legten Friedl und sein Team einen lauffähigen Prototyp vor. Er hieß SCAMP oder „Special Computer, APL Machine, Portable“. APL war eine Programmiersprache, die der Rechner verstand. Das englische Wort „Scamp“ heißt so viel wie Frechdachs. Der kleine Schlingel hatte im Inneren Mikrochips und einen Arbeitsspeicher für 16 Kilobyte; dazu kam eine Datenkassette. Er war 53 Zentimeter breit; zugeklappt ließ er sich mit einem Handgriff tragen. Der SCAMP wurde nicht in Serie gebaut, aber oftmals in der Firma vorgeführt.

So schön kann ein IBM-Computer sein. Der hintere Teil des SCAMP mit dem Monitor war versenkbar. (Foto National Museum of American History, Smithsonian Institution)

Er war außerdem die technische Basis für einen Computer, den die IBM am 9. September 1975 auf den Markt brachte. Der IBM 5100 wurde in der IBM-Fabrik von Rochester im US-Bundesstaat Minnesota entwickelt und gefertigt. Er wog 24 Kilo und rechnete mit 16 Bit und einer Zentraleinheit, die sich auf 15 Chips verteilte; die Speicherchips fassten 16 bis 64 Kilobyte. Die Sprachen APL und BASIC waren auf Read-Only-Speichern zugänglich. Größere Datenmengen nahm eine Magnetbandkassette für 208 Kilobyte auf.

Je nach Version musste man für den IBM 5100 zwischen 8.975 und 19.975 Dollar zahlen. Weiteres Geld kosteten die Peripheriegeräte und die Software; IBM lieferte über tausend Programme aus Mathematik, Statistik und Betriebswirtschaft. Für alte IBM-Kunden war der Computer ein ungewohnter Anblick. Im Januar 1975 hatte Big Blue erst das System /32 vorgestellt, einen Minicomputer im gewohnten Stil. Er besaß die Maße einer Gefriertruhe; die Monatsmiete lag knapp unter 1.000 Dollar. Die Nachfrage war dennoch groß.

System /32: mittlere Datentechnik im vertrauten Design. (Foto Computer History Museum)

Der IBM 5100 erinnerte äußerlich an den seit 1973 erhältlichen Wang 2200. Seine Zentraleinheit saß in einem separaten Modul; dafür war der Wang für nur 7.400 Dollar zu haben. Schon zwei Wochen nach der Präsentation des kleinen IBM wies das Fachblatt Computerworld auf die Konkurrenz hin: „Wie zu erwarten war, brachte IBM ein Gerät zu einem Cadillac-Preis heraus, das viel teurer ist als andere ähnliche Modelle.“ Die IBM versuchte es mit Werbespots, der Verkauf blieb aber hinter den Erwartungen zurück.

Anfang 1978 erschien der verbesserte Typ IBM 5110, zwei Jahre später der IBM 5120. Er war umgestylt worden und brachte 45 Kilo auf die Waage. Der Verkaufspreis lag zwischen 9.340 und 23.990 Dollar. Nachfolger des IBM 5120 war der Datamaster; er kam im Juli 1981 heraus und kostete 9.000 Dollar und mehr. Der Datenmeister war der erste IBM-Rechner mit einem fremden Mikroprozessor, dem Acht-Bit-Chip Intel 8085. Einen Monat später, am 12. August 1981, erfolgte die Premiere des IBM PC. Der Rest ist Technikgeschichte.

Der Wang 2200 PCS von 1976 leistete etwa das Gleiche wie der IBM 5100 ein Jahr zuvor. Die ersten Wang-2200-Modelle besaßen ein separates Modul für die Elektronik.

Die frühen Kleinrechner von Big Blue sind heute weitgehend vergessen; einige blieben in Museen erhalten. Den SCAMP verwahrt das Nationalmuseum für amerikanische Geschichte in Washington. Modelle des IBM 5100 zeigen das Museum für Kommunikation in Bern, das Computermuseum Stuttgart und eines ist im HNF wie auch im Titelbild zu sehen. Ein IBM 5110 befindet sich im Computermuseum Kiel.

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