Die erste Control Data
Geschrieben am 15.10.2019 von HNF
Vor sechzig Jahren kamen Computer mit Transistoren heraus. Unsere kleine Serie zu dieser Technik schließt mit der CDC 1604 der Control Data Corporation. Die Firma wurde am 8. Juli 1957 in Minneapolis gegründet, und die CDC 1604 war ihr erster Großrechner. Die Ankündigung erfolgte am 16. Oktober 1959. Der Konstrukteur hieß Seymour Cray.
Die Anfänge der Control Data Corporation gehen in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurück. Damals besaß die amerikanische Marine in Washington eine Arbeitsgruppe, die deutsche und japanische Funksprüche entschlüsselte. Nach Kriegsende wollte die Navy das Team zusammenhalten. 1946 sorgte sie für die Gründung der Engineering Research Associates, (ERA) wo es unterkam. Die Firma saß in Saint Paul im US-Bundesstaat Minnesota und baute bald Computer zum Knacken von Geheimcodes.
1952 wurde ERA von der Firma Remington Rand übernommen; diese schloss sich dann mit der Sperry Corporation zu Sperry Rand zusammen. Einige ERA-Mitarbeiter fühlten sich nicht mehr wohl und stiegen aus; in der Nachbarstadt Minneapolis gründeten sie am 8. Juli 1957 die Control Data Corporation CDC. Chef wurde der 1911 geborene William Norris; er hatte zur Entschlüsselungsgruppe der Navy gehört. 1958 kam der 1925 geborene Ingenieur Seymour Cray zu Control Data. Nach Abschluss seines Studiums ging er 1951 zur ERA.
Dort entwickelte er den Röhrencomputer ERA 1103. Das siebzehn Tonnen schwere Gerät diente primär wissenschaftlichen und technischen Berechnungen, vor allem in der Luftfahrtindustrie. Bei Control Data verwendete Seymour Cray keine Röhren mehr, sondern griff zum Transistor. Um sich mit der neuen Technik vertraut zu machen, baute er 1958 ein Testmodell mit fünfhundert Transistorkarten. Es trug den Namen Little Character. Das kleine Schriftzeichen steht heute im Computer History Museum in Kalifornien.
Sein nächstes Projekt war ein Großrechner für Forscher und Ingenieure. Am 16. Oktober 1959 machte die Control Data Corporation die CDC 1604 bekannt. Der Arbeitsspeicher umfasste 32.000 Worte zu je 48 Bit; das entspricht 192 Kilobyte. Weiteren Speicherplatz lieferten die Bandlaufwerke. Die Zentraleinheit war 2,27 Meter lang, 1,76 Meter hoch und wog eine Tonne. Die Taktrate lag bei 208 Kilohertz; pro Sekunde führte der Computer 100.000 Operationen aus. Unser Eingangsbild (Foto indignance CC BY 2.0) zeigt das Bedienpult.
Den ersten User erreichte die CDC 1604 am 12. Januar 1960. Der Computer wurde in einer Schule der Marine im kalifornischen Monterey aufgestellt. Insgesamt setzte Control Data fünfzig Systeme ab. Schärfster Konkurrent war IBM. Zufällig sind wir genau über die Preise informiert. Die CDC 1604 gab es für 1,4 Millionen Dollar oder 42.000 Dollar Miete im Monat. Die nur wenig schnellere IBM 7090 kostete drei Millionen pro Stück oder 67.000 Dollar monatlich. Big Blue unterbot 1963 mit einem neuen Modell die Miete von Control Data.
Im gleichen Jahr erhielt die Technische Hochschule Hannover den Control-Data-Rechner. An ihm erforschte der Kieler Mathematiker Heinrich Heesch das berühmte Vierfarbenproblem; die Lösung fand erst 1978 eine IBM in Amerika. In den späten Sechzigern kaufte die DDR drei Exemplare der CDC 1604; sie liefen in Leuna, Leipzig und Rostock. Eine der drei Maschinen wurde später noch in Cottbus eingesetzt. Sie ist inzwischen im Depot des Deutschen Technikmuseums in Berlin; zum Glück hat auch das schöne Bedienpult überlebt.
Dank der Einnahmen durch die CDC 1604 und trotz des Ärgers mit der IBM blieb die Control Data Corporation im Geschäft. Schon 1960 schuf Seymour Cray den schreibtischgroßen Rechner CDC 160. Er gilt zusammen mit der PDP-1 von Digital Equipment als der erste Minicomputer. 1966 erschien die etwas größere CDC 1700; von ihr steht ein Exemplar im Computermuseum Kiel. Über das weitere Schicksal von Control Data und Seymour Cray haben wir bereits im Blog berichtet.