Die intelligente Programmiersprache

Geschrieben am 15.04.2019 von

Wenn ein Computer so schlau ist wie ein Mensch, dann liegt es an der Software. Niemand begriff das besser als der amerikanische Mathematiker John McCarthy. Im April 1959 veröffentlichte er die Sprache LISP; sie eignet sich hervorragend für Programme aus der Künstlichen Intelligenz. Ab 1979 bauten Computerfirmen sogenannte Lisp-Maschinen, die auf diese Sprache zugeschnitten waren.   

Wer erfand die Künstliche Intelligenz? War es Wolfgang von Kempelen, der vor 250 Jahren einen getürkten Schachautomaten baute? Oder eher der Psychiater Ross Ashby, der 1948 seinen Homöostat zum Pendeln brachte? Oder vielleicht der Amerikaner Arthur Samuel, der ab 1952 bei der IBM ein lernfähiges Damespiel-Programm schuf?

Die besten Chancen auf den Erfinderruhm dürfte ein Landsmann von Samuel haben. John McCarthy kam 1955 auf den Begriff „Artificial Intelligence“; 1956 organisierte er dazu eine Folge von Seminaren im Dartmouth College. Die Hochschule im Osten der USA gilt seitdem als Geburtsort des Forschungsgebiets – wir erwähnten es im Blog.  McCarthy war damals 28 Jahre alt. Er wurde in Boston geboren und wuchs in Kalifornien auf. Dort absolvierte er das Grundstudium in Mathematik; den Doktortitel erhielt er 1951 in Princeton.

1955 war McCarthy Assistenzprofessor im Dartmouth College; nach der KI-Tagung von 1956 wechselte er in seine Geburtsstadt und ans Massachusetts Institute of Technology. Zunächst verfasste er ein Programm namens Advice Taker, was man mit Ratsucher übersetzen kann. Es enthielt eine Liste von Ausdrücken, die ein Modell der Welt ergaben. Nun wurde dem Programm eine Aufgabe gestellt, etwa von einem Ort zu einem anderen zu gelangen. Die Lösung bestand im richtigen Verketten der vorliegenden Beschreibungen.

John McCarthy in den 1950er-Jahren. Später legte er sich einen Vollbart zu. (Foto Computer History Museum/MIT Museum)

1958 schilderte John McCarthy sein Programm auf der ersten Fachtagung zur Künstlichen Intelligenz in London. Im MIT startete er mit seinem Kollegen Marvin Minsky und einigen Studenten ein neues KI-Projekt. Das Ziel war eine Weiterentwicklung des Advice Takers. Als Hardware stand eine IBM 704 zur Verfügung; solch einen Computer zeigt das Eingangsbild. Das Resultat lag im April 1959 vor: die Programmiersprache LISP. Das Kürzel wurde später zu Lisp; es steht für List Processing, zu Deutsch Listenverarbeitung.

Die Originalarbeit trug den Titel „Rekursive Funktionen von symbolischen Ausdrücken und ihre Berechnung durch Maschinen“; sie beginnt auf PDF-Seite 3 von dieser Datei. In etwas schönerer Form erschien der Text 1960 in einer technischen Zeitschrift. Weite Verbreitung erlangte die Version LISP 1.5 von 1962. In der Folgezeit teilte sich die Programmiersprache in unterschiedliche Typen auf. Den nettesten Namen trug sicherlich der Dialekt Franz Lisp; er entstand 1980 in der Universität  Berkeley.

LISP ist von außen betrachtet die einfachste Programmiersprache der Welt. Ihre Befehle enthalten Zeichen oder Zeichenketten, die in verschachtelten Klammern stecken. Dennoch ist die Sprache vielseitig einsetzbar; besondere Beliebtheit genoss sie unter Forschern der Künstlichen Intelligenz. Das Handbuch von LISP 1.5 brachte in Kapitel VIII ein Programm, das die Wahrheit von Formeln der Aussagenlogik feststellte. Die MIT-Software SHRDLU – mit ihr konnte man über ein Klötzchen-Universum sprechen – schrieb Terry Winograd 1970 mit dem Dialekt Maclisp.

Zwei Anweisungen des Dialekts newLISP – die Pfeile gehören nicht dazu, sondern dienen nur zur Erläuterung. (Bild Cormullion CC BY-SA 3.0)

John McCarthy verließ 1962 das MIT in Boston und wurde Professor an der kalifornischen Stanford-Universität. Hier lehrte er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000. Er gewann alle Preise, die man in der Informatik gewinnen kann; den Turing Award bekam er 1971. McCarthy starb 2011. Zu Lebzeiten zählte er zu den herausragenden Vertretern der symbolischen oder altmodischen Künstlichen Intelligenz, die an mathematisch-logische Verfahren glaubten. 1978 wirkte er in einem TV-Film über Geist-Maschinen mit; bitte zu Minute 31 gehen.

Sein Vermächtnis bleibt aber LISP. Sie ist auch die einzige Programmiersprache, die sich in Hardware niederschlug. In den 1970er-Jahren liefen im MIT die ersten Lisp-Maschinen. Ihre Betriebssysteme waren in jener Sprache geschrieben, und ihre Schaltkreise waren für LISP-Programme optimiert. 1979 wurde in Cambridge bei Boston die Firma Lisp Machines gegründet; 1980 entstand die Symbolics Inc. Ab 1983 fertigte der Elektronikriese Texas Instruments die Computer von Lisp Machines in Lizenz. Sie hießen jetzt Explorer.

Am Geschäft beteiligte sich außerdem die Sperry Corporation in New York. Wie man weiß, fusionierte sie 1986 mit der Computerfirma Burroughs zu Unisys. Eine Folge war, dass Sperry-Produkte neue Firmenschildchen erhielten, was auch die Explorer betraf. Eine Maschine fand den Weg nach Paderborn in das Depot des HNF. Das Foto des Lisp-Machines-Texas-Instruments-Sperry-Unisys-Explorers soll unseren Artikel abschließen.

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Ein Kommentar auf “Die intelligente Programmiersprache”

  1. Thomas Grauel sagt:

    Sehr schöner Artikel über eine super interessante Programmiersprache.
    Vielleicht noch eine kleine Anmerkung:
    Allerdings gab es neben Lisp-Maschinen noch eine weitere Programmiersprache, die sich in Hardware niederschlug: Die Programmiersprache Forth. Hier gab es gleich 2 Prozessoren, die speziell für die Stack-Architektur von Forth entwickelt wurden und auf denen diese Programmiersprache auch nativ lief: Der Novix NC4016 und der Harris RTX 2000. Hier mal eine Webseite und ein PDF zum Harris RTX 2000:
    https://users.ece.cmu.edu/~koopman/stack_computers/sec4_5.html
    http://soton.mpeforth.com/flag/jfar/vol6/no1/article1.pdf

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