Frau am Computer

Geschrieben am 25.09.2020 von

Wer in einem Büro arbeitet, sitzt in der Regel am Computer; das Geschlecht hat damit wenig zu tun. Frauen an verantwortungsvoller Stelle in der Informationstechnik sind aber rar gesät, sei es in der Wirtschaft, der Verwaltung oder der Hochschule. Schon vor 35 Jahren behandelte die amerikanische TV-Serie „Computer Chronicles“ das knifflige Thema Frau und Computer.

Die jüngere und jüngste Geschichte des Computers stand im Mittelpunkt der Serie „The Computer Chronicles“. Der Fernsehkanal PBS strahlte sie von 1983 bis 2002 aus, ab 1989 als „Computer Chronicles“ ohne Artikel. Produziert wurde sie in San Mateo in der Nähe von San Francisco. Die halbstündigen Folgen sind im Internet archiviert. Man findet darin Hardware, die einst die Herzen der Nerds höher schlagen ließ, Persönlichkeiten der Industrie sowie Themen aus Politik und Gesellschaft mit Computerbezug.

Die Folge vom 17. September 1985 hat den Titel Women in Computing. Moderiert wurde sie von Stewart Cheifet, dem Produzenten der Serie, und Gary Kildall, Chef der Software-Firma Digital Research und Urheber des Betriebssystems CP/M. Zwei Herren also, aber das war man aus Computersendungen der 1980er-Jahre gewohnt und galt auch hierzulande. Man denke an die Sendungen zum NDR-Klein-Computer oder an die beiden Wolfgangs, Wolfgang Back und Wolfgang Rudolph, vom WDR Computerclub.

Die Chronisten luden aber nur weibliche Gäste ein; sechs saßen im TV-Studio und zwei erschienen in Filmeinspielungen. Die Sendung begann mit einem Blick ins Exploratorium, das Science Center von San Francisco. Dort hockten ebenso viele Mädchen wie Jungs vor den Atari-Rechnern. Wir hören aber, dass sich mit der Zeit der Gender Gap auftut: unter den Teenagern überflügelten die Boys am Computer klar die Girls. Stewart Cheifet zeigte deshalb im nächsten Clip eine programmierende Sechzehnjährige namens Kori Grimm.

Die ersten Studiogäste hießen Thelma und Judy Estrin. Thelma war Informatik-Professorin in Los Angeles; 1954 hatten sie und ihr Ehemann Gerald beim Bau des ersten israelischen Computers WEIZAC mitgewirkt. Es verwundert nicht, dass Tochter Judy eine Karriere in der Informatik einschlug. In den 1970er-Jahren half sie dem Internet-Pionier Vinton Cerf bei der Entwicklung des Übertragungsverfahrens TCP. Das verleiht Selbstbewusstsein. Judy Estrin ist Mitgründerin von acht IT-Firmen.

Das amerikanische Poster von 1943 inspirierte noch die Frauenbewegung der 1980er-Jahre.

Eine Firma startete ebenso die nächste Frau am Studiotisch. Die Psychologin Elizabeth Stott entwickelte im Unternehmen Rhiannon das Spiel Cave Girl Clair. Das Höhlenmädchen sollte junge Userinnen ansprechen; man kann es hochladen und nach einigem Herumprobieren auch spielen. Neben Elizabeth Stott saß Kay Gilliland. Die gebürtige Engländerin kam als junge Frau in die USA; 1985 arbeitete sie in der Universität Berkeley und organisierte Fortbildungen für Mathematik- und Informatiklehrerinnen. Mehr zu ihrem Leben steht hier.

In einem längeren Film sehen wir dann Deborah Brecher und ihre Computerschule für Frauen in San Francisco. Im Blog besprachen wir bereits ihr Buch Go Stop Run. Dort wie in ihrer Schule betonte die Autorin die Parallelen zwischen Programmen und Kochrezepten; sie hielt das für eine spezifisch weibliche Anschauung. Die Kochbuch-Theorie hat inzwischen die Lehre der Algorithmen erreicht, und sie ist leichter zu verstehen als Turing-Maschinen. Und das merken auch Männer.

Die letzten beiden Gäste im Studio waren Adele Goldberg und Jan Lewis. Erstere zählt zu den Pionierinnen der Informatik aufgrund ihrer Tätigkeit im Forschungszentrum Xerox PARC, Jan Lewis arbeitete 1985 als angesehene Marktforscherin im Silicon Valley. Die Zielrichtung der Fernsehsendung ist klar: Stewart Cheifet und Gary Kildall stellten Frauen vor, die sich um die Emanzipation in der Computerwelt bemühten und zugleich in der Branche Erfolg hatten. Der „Gender Gap“ wurde nicht geleugnet, doch man hoffte, dass er sich schließen würde.

Was passierte damals in der Bundesrepublik Deutschland? 1986 bekam die Gesellschaft für Informatik eine Fachgruppe „Frauenarbeit und Informatik“, heute Frauen und Informatik. Drei Jahre später hielt sie ihre erste Tagung ab. Zur Zeit überwiegen aber immer noch die Männer in den Computerberufen; im März 2019 sprach der Berliner „Tagesspiegel“ vom Frauenproblem der IT-Branche. Ein Gleichstand der Geschlechter ergab sich dagegen bei der Teilnahme an Computerspielen. Hier ist die Zeit der Höhlenmädchen endgültig vorbei.

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2 Kommentare auf “Frau am Computer”

  1. Ray sagt:

    Die großartige Serie „halt and catch fire“ hat eine wunderbare Protagonistin.

  2. Gabriele Sowada sagt:

    Frauen und Computer – eine unendliche Geschichte …
    2015 brachte uns mit vielen Beiträgen zu Ada, Countess of Lovelace, einen Blick in die allerersten Anfänge.
    2017 brachten uns die „Hidden Figures“ die menschlichen Computer der frühen Computergeschichte näher.
    Nun also der Blick auf Frauen in der jüngeren Computergeschichte. Habe mit Schmunzeln den erwähnten Beitrag „Women in Computing“ an- und in die Vergangenheit (damit auch meine Berufsvergangenheit) zurückgeschaut.
    Danke für den Tipp!

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