Heinz Nixdorf und die Politiker
Geschrieben am 04.11.2025 von HNF
Das Verhältnis von Heinz Nixdorf zu Politikern war komplex. Im Herbst 1982 stürzte er sich jedoch in den Politikbetrieb. Seine Firma erwarb den Anteil des zukünftigen Postministers Christian Schwarz-Schilling an der Projektgesellschaft für Kabel-Kommunikation PKK. Sie wirkte damit an den Plänen des Ministers und des neuen Bundeskanzlers Helmut Kohl zur Schaffung des deutschen Privatfernsehens mit.
Heute steht das Wort Wende für die friedliche Revolution der DDR, die 1990 zur deutschen Wiedervereinigung führte. Vor vierzig Jahren hatte es noch eine etwas andere Bedeutung. Es meinte den Wechsel von SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt zu Helmut Kohl von der CDU. Am 1. Oktober 1982 gewann er im Bonner Bundestag ein konstruktives Misstrauensvotum und regierte dann bis zum Jahr 1998.
Zu den bekanntesten Ministern von Helmut Kohl zählte Christian Schwarz-Schilling. 1930 in Innsbruck geboren, studierte er Sinologie bis zur Promotion. Nach einer Banklehre leitete er die Accumulatorenfabrik Sonnenschein GmbH im hessischen Büdingen. Ab 1966 gehörte er dem Hessischen Landtag an, von 1976 an saß er im Bundestag und widmete sich auch der Medienpolitik. Im Kabinett von Kanzler Kohl war er Minister für das noch staatliche Post- und Fernmeldewesen. Damit wurde er natürlich wichtig für Heinz Nixdorf.
Wie im Blog bereits erzählt, scheiterte Nixdorf 1977 mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen Digital-Pläne der Bundespost; zuständig für sie war damals der SPD-Politiker Kurt Gscheidle. Wir dürfen annehmen, dass Nixdorf die Wende in Bonn mit Wohlwollen sah und auf die Idee kam, den neuen Postminister für Digitaltechnik aus Paderborn zu gewinnen. Der Weg dazu führte über eine Firma, an der der Computerindustrielle wie auch Schwarz-Schilling Anteile hielten: die Projektgesellschaft für Kabel-Kommunikation GmbH PKK.
Die PKK stand seit April 1980 im Handelsregister von Bonn; sie besaß 23 Teilhaber und ein Gesellschaftskapital von 500.000 DM. Ihr Zweck war die Projektierung, die Erstellung und der Ver- und Betrieb von Anlagen im Rahmen der beschränkten Verkabelung, die schon vor der politischen Wende begann. Mit von der Partie waren Kabel- und Antennenbauer, aber auch eine Bank und die Dr. Theodor Sonnenschein KG in Berlin – hinter ihr steckte Christian Schwarz-Schilling. Der bekannteste Name war zweifellos die Nixdorf Computer AG.

Hannover-Messe 1985: Heinz Nixdorf, Christian Schwarz-Schilling und Dr. Horst Nasko, im NCAG-Vorstand zuständig für die Nachrichtentechnik
Als die Regierungsübernahme durch die CDU näher rückte, übertrug Schwarz-Schilling die Geschäftsführung der Accumulatorenfabrik Sonnenschein an seine Frau und verkaufte seinen PKK-Anteil von 50.000 DM. Das geschah am 29. September 1982; am 22. Oktober wurde, wie Schwarz-Schilling in einem Leserbrief an den SPIEGEL mitteilte, die Abgabe notariell beurkundet. Den Anteil erhielt eine Tochtergesellschaft der Nixdorf Computer AG; sie war eine von zehn interessierten Parteien.
Im November 1982 wurde das Stammkapital der PKK auf 1,2 Millionen DM erhöht. Hiervon erwarb die NCAG 160.000 DM, damals eine Menge Geld. Die Computerwoche meinte: „Nixdorf habe sich vor allem deswegen an der Kabelgesellschaft beteiligt, um endlich besser ins Geschäft mit der Bundespost zu kommen und in die Phalanx der etablierten ‚Amtsbaufirmen‘ einzubrechen. Vor diesem Hintergrund – so vermuten Insider – sei auch die schnelle Bereitschaft der Paderborner zu werten, … dem PKK-Gründungsmitglied Schwarz-Schilling zu helfen.“
Wahrscheinlich hoffte Heinz Nixdorf auf Gegenleistungen bei der Digitalisierung und der Liberalisierung der Post. Tatsächlich folgte ein 60-Millionen-Auftrag für die NCAG und ihren Projektpartner Fuba beim Kabelpilotprojekt Ludwigshafen; man bot einen teuren Konverter mit Rückkanal an. Nach Angaben des SPIEGEL, dem wir hier trauen dürfen, erwies sich das System allerdings als Flop. Das Verhältnis von Heinz Nixdorf zu Christian Schwarz-Schilling wurde sicher nicht besser; eine bissige Bemerkung Nixdorfs über die Bundespost ging am Ende in den Nachruf des SPIEGEL ein.
Christian Schwarz-Schilling lebt noch und ebenso das von ihm angestoßene deutsche Kabelfernsehen. Weniger Glück hatte er mit dem deutschen Internet, dem Bildschirmtext. Die PKK wurde 1984 aus dem Handelsregister gelöscht. Schon jetzt verweisen wir auf die Tagung Heinz Nixdorf, die Digitalisierung und die Politik, die am 4. Dezember um 19 Uhr im HNF stattfindet. Veranstaltungspartner ist der Verein Westfalen e.V., der Eintritt ist frei. Unser Eingangsbild zeigt Nixdorf und Schwarz-Schilling auf der Hannover-Messe 1984.
				
