Herr Leibniz und sein Rechenstab

Geschrieben am 21.09.2021 von

Gottfried Wilhelm Leibniz erfand im 17. Jahrhundert die Rechenmaschine für die vier Grundrechenarten. Eine Maschine von ihm blieb erhalten. Ihre beste Kennerin ist Dr. Ariane Walsdorf von der Leibniz Universität Hannover; sie spricht am 23. September im HNF über „Das letzte Original“. Heute möchten wir aber ein anderes Leibniz-Thema behandeln, nämlich seine Ideen für Rechenschieber.

Im Blog griffen wir schon mehrfach die Beiträge von Gottfried Wilhelm Leibniz zur Rechen- und Chiffriertechnik auf, und wir beschrieben sein Konzept für einen Analogrechner. Leibniz kannte ebenso Logarithmen und ihre mathematischen Eigenschaften. Diese werden, wie man weiß, im Rechenstab genutzt, der die Multiplikation und die Division auf das Addieren und Subtrahieren von Strecken zurückführt.

Offenbar besaß der Gelehrte niemals ein solches Instrument. Er kam aber auf eine andere logarithmische Vorrichtung. Entdeckt hat das der Ingenieur und Rechenstab-Historiker Werner Rudowksi; er veröffentlichte 2007 dazu einen Aufsatz. Demnach schickte Leibniz am 29. Mai 1712 einen Brief an den im Harz tätigen Markscheider Bernhard Ripking; er erwähnte eine logarithmisch unterteilte Linie, die schraubenförmig auf eine kleine Metalldose graviert wird. Leibniz dachte an das Abgreifen von Linienabschnitten durch einen Faden.

Moderne logarithmische Rechenscheibe mit einem Läufer

Er bat Ripking um die Realisierung seiner Idee; er wollte auch die Unkosten tragen. Der Markscheider antwortete, dass er weder einen Mechaniker noch die nötige Zeit hätte. Er schlug stattdessen die Anfertigung einer Rechenscheibe vor, eines „verbogenen“ und in sich geschlossenen Rechenstabs. Davon hielt jedoch Leibniz nichts, was er in einem Schreiben vom 20. Juni 1712 deutlich machte. Scans seiner Briefe stehen hier und hier im Internet. (Der zweite Brief wurde falsch datiert.) Die Handschrift ist leider schwer zu lesen.

Wenige Jahre später befasste sich Leibniz mit einem weiteren Recheninstrument, einem runden Stab aus Messing, um den sich ein vergoldetes und ein versilbertes Band ringeln. Die Bänder lagen Seite an Seite auf dem Stab auf. Sie besaßen „Knöpfflein“, so dass man sie verschieben konnte. Außerdem trugen sie Markierungen: „Einen Cylinder könnte man füglich theilen in 25. Umgänge; ieden Umgang in 40. Abtheilungen, iede Abtheilung in 10. Theile; Die 10. Theilgen werden nicht mit Ziffern sondern nur mit Puncten oder Strichen angedeutet…“

Das Leibnizsche Recheninstrument wie im Buch von Jacob Leupold abgebildet

Die Passage findet sich in einer Ausgabe der Theodizee, die zehn Jahre nach Leibniz‘ Tod in Hannover erschien. Sie zählt zu seinen Hauptwerken und kam 1710 auf Französisch heraus. Die deutsche Edition von 1726 enthielt mehrere Anhänge, darunter „Die Beschreibung eines besondern Arithmetischen Instruments“ mit der zitierten Passage. Sie steht auf den Seiten 958 bis 960. Der Text wurde auch ins Theatrum Artithmetico-Geometricum aufgenommen, das der Publizist Jacob Leupold 1727 in Leipzig herausgab (Seite 37).

Wie funktioniert nun das Instrument von Leibniz? Wenn sich die Markierungen auf den zwei Bändern befinden, bleibt nur eine Deutung: Das Gerät ist ein Rechenschieber für Additionen und Subtraktionen. Dies geschieht durch das Anlegen oder Abziehen von Strecken, die die Zahlen darstellen. Die insgesamt 10.000 Markierungen verteilen sich gleichmäßig über die Bänder; es heißt im Text: „Die Puncte oder Strichlein kommen so nahe zusammen als es möglich.“ Eine logarithmische Skala, wie wir sie vom normalen Rechenstab kennen, weist dagegen zu Beginn mehr Unterteilungen auf als am Ende.

Die Rechenmaschine von Leibniz in einer alten Grafik mit etwas schräger Perspektive

Bekannter als die geschilderte Apparatur wurden die Leibnizschen Rechenmaschinen zur Multiplikation und Division. Eine von ihnen gibt es noch im Urzustand; das HNF besitzt einen Nachbau. Über Das letzte Original spricht am Donnerstag, dem 23. September, Dr. Ariane Wahlsdorf von der Leibniz Universität Hannover im HNF-Auditorium. Sie erforschte die Maschine und wirkte an einem Buch darüber mit. Alle Interessenten, die im Museum zuhören möchten, bitten wir um Anmeldung; das Referat wird auch live gestreamt.

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2 Kommentare auf “Herr Leibniz und sein Rechenstab”

  1. Was auch wenige wissen, ist das Leibniz auch einen Entwurf für ein Chiffriergerät hinterlassen hat, das von Technikern in Hannover erstmalig vor vielleicht zehn Jahren gebaut wurde.

    1. HNF sagt:

      Hier haben wir einen Artikel zur Chiffriermaschine von Leibniz: https://blog.hnf.de/herr-leibniz-und-seine-chiffriermaschine/

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