Im Land der Roboter
Geschrieben am 10.03.2020 von HNF
Nirgendwo auf der Welt sind Roboter so populär wie in Japan. Im 17. Jahrhundert entstanden kleinere und größere Automaten, die Karakuri. Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffneten Comics, die in Japan Manga heißen, und Spielzeugroboter eine neue Ära. Vor fünfzig Jahren begann der Ingenieurprofessor Ichiro Kato mit der Entwicklung von Maschinenmenschen, die auf zwei Beinen gingen.
Der Film ist eine halbe Minute lang. Er entstand in den frühen 1970er-Jahren und zeigt ein Gestell, das entfernt an einen Menschen erinnert. Es bewegt sich langsam auf zwei Beinen oder versucht es wenigstens. Das Gestell hat keinen Kopf, aber einen Namen: Wabot-1, ausgeschrieben Waseda Robot. Robot ist natürlich der Roboter, und Waseda steht für die Waseda-Universität in Tokio, eine der besten des Landes.
Wabot-1 war vermutlich der erste Roboter der Welt, der gehen konnte. Zwar machte auch die Roboterin Maria 1927 einige Schritte in dem Film Metropolis, doch in ihr steckte die junge Schauspielerin Brigitte Helm. Wabot-1 lief tatsächlich; ältere Roboter wie Sabor-V aus der Schweiz, die Schildkröten des Engländers Grey Walter oder Shakey in Kalifornien fuhren nur auf kleinen Rädern. Mit dem gehenden Roboter eröffnete Kato eine neue Epoche der Robotik; zugleich fachte er die japanische Begeisterung für künstliche Geschöpfe an.
Im Land der aufgehenden Sonne gab es schon im 17. Jahrhundert Automaten. Die kleinen Zashiki karakuri, zu Deutsch Empfangszimmerapparate, rollten mit Hilfe eines Federwerks durchs Zimmer. Sie servierten Tee und brachten die Tasse nach dem Austrinken auch wieder weg. Lebensgroße Androiden so wie Hadaly, die Eva der Zukunft aus dem 19. Jahrhundert, kannte man nicht. Als erster japanischer Roboter gilt der überlebensgroße Gakutensoku von 1928. Er soll auf einer Reise durch Deutschland verschwunden sein.
1951 begann die Karriere des von Osamu Tezuka gezeichneten Astro Boy. In seiner Heimat hieß er Tetsuwan atomu, frei übersetzt das „mächtige Atom“. Der jugendliche Roboter agierte in einem Manga, dem japanischen Comic-Strip, und ab 1963 außerdem im Trickfilm oder Anime. Er war und ist so bekannt wie bei uns die Micky Maus. Ab den 1950er-Jahren eroberten fernöstliche Spielzeugroboter Amerika und Europa. Sie orientierten sich an Science-Fiction-Filmen aus den USA und an Ideen aus dem NASA-Mondflugprogramm.
In den 1960er-Jahren stoßen wir auf Ichiro Kato. Er wurde am 2. Mai 1925 in der Präfektur Chiba geboren; sie erstreckt sich über eine Halbinsel östlich von Tokio. 1950 erhielt er das japanische Gegenstück zum Bachelor-Grad an der Waseda-Universität; später wurde er dort Professor für Ingenieurwissenschaften. Ab 1967 entwickelte er in seinem Labor künstliche Muskeln und Gliedmaßen. Sie bewegten sich, wie die Techniker sagen, mit mehreren Freiheitsgraden. Katos frühe Arbeiten schildert eine Online-Broschüre seiner Universität.
1970 taten sich vier Abteilungen der wissenschaftlich-technischen Fakultät zusammen und starteten ein Projekt für Biotechnik. Das Ergebnis war der bereits erwähnte Wabot-1. Er verfügte über ein System zur Bilderkennung und nahm gesprochene Befehle auf. Die Sinneseindrücke analysierte ein angeschlossener Computer, der allerdings Zeit brauchte; manche Anweisung wurde erst nach mehreren Minuten ausgeführt. Wabot-1 konnte aber Entfernungen abschätzen und Gegenstände ergreifen. Er gilt als erster funktionsfähiger beweglicher und menschenähnlicher Roboter.
1980 begann die Entwicklung eines Nachfolgers. Wabot-2 lief nicht herum, sondern saß an einer elektronischen Orgel und machte Musik. Als Kopf diente eine Videokamera, welche die dazugehörigen Noten aufnahm. Die Notenschrift wurde durch ein System mit Prozessoren von Zilog gelesen; die herauskommenden Daten steuerten die Finger auf der Tastatur. Ab 1984 zeigte Wabot-2 seine Fähigkeiten. Von März bis September 1985 war er auf der High-Tech-Weltausstellung von Tsukuba zu sehen, die zwanzig Millionen Besucher anlockte.
Am 14. Mai 1985 berichteten die amerikanischen Computer Chronicles aus Tsukuba. Ab Minute 11:00 spielte Wabot-2 die „Silk Road“ des Komponisten Kitarō, danach erschien Ishiro Kato und erzählte über die Zukunft seines Fachs. Bei Minute 15:00 trat ein neuer Laufroboter auf. Der WHL-11 war ein Gemeinschaftsprodukt der Waseda-Universität und der Firma Hitachi. Im Jahr 2000 eröffnete die Uni ein eigenes Institut für Robotik. Heute hat sie drei von ihnen; das visionärste dürfte das Institute for Human Robot Co-Creation sein. Ichiro Kato starb leider schon am 19. Juni 1994.
Mit seinem Wabot-1 begann vor fünfzig Jahren die Geschichte der japanischen Androiden. Nach der Waseda-Universität engagierte sich die Firma Honda. Sie baute in den 1990er-Jahren die P-Serie und zur Jahrtausendwende ASIMO. Er ist im Eingangsbild zu sehen (Foto Charlie Owen CC BY-NC 2.0 seitlich beschnitten). Bis heute entstand in Japan eine Vielzahl künstlicher Wesen. Wohin die Robotik uns noch führen wird, lassen wir einmal offen. Am Ende setzen sich vielleicht rollende Roboter wie PETRA und PETER aus Thürigen durch, die beide tagtäglich ihren Dienst im HNF versehen.
Kann ein humanoider Roboter den Corona-Virus übertragen ?
Kann schon einer die=seine Hände sorgfältig waschen ?
Er könnte in Zukunft auch – nachts die Ausstellung desinfizieren helfen.
ich bin 19?? nach Berlin gefahren, um den Asimo im Martin-Gropius-Bau beim Treppensteigen zu bewundern. Der Roboter kam hinter dem Bühnenvorhang hervor, winkte ins Publikum und ging zielsicher auf eine Treppenkonstruktion zu. Dann justierte er sich einen Moment und begann die vielleicht 8-stufige Treppe in perfektem Gleichgewicht hochzusteigen und auf einer Plattform anzuhalten. Wieder lief ein mechanischer Check durch die Maschine und Asimo marschierte die Treppe wieder sicher und relativ schnell herunter. Beeindruckend.
Es gab großen Applaus. Als ich dann versuchte einen Honda-Vertreter zu sprechen, um einen Auftritt von Asimo im HNF zu ermöglichen, verstand keiner der japanischen Techniker mehr Englisch.