
Mit dem Computer ins Flugzeug
Geschrieben am 22.04.2025 von HNF
In den frühen 1950er-Jahren erschienen in Amerika die ersten digitalen Buchungssysteme für Fluggesellschaften. 1960 lieferte die Firma IBM das Programm SABRE an die American Airlines; 1964 folgte PANAMAC für die Pan American World Airways. Dieses System erfasste viele Pan-Am-Ziele auf dem Globus; der Zentralcomputer stand in New York. Ab 1965 war es in Frankfurt nutzbar.
Vor sechzig Jahren war das schwerste Verbrechen im Fernsehen die Schleichwerbung, die Nennung einer Privatfirma in einem TV-Bericht. Es verwundert also nicht, dass sich die Hessenschau im Februar 1965 wie folgt ausdrückte: „Auskünfte über Flugverbindungen erteilt eine amerikanische Gesellschaft von ihrem Frankfurter Büro aus jetzt schneller als bisher. Vor einigen Tagen hat sie eine elektronische Datenverarbeitungsmaschine in Betrieb genommen. Damit ist die Bundesrepublik als erstes europäisches Land an ein weltweites Fernbuchungssystem angeschlossen.“
Und weiter: „Das in New York stationierte Rechenzentrum kann von 568 Buchungsplätzen in 124 Städten, darunter jetzt auch Frankfurt, gleichzeitig angeschrieben werden. Es führt 150.000 Befehle in der Sekunde aus. Nach Angaben der Herstellerfirma ist dies die größte elektronische Datenverarbeitungsmaschine für zivile Zwecke. Die für die Auskunft nötigen Daten speichert sie, sodass durch einen Knopfdruck gleich das Flugticket gebucht werden kann…. Auf einer Lochkarte sind die mit der Fluggesellschaft zusammenarbeitenden Hotels vermerkt.“

Konsole der IBM 7080 (Foto Sabroadley CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)
Heute sind die Sitten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht so streng, und wir dürfen enthüllen, was die „Hessenschau“ beschrieb: das Buchungssystem PANAMAC, das IBM für die Pan American World Airways entwickelte. Hier sehen wir IBM-Chef Thomas J. Watson und Pan-Am-Präsident Juan Trippe 1962 beim Vertragsabschluss. Seine 1927 gegründete Fluggesellschaft besaß ein Hochhaus in New York; im vierten Stock lag das vom Fernsehen erwähnte Rechenzentrum mit einem Computer des Typs IBM 7080. Die neun Tonnen schwere Transistormaschine kam 1961 auf den Markt.
Der Computer bildete das Zentrum eines Netzwerks für Flugbuchungen, das die USA mit den Hawaii-Inseln und Puerto Rico sowie Westeuropa abdeckte; dort gab es Knoten in London, Paris, Rom und eben Frankfurt am Main. Anfang 1965 erfasste das Netz 568 Buchungsplätze in 124 Städten. PANAMAC war die wohl größte Anlage ihrer Art, doch nicht die einzige. In den 1950er-Jahren erfanden die American Airlines ein System mit einem Trommelspeicher, den Magnetronic Reservisor, und verkauften es auch an andere Fluggesellschaften.
Für die United Airlines schrieb die Computerpionierin Evelyn Berezin 1958 das System Unisel. Der kanadische Ableger der englischen Elektronikfirma Ferranti schuf in den frühen Sechzigern ReserVec für die Trans-Canada Airlines. Die IBM stellte 1960 für die American Airlines die erste Version von SABRE (Semi-Automatic Business Research Environment) fertig. Sie stützte sich auf Erfahrungen aus dem Projekt SAGE alias Semi-Automatic Ground Environment zur Abwehr sowjetischer Bomber.

Das PANAMAC-Netz nach der Planung im August 1964 – bitte draufklicken! Ganz rechts steht FRA für Frankfurt. (Foto National Museum of American History, Smithsonian Institution)
SABRE führte dann 1964 zu PANAMAC. Das merkte auch der SPIEGEL, der im Mai 1965 eine Titelgeschichte über Elektronen-Roboter in Deutschland brachte. Ein Zitat: „In ‚real time‘ verwaltet beispielsweise die US-Fluggesellschaft Pan American Airways (Panam) ihr ‚Lager‘ an Passagierplätzen. Der eigens für die Gesellschaft entwickelte Riesencomputer Panamac (Kosten: 100 Millionen Mark) steht in New York; immer mehr Außenstellen, seit kurzem auch die Panam-Filiale auf dem Frankfurter Flughafen, sind mittels Spezial-Fernschreiber am Panamac angeschlossen.“
Ein Reservierungssystem entwickelte ebenso Siemens. Es enthielt keinen Riesencomputer, sondern eine normale Siemens 2002 mit angeschlossenem Monitor. In der Wochenschau zur Hannover-Messe 1961 taucht sie bei Minute 1:35 auf. Daraus entstand ein digitales Netzwerk für die Lufthansa, das am 1. März 1967 eingeweiht wurde. Es umfasste vierzig Fernschreib-Leitungen und zweihundert Buchungsplätze in Stadt- und Flughafenbüros. Nachfahren waren die Systeme START und Amadeus.
Das nächste größere IBM-System trug den Namen PARS. Es erschien 1968 und gehörte zur Computerfamilie IBM 360; in Europa verwendete es die Swissair. Es folgte PANAMAC II für die IBM 370. Die Fluggesellschaft Pan Am beendete 1991 den Betrieb; die frühere New Yorker Zentrale gehört heute einer Versicherung. Wir kehren aber noch einmal zu PANAMAC zurück mit einem Film aus der guten alten Zeit, der das Netzwerk in leuchtenden Farben vorstellt. Wir wünschen einen guten Flug!